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Berlin in Washington

Sebastian Schlegel24. August 2007

Brezel und Weizenbier gibt’s in Washington zuhauf. Doch das kann doch nicht alles sein, das die Hauptstadt der USA an deutschen Kulturgütern zu bieten hat. Eine Spurensuche.

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Bild: DW

Mein erster Restaurantbesuch in Washington: zu den Spezialitäten des Hauses zählen Hamburger mit Sauerkraut und dazu stilecht Weizenbier. Ein kurzer Blick auf die Umgebungskarte der amerikanischen Hauptstadt offenbart Ortsnamen wie Vienna, Germantown und Hanover. Ach, und Ende September steigt traditionell das Oktoberfest in der Nähe des Flughafens.

Es ist nicht gerade so, als würde Washington einen gewissen deutschen Einfluss verheimlichen. Aber diese klischeebehafteten Kulturgüter können doch nicht alles gewesen sein. Ich begebe mich auf die Suche nach mehr!

Erste Station. Was läge näher als der Deutschen Botschaft einen Besuch abzustatten. Elitär gelegen im Nordwesten Washingtons übt sich die deutsche Vertretung in Bescheidenheit mit Hilfe eines modernen Gebäudes im Bauhausstil. Als hätte Walter Gropius persönlich Hand angelegt, erstreckt sich der wichtigste Teil der Botschaft - der Veranstaltungssaal - wie eine Speerspitze in den umliegenden Park, so dass die Glasfront über drei Seiten einen majestätischen Ausblick gewährt.

Cactus und Göring

An diesem Abend komme ich in den Genuss einer doppelten Portion deutscher Kultur. Zum einen tritt ein Orchester auf, welches ein Instrument zum klingen bringt, das Erinnerungen an Lederhosen und Sepplhut weckt, wodurch es jedoch eher zu zweifelhaftem Ruhm gelangte: Die Rede ist vom Akkordeon. Zum anderen interpretieren die Musiker unter anderem Klassiker wie Bach und Mozart - ja, man kann weitaus mehr als nur einen Dreivierteltakt aus dem Blasebalg herauspressen! Der amtierende Deutsche Meister auf diesem Gebiet kommt aus Hof und nimmt an der Akkordeonweltmeisterschaft teil. "Das ist schon etwas Besonderes“, betont Dirigent Günther Zeilinger, "wir sind immerhin eines der wenigen Amateurorchester hier.“ Und wieder wird Zeilinger zum Meistermacher: Sein Quintett erzielt den Bronzerang inmitten der internationalen Konkurrenz.

Szenenwechsel. Geleitet von einer hilfsbereiten Backstage-Dame stapfe ich durch dunkle, enge Tunnel, vorbei an Mülltonnen und anderem unidentifizierbaren Gerümpel. "Achtung, hier wird’s etwas nass“, lässt mich meine Begleiterin wissen und hüpft über eine schwarze Wasserpfütze, die von Rinnsalen aus Decke und Wand weiter genährt wird. Wir erreichen eine rote Tür. Ich klopfe. Freudig und überrascht öffnet mir Françoise Cactus. Drinnen: noch mehr rote Wände. Und auf einer roten Couch lümmelt Brezel Göring. Zusammen ergeben die beiden die Band Stereo Total. Eine französisch-deutsche Liaison, die zu einem Kunstprojekt verschmolz - oder umgedreht.

Alles Transition - oder was?

Das Rock’n’Roll Hotel in Washington bildet den Auftakt ihrer Überseetour zum neuen Album mit dem passenden Namen Paris Berlin. Auch sie sind Kulturbotschafter. Und das wissen Stereo Total auch: "Wir sind ein europäisches Phänomen“, meint Brezel. Das Konzept, soweit vorhanden, folgt dem Motto: 'Ich kann das nicht, aber ich mache es trotzdem’. "Kultivierung des Dilettantismus“ nennt der männliche Part des Duos das dann. Und so etwas gebe es in den Staaten nicht. Wie sich das anhört? Brezel versucht sich an instrumentaler Untermalung seiner mit französischem Akzent und niedlich schräg singenden Freundin Françoise. Bei diesem Treiben auf der Bühne wirken die beiden so authentisch, charmant und ehrlich - man muss sie einfach lieben!

Nummer 3. Heute greife ich bei der morgendlichen Garderobenwahl zum Sakko. Schließlich steht eine Vernissage auf meinem Abendplan. Das Goethe-Institut lädt ein zur Photoausstellung portrait:berlin. Nachdem ich die mit Frotteeteppich überzogene Treppe durchwatet habe, erwartet mich eine Überraschung in der Galerie: Gut 150 Besucher tummeln sich rund um Käsecracker, Weinbar und vereinzelt auch die Ausstellungsstücke. Ein extravaganter Typ mit sprenkelbunter Brille und offenbar selbst designtem Anzug gibt eine Einführung: "Es geht um Transition!“ - Wechsel oder Übergang, also. Offenbar das Lieblingswort von Christian Rothmann, einem der Künstler, der diesen Ausdruck beständig im Mund führt. "Überall ist Transition!“ Welche Stadt könnte das besser demonstrieren als Berlin? "Natürlich generiert eine Ausstellung über Berlin automatisch auch ein Deutschlandbild“, gesteht die Sprenkelbrille, "aber im Endeffekt geht es darum Verbindungen zu schaffen, z.B. zwischen Berlin und Washington. Verbindungen durch Transition.“

Zimmerman and Schneider

Sechs Tage Washington, drei deutsche Kulturveranstaltungen der verschiedensten Art. Man könnte glatt von einer Globalisierung der Kunst sprechen. Und diese wirkt, wie ich deutlich mitbekommen habe, nicht nur von West nach Ost über den Atlantik.

Genug von Deutschland und Europa - ich befinde mich schließlich in den USA! Zur Entspannung wende ich mich deshalb der uramerikanischen Sportkultur zu und besuche ein Baseballspiel. Ein Schmunzeln kann ich mir aber nicht verkneifen, als der Stadionsprecher in großen Tönen zwei Schlagmänner der Washington Nationals ankündigt: "Here are Zimmerman and Schneider!“