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Berlin feilt an seinem Ruf

Martin Schrader10. März 2008

Mit dem Slogan "be berlin" ("Sei Berlin") und einer groß angelegten Imagekampagne will Berlin national und international für sich werben. Das ist höchste Zeit. Denn der globale Standortwettbewerb ist längst entbrannt.

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Zwei Menschen feiern vor dem Brandenburger Tor
So sehen PR-Profis die Berliner gerne: gut gelaunt vor weltbekannten SymbolenBild: AP

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die Kampagne zur Chefsache erklärt und stellte den Slogan am 11. März persönlich vor. Der Werbespruch ist Teil einer 10,6 Millionen Euro teuren Strategie, mit der Berlin ähnlich wie andere Weltstädte ("I love New York") zu einer Marke entwickelt werden soll.

Love Parade 1999
Die Love Parade machte Berlins Sinn fürs Feiern weltbekanntBild: dpa

Begehrlichkeiten wecken

Jedes Land, jede Region und jede Metropole braucht heute nach Einschätzung des Branding- und Kommunikationsfachmanns Andreas Mack eine Marke. Mack ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Berlin Universität der Künste und einer der kreativen Väter der neuen Berliner Kampagne. Er begründet den Zwang zur Selbstvermarktung mit dem immensen Standortwettbewerb, dem eine Stadt wie Berlin ausgesetzt sei. Das habe man gerade erst auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin beobachten können. Dort versuchten PR-Profis aus aller Herren Länder, ihre touristische Region oder auch ihre Wirtschaftsregion als eine Marke ins Bewusstsein einer möglichst großen Zahl von Menschen zu bringen. Wichtig sei es dabei, dass die Marke so angepriesen werde, dass sie bei den Menschen Begehrlichkeiten wecke.

Imagekampagnen in Asien sind ein Beispiel dafür, wie stark Länder und Metropolen um die Aufmerksamkeit des internationalen Publikums buhlen. Vor 20 Jahren sprach man im Westen lediglich von "den Tiger-Staaten" in Asien. Damit war eine nur schemenhaft bekannte Gruppe aufstrebender Länder gemeint, die im Westen kaum jemand namentlich kannte. Heute haben Staaten wie Malaysia, Südkorea und Thailand mit so genanntem Branding Bilder ihrer selbst in die Welt transportiert. Ein ähnliches Phänomen ist laut Mack auch in den Staaten des Ostblocks zu beobachten gewesen, wo Länder eine eigene Identität suchten und diesen mit Hilfe von Imagekampagnen einen Rahmen gaben.

Touristen als Goldesel

Besonders wichtig ist Selbstvermarktung für Touristen-Magneten wie London und New York. London ist nach Angaben der offiziellen Stadtvermarktungsgesellschaft "Visit London" führend in der Attraktivität für ausländische Touristen. Jährlich zieht die Stadt mehr als 15 Millionen ausländische und etwa elf Millionen inländische Besucher an. New York kam zwar zuletzt auf eine Gesamtzahl von knapp 44 Millionen Besuchern, davon kamen mehr als 36 Millionen allerdings aus dem Inland. In beiden Städten gilt der Tourismus als wichtige Umsatzquelle. So beziffert "Visit London" den Umsatz für das Jahr 2006 auf umgerechnet etwa 13 Milliarden Euro. In New York lag er offiziellen Zahlen zufolge bei etwa 16 Milliarden Euro.

Foto: Zoo Berlin/Peter Griesbach +++(c) dpa - Bildfunk+++
Er betrieb Berlin-Werbung auf seine Art: Eisbär Knut aus dem Berliner ZooBild: picture-alliance/dpa

Von diesen Größenordnungen ist Berlin weit entfernt. Dort freut man sich über jährlich acht Millionen Gäste, die der Stadt zwischen acht und neun Milliarden Euro Umsatz bescheren.

Bloß nicht wörtlich nehmen

Noch bevor der Leitspruch "be berlin" - im Branchen-Jargon "claim" genannt - überhaupt offiziell bekannt wurde, hagelte es Kritik daran. "Alle Berliner sollten sich, bevor die Kampagne offiziell beginnt, dringend klarmachen, dass diese Aufforderung nur sinngemäß gemeint ist", warnte der bekannte Hauptstadt-Kolumnist Harald Martenstein. Berlin wirke ja, bei all seinen Vorzügen, in manchen Ecken sehr schmuddelig, Entscheidungen und Baumaßnahmen dauerten lange, Berlin sei auch relativ arm. "Wenn im nächsten Monat die ersten 'Be-Berlin'-Plakate auftauchen, und daraufhin beginnt die gesamte Berliner Bevölkerung, sich nicht mehr zu waschen, und sie kündigen alle ihre Stellungen und verprassen ihr gesamtes Geld, mit der Begründung, der Berliner Senat habe sie ausdrücklich dazu aufgefordert, sie sollten so sein wie Berlin, dann geht der Schuss intellektuell nach hinten los, Berlin würde sich in der ganzen Welt lächerlich machen."

Auf den Berliner Hang, alles erstmal schlecht zu reden, sind die vom Regierenden Bürgermeister beauftragten PR-Profis freilich vorbereitet, sagt Mack. Auch kenne man die Vorliebe der Deutschen, erstmal Bedenken anzumelden, wenn etwas neu ist. Das sei in London ganz anders. Dort finde man immer wieder neue Hypes, immer wieder Begeisterung für neue Dinge. Deshalb richtet sich die Berliner Kampagne auch zuallerst an die Berliner selbst - und erst in einem weiteren Schritt an die (möglichen) Besucher der Stadt.

Ein Beispiel dafür, wie man die Bevölkerung eines ganzen Bundeslandes zu einer Marke formen kann, gibt es bereits: "Wir können alles außer Hochdeutsch" lautete der Werbespruch Baden-Württembergs. In der PR-Branche wird dem Slogan großer Erfolg nachgesagt, vor allem nach innen. "Das Zusammenbinden auf eine kommunikative Plattform, die auch in Baden-Württemberg eine Humorigkeit oder Selbstironie erlaubt, die man sonst dort nicht alltäglich sieht - das ist ein großes Verdienst der Kampagne", meint Mack. Dieses Kunststück möchte er gerne auch in Berlin vollbringen.