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Berlin-Marathon: Mythos und Macke

Marcel Fürstenau22. September 2014

DW-Reporter Marcel Fürstenau ist leidenschaftlicher Läufer und fiebert dem Berlin-Marathon am Sonntag entgegen. 42,195 Kilometer laufend durch seine Stadt - die Vorfreude bei ihm könnte nicht größer sein.

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Marcel Fürstenau beim Berlin-Marathon
Bild: P. Baumeister

Berlin! Berlin! Wir laufen durch Berlin! Für 40.000 Menschen aus aller Welt ist der letzte Sonntag im September vermutlich der sportliche Höhepunkt des Jahres. Sie gehören zu den Glücklichen, die einen Startplatz für den legendären Berlin-Marathon am 28. September ergattert haben. Der Run auf den Lauf ist inzwischen so groß, dass die Startplätze erstmals verlost wurden. Bis zur 40. Veranstaltung im vergangenen Jahr war schon das Anmeldungsritual ein Wettrennen mit immer höherem Tempo. Als das Startplatz-Kontingent 2013 schon nach wenigen Stunden ausverkauft war, entschieden sich die Veranstalter für das neue Verfahren.

Ich konnte mir die Lotterie trotzdem ganz entspannt anschauen, denn als Mitglied im "Jubilee-Club" habe ich eine lebenslange Teilnahme-Garantie mit einer festen Startnummer: 3176. Dieses Privileg habe ich mir seit 2003 im wahrsten Sinne des Wortes erlaufen: Mindestens zehn Mal muss man ins Ziel gekommen sein (neudeutsch: "gefinished" haben), um auf Antrag in den erlauchten "Jubilee"-Kreis aufgenommen zu werden. Als Nachweis gelten die Urkunden mit Name, Nummer, Zeit, Gesamt- und Altersgruppenplatz. Meine offizielle Berliner Bestzeit steht seit 2004 bei 3 Stunden, 24 Minuten und 38 Sekunden.

"Flat, fast and unforgettable"

Die Sieger laufen Jahr für Jahr etwas früher als ich durch das Ziel kurz hinter dem Brandenburger Tor - was entweder an mir oder aber dem sportlichen Niveau der Weltspitze liegen muss. Zuletzt stellte der Kenianer Wilson Kipsang mit 2:03:23 einen Weltrekord auf. Er setzte damit die Tradition seiner Landsleute Paul Tergat und Patrick Makau fort, die 2003 bzw. 2011 Bestmarken erzielt hatten. Die Phalanx der Kenianer durchbrach der in Berlin Heldenstatus genießende Äthiopier Haile Gebrselassie mit vier Erfolgen nacheinander von 2006 bis 2009. Seine 2008er Siegerzeit (2:03:59) bedeutete ebenfalls Weltrekord.

Wilson Kipsang im Ziel des Berlin-Marathons
Wilson Kipsang feiert seinen Weltrekord 2013. Diese Mal wird er in Berlin fehlen, weil er im November in New York startet.Bild: picture-alliance/dpa

"Flat, fast and unforgettable" - das Motto für die schnellste Marathon-Strecke der Welt ist über jeden Zweifel erhaben. Und natürlich träume auch ich von einer neuen persönlichen Bestzeit. Dass es am kommenden Sonntag klappen wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Dafür lief es in der ersten Jahreshälfte zu schlecht. Eine Verletzung nach der anderen, insgesamt sechs Wochen kein Training. Zum Glück bin ich inzwischen beschwerdefrei und fühle mich gut vorbereitet. Seit Anfang Juli habe ich 40 Läufe absolviert, darunter jeweils drei über mehr als 20 bzw. 30 Kilometer. Ich bin also vorbereitet.

Warum ich freiwillig 98 Euro zahle

Am Sonntag gilt es. Die klassische Marathon Distanz von 42,195 Kilometern wartet auf mich. Über 2500 Jahre alt ist der Mythos Marathon inzwischen. Zahllose Legenden ranken sich um den Ursprung des Laufes, der 490 vor Christus von einem griechischen Boten zwischen dem Örtchen Marathon (deutsch: Fenchelfeld) und Athen absolviert worden sein soll. Nachdem er die frohe Kunde vom Sieg über die Perser verkündet hatte, starb er vor Erschöpfung - heißt es. Eine tragische Geschichte, deren Wahrheitsgehalt unter Historikern höchstumstritten ist. Uns, den Läufern, Rollstuhlfahrern und Handbikern im 21. Jahrhundert, kümmert der Streik der Gelehrten wenig. Uns eint die Leidenschaft, die mehr oder weniger große Macke, sich ohne Not der Herausforderung namens Marathon zu stellen.

40. Berlin-Marathon 29.09.2013
Rendez-vouz mit der Siegesgöttin, allerdings sind danach noch 41 Kilometer zu bewältigen...Bild: Reuters

Weil ich für dieses moderne Abenteuer beim Berlin-Marathon sogar noch freiwillig 98 Euro Startgebühr zahle, halten mich nicht wenige erst recht für bekloppt. Sollen sie nur! Mir ist dieses unvergleichliche Erlebnis jedes Jahr aufs Neue jeden Cent wert. Ein Millionen-Publikum an der Strecke und an den Fernsehern - diese Bilder gehen durch die Welt und immer wieder durch meinen Kopf. Sie begleiten mich noch lange, auch im Training. Meine Geburtsstadt im Lauffieber zu erleben, hat etwas im guten Sinne Ansteckendes.

Was mir die Siegessäule bedeutet

Jubelnde Menschen schon beim Start Richtung Siegessäule, einst geschaffen zur Erinnerung an den Sieg im deutsch-französischen Krieg 1870/71. Ich denke beim Anblick der "Goldelse", wie sie im Volksmund heißt, lieber an den angestrebten Sieg über meinen inneren Schweinehund. Erfahrung und gute Vorbereitung hin oder her, dieser Kampf ist jedes Mal hart - und irgendwie schön.

DW-Redakteur Marcel Fürstenau läuft seit 2002 Marathon. Premiere feierte er in Frankfurt am Main, in Berlin ist er seit 2003 dabei. Seine Bestzeit lief der 52-Jährige Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin 2013 in Hamburg (3:23:41). Vor dem 41. Berlin Marathon am kommenden Sonntag schildert er #link:http://www.dw.de/themen/sport/s-12284:hier# täglich, wie seine finale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt läuft.