1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Berlin gedenkt des Mauerfalls

9. November 2019

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 öffnete die DDR die Grenze zur Bundesrepublik. Der Blick zurück ist dankbar und froh - aber auch nachdenklich. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

https://p.dw.com/p/3SkR6
30. Jahrestag Mauerfall - Feier am Brandenburger Tor
Bild: AFP/M. Tantussi

Immer wieder: Regen. Klamm, grau, kalt und ungemütlich präsentierte sich Berlin seinen Besuchern an diesem 9. November. Trotzdem drängelten sich schon am Vormittag tausende Menschen im Regierungsviertel rund um den Reichstag, auf der Prachtstraße Unter den Linden und am weiträumig abgesperrten Brandenburger Tor. Satzfetzen auf Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch und Polnisch schwirrten durch die Luft. Aus aller Welt sind Besucher zum 30. Mauerfall-Jubiläum nach Berlin gekommen.

Seit Tagen war vor dem Brandenburger Tor eine riesige Bühne aufgebaut worden. Am Abend fand hier eine Show statt, bei der Künstler und Gäste eins gemeinsam hatten: eine enge Verbindung ihrer Kunst oder Lebensgeschichte mit dem Mauerfall vor 30 Jahren und der darauf folgenden Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Über den Zuschauern flatterte auf der Festmeile die 150 Meter lange Kunstinstallation "Visions in Motion" mit ihren 100.000 bunten Stoffstreifen.

Kurz vor Mitternacht waren die Grenzübergänge offen

Unter den Show-Gästen war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der an die "Nacht der Nächte" erinnerte, "nach der nichts mehr war wie zuvor". 30 Jahre später könne man nicht dankbar genug sein. "Diese Mauer, sie fiel ja nicht einfach. Die friedlichen Revolutionäre haben sie eingerissen. Sie, die Mutigen in der DDR, haben Geschichte geschrieben: Demokratiegeschichte, Weltgeschichte."

30. Jahrestag Mauerfall - Feier am Brandenburger Tor
Tausende kamen zum Brandenburger TorBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die Mauer ins Wanken, so Steinmeier, hätten zuvor aber schon die Menschen in Osteuropa gebracht. Auch ihnen müsse man dankbar sein. "Unsere Gedanken sind heute auch bei unseren Freunden in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Ihr Mut hat den Menschen in Ostdeutschland Mut gemacht. Ihr Mut hat die Teilung Europas beendet."

"Mitgestalter unserer Geschichte"

Deutlicher als je zuvor wurde am 30. Jahrestag des Mauerfalls die Rolle der Osteuropäer in den Fokus gerückt. Der Bundespräsident hatte Polens Staatschef Andrzej Duda, den tschechischen Präsidenten Milos Zeman, die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova und den ungarischen Staatschef Janos Ader nach Berlin eingeladen. "Ohne Polen und Ungarn, ohne Tschechen und Slowaken könnten wir Deutsche diesen Tag nicht begehen. Ohne sie hätte es diesen Tag womöglich gar nicht gegeben", so Steinmeier, der von "Mitgestaltern unserer Geschichte" sprach.

Deutschland Gedenkfeier zum Mauerfall in Berlin - Steinmeier dankt Osteuropäern
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gäste aus den Visegrad-Staaten stecken Rosen in die MauerBild: Reuters/F. Bensch

Am Morgen war Steinmeier gemeinsam mit seinen Gästen zur zentralen Gedenkfeier zum Mauerfall in der Gedenkstätte an der Bernauer Straße gekommen. Als die DDR die Grenze im August 1961 dichtmachte, spielten sich hier dramatische Szenen ab. Während die Häuser auf Ost-Gebiet standen, gehörte der Bürgersteig davor zum Westteil Berlins. Wer es noch schaffte, aus dem Fenster vor das Haus zu springen, dem war die Flucht in letzter Minute noch gelungen. Nach wenigen Tagen wurden die Fenster zugemauert.

Rosen in der Mauer

Der Bundespräsident und die Staatsoberhäupter von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei steckten zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundesratspräsident Dietmar Woidke rote und gelbe Rosen in die Mauer und "durchlöcherten" sie damit symbolisch. Jugendliche aus Frankreich, England, Norwegen, der Ukraine, Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei trugen ihre Vorstellungen über ein gemeinsames Europa vor.

Deutschland Berlin Gedenkfeier 30 Jahre Mauerfall Merkel
Die Kanzlerin an der MauergedenkstätteBild: Reuters/F. Bensch

Auch Merkel dankte den Präsidenten der Visegrad-Staaten. "Die friedliche Revolution in der DDR hatte mutige Vorbilder." Die Kanzlerin erinnerte an die Opfer der SED-Diktatur, die nicht vergessen würden. Allein 75.000 Menschen hätten für ihre Suche nach Freiheit im Gefängnis gesessen. Nun sei die Mauer Vergangenheit und die Geschichte zeige: "Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheit begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann."

Gegen Hass und Rassismus

An diesem Gedenktag dürfe aber auch die Erinnerung an die Pogromnacht der Nationalsozialisten im Jahr 1938 nicht zu kurz kommen. "Der 9. November, in dem sich in besonderer Weise sowohl die fürchterlichen als auch die glücklichen Momente unserer Geschichte widerspiegeln, ermahnt uns, dass wir Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegentreten müssen."

Darauf verwies auch der evangelische Bischof von Berlin und Brandenburg, Markus Dröge. Die Erinnerung an die friedliche Revolution vor 30 Jahren in der DDR falle in diesem Jahr nachdenklicher als vor fünf Jahren aus. "Der Anschlag auf die Synagoge in Halle hat alle aufschrecken lassen." Die gesellschaftlichen Diskussionen seien schärfer geworden.

Mahnungen auch von Steinmeier

Darauf ging auch der Bundespräsident am Abend noch einmal ein. "Ich finde, wenn wir uns heute Abend mit Dankbarkeit, mit Tränen in den Augen, an die Mutigen von damals erinnern, dann können wir doch nicht gleichzeitig dabei zugucken, wie das, was sie erkämpft haben, in Vergessenheit gerät", mahnte Steinmeier, der für seine Worte viel Applaus bekam. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen ausgegrenzt und angegriffen werden, dass die Demokratie verhöhnt, dass der Zusammenhalt in diesem Land zerstört wird!"

Quer durch Deutschland seien neue Mauern aus Frust, Wut und Hass entstanden. Nur die Menschen selbst könnten sie wieder einreißen. "Zusammenhalt, den kann man nicht von oben verordnen." Der Appell des Bundespräsidenten: "Ziehen wir uns nicht zurück hinter Mauern und in Echokammern, sondern streiten wir für diese Demokratie."