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Sicherheit in Europa

20. Oktober 2010

Die Sicherheit in Europa war Thema zwischen Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Sarkozy und Russlands Staatschef Medwedew. Thomas Gomart vom Institut für Internationale Beziehungen in Paris bewertet den Gipfel.

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Portrait von Thomas Gomart (Foto: DW)
Thomas GomartBild: Institut français des relations internationales

DW-WORLD.DE: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, die Beziehungen zwischen Russland und der NATO auf eine "vernünftige Grundlage" zu stellen. Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur, wie sie von Russland vorgeschlagen wurde, müsse "schrittweise" aufgebaut werden. Ist der Gipfel in Deauville der erste Schritt zum Aufbau eines solchen europäischen Sicherheitssystems?

Medwedew, Sarkozy und Merkel in Deauville (19.10.2010) (Foto: AP)
Medwedew, Sarkozy und Merkel in DeauvilleBild: AP

Thomas Gomart: Ich denke, dass dies nicht der erste Schritt ist, sondern ein weiterer Schritt in einem komplexen Prozess, der 2008 im Rahmen der sogenannten "Medwedew-Initiative" gestartet wurde. Aber danach hatten sich viele Komplikationen in diesem Prozess ergeben. Vor allem war es der Krieg mit Georgien im Sommer 2008, dann war es der Regierungswechsel in den USA, der das Klima zwischen Moskau und Washington veränderte, und dann die Entwicklung in der Ukraine, wo es eine neue Führung gibt, die unter anderem neue Abkommen mit Russland in den Bereichen Sicherheit und Energie geschlossen hat. Daher sollte der Gipfel als Teil eines bereits eingeleiteten Prozesses gesehen werden. Es geht auch um die Vorbereitung anderer wichtiger Treffen, in erster Linie des NATO-Gipfels in Lissabon im November, dem ein OSZE-Gipfel in Astana folgen wird. Es ist also nicht der erste Schritt, sondern eine Fortsetzung.

Deutschland und Frankreich sind offen für die Initiative des russischen Präsidenten. Es gibt auch Veränderungen in Frankreich und Deutschland. Bundeskanzlerin Merkel will auf dem Gebiet der Sicherheit aktiver sein. Es geht um ihre Vorschläge vom Juni, die sie Medwedew bezüglich der Republik Moldau und Transnistrien unterbreitet hatte. Dass Frankreich die volle Beteiligung in der NATO wieder aufgenommen hat, hilft auch die französische Politik gegenüber Russland, Deutschland und der NATO zu verstehen.

Die neue ukrainische Führung hat ihr Land für blockfrei erklärt. Über die Absicht, sich der NATO anzuschließen, redet Kiew nicht mehr laut. Macht dies das Leben der Gipfelteilnehmer leichter?

Ich denke, dass dies eine wichtige Veränderung ist. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen standen manchmal wegen der Ukraine und Georgien unter Druck. Es gibt einige sehr aktive Kreise, die den Beitrittsprozess der Ukraine zur NATO beschleunigen wollten, aber Berlin und Paris standen dem eher ablehnend gegenüber. Dass die Ukraine heute viel leiser ist, was ihre Annäherung an die NATO angeht, und dass es neue Energieabkommen zwischen Russland und der Ukraine gibt, wird die Beziehungen Russlands zu Europa und den USA insgesamt begünstigen. Das ist sicherlich eine wichtige Entwicklung.

Präsidenten Sarkozy Janukowitsch in Paris (07.10.2010) (Foto: picture alliance)
Sarkozy und Janukowitsch in ParisBild: picture alliance/abaca

Wichtig ist auch, dem ukrainischen Wunsch nach einem EU-Beitritt Gehör zu schenken. Vor zwei Wochen besuchte der Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch unser Institut in Paris. Er bekräftigte sehr deutlich den Wunsch nach einem EU-Beitritt und betonte, dass die "Östliche Partnerschaft" nur eine taktische Initiative und keine strategische Herangehensweise sei. Mit anderen Worten, die Ukraine stellt große Erwartungen an die EU. Gleichzeitig schilderte Janukowitsch sehr konkret die Sicht auf die Beziehungen der Ukraine zu Russland. Er sagte, es gebe keinen Grund, ihnen zu schaden. Es gebe gute Gründe für den Versuch, zur Verbesserung der russisch-europäischen Beziehungen beizutragen.

Der Gipfel in Deauville fand ohne Vertreter der USA statt. Wie ist das zu werten?

In jedem Fall sollte es nicht als ein Versuch gewertet werden, die USA zu verdrängen. Heute sind Europas Beziehungen zu Russland und den USA sozusagen etwas erwachsener geworden. Dieses bedeutet nicht, dass sich Frankreich, Deutschland und Russland gegen jemanden zusammentun, und auch nicht, dass sie einen eigenen Plan zum Aufbau eines neuen europäischen Sicherheitssystems entwickeln. Dazu sind sie definitiv nicht in der Lage. Sie werden sehr eng mit anderen EU- und NATO-Mitgliedern zusammenarbeiten müssen, vor allem mit den USA.

Es ist wichtig ist zu verstehen, dass Berlin und Paris die Beziehungen zu Russland verbessern und vertiefen wollen. Man kann sagen, dass es aufgrund der Veränderungen in der internationalen Politik für Europa kontraproduktiv wäre, keine aktiven Beziehungen mit Russland zu unterhalten, was aber auch die Zusammenarbeit mit den USA einschließt. Aus meiner Sicht sollte man den Gipfel in Deauville nicht mit dem Gipfel "Chirac-Schröder-Putin" vergleichen, der nach dem Beginn des Irak-Kriegs stattfand. Das ist ein völlig anderer Kontext. Frankreich ist jetzt in der NATO wieder voll integriert und Deutschland versucht, in der EU die Führung zu übernehmen. All dies ist nicht gegen Washington gerichtet. Es wäre falsch, diesen Gipfel mit dem vor sieben Jahren zu vergleichen.

Das Interview führte Dmytro Kaniewski / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Fabian Schmidt