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Berliner Dilemma des Putin-Freunds Jakunin

Roman Goncharenko15. Mai 2014

Er steht auf der Sanktionsliste der USA. In Berlin ist der Chef der russischen Eisenbahn trotzdem willkommen. Wladimir Jakunin, enger Vertrauter des Präsidenten Putin, spricht auf einer Konferenz über Europas Zukunft.

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Porträt von Wladimir Jakunin, Chef der russischen Eisenbahn (Foto: Sergey Pyatakov/RIA Novosti)
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist eine schwierige Aufgabe, die am Donnerstag (15.05.2014) vor Wladimir Jakunin steht. Trotz der Ukraine-Krise und der Abkühlung in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen will der Chef der russischen Eisenbahn auf einer Konferenz in Berlin darüber sprechen, dass "Russland von Europa nicht isoliert werden kann". Während russische Medien und Politiker Europa-Bashing betreiben, will Jakunin Experten aus diversen Ländern über ein "größeres Europa von Lissabon bis Wladiwostok" diskutieren lassen. Und darüber, dass nach dem Ende des Kalten Krieges Europa "auf der Suche nach einer Identität jenseits der alten Trennlinien" sei.

Die Zitate stammen von der Webseite der Nichtregierungsorganisation (NGO) "World Public Forum 'Dialogue of Civilizations'". Jakunin ist der Gründungpräsident der NGO und damit der Veranstalter der Konferenz unter dem Titel: "Europe: Lost in Translation?" Der zweite Veranstalter ist das Deutsch-Russische Forum mit seinem neuen Vorsitzenden, dem ehemaligem SPD-Chef Matthias Platzeck.

Putins enger Vertrauter…

Porträt von Wladimir Putin (Foto: ALEXEY NIKOLSKY/AFP/Getty Images)
Wladimir Putin fördert seinen engen Vertrauten Jakunin seit vielen JahrenBild: Alexey Nikolsky/AFP/Getty Images

Der 65-jährige Jakunin gehört zum engsten Machtzirkel in Moskau. Er ist ein enger Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Beide kennen sich seit Anfang der 1990er Jahre. Beide waren Mitglieder im Datscha-Verein "Osero" (See) bei Sankt Petersburg. Auch andere aus diesem elitären Club sind jetzt an der Macht. Nach russischen Medienberichten soll Jakunin - ähnlich wie Putin - beim sowjetischen Geheimdienst KGB gearbeitet haben. Direkte Beweise dafür sind nicht bekannt.

Nach Putins Amtsantritt im Jahr 2000 stieg Jakunin vom stellvertretenden Verkehrsminister zum Präsidenten der russischen Eisenbahn auf. Der Staatkonzern beschäftigt über eine Million Mitarbeiter und setzt Milliarden um - vor allem im Gütertransport. In der letzten Zeit macht das Unternehmen jedoch Verluste, weil die russische Wirtschaft so gut wie nicht mehr wächst.

…auf widersprüchlicher Mission

Das Dilemma des hohen russischen Gastes bei seinem Besuch in Berlin besteht darin, dass er darüber spricht, woran er selbst nicht glaubt. Jakunin ist Mitautor von Büchern wie "Eine Falle: neue Technologien im Kampf gegen die russische Staatlichkeit". In dem 2009 erschienenen Werk heißt es, der Westen wolle Russland schwächen. In einem Bericht, den Jakunin Mitte März 2014 in der russischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt hatte, setzte er nach. Der Westen zwinge Russland "fremde Werte" auf, nämlich eine wachstumsorientierte Wirtschaftsentwicklung. Dabei gehe Russlands "geistige und moralische Basis" verloren, so Jakunin, der das Kuratorium einer christlich-orthodoxen Stiftung leitet.

Moskau müsse sich von Europa weg orientieren - wirtschaftlich und politisch, sagte Jakunin bei einem Auftritt vor Studenten in Sankt Petersburg: "Wir waren zu lange vom europäischen Erfolg und neoliberalen Modellen hypnotisiert."

Durch US-Sanktionen "geehrt"

Der Anlass für diese Äußerungen waren die Sanktionen der Europäischen Union und der USA gegen russische Politiker und Wirtschaftsbosse, die nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim verhängt worden waren. Jakunin ist davon selbst zum Teil betroffen. Seine Konten bei US-Banken sind gesperrt und er darf nicht in die Vereinigten Staaten einreisen. Jakunin reagierte verwundert und sagte, er sei offenbar für seine patriotischen Ansichten bestraft worden. Er fühle sich durch die Sanktionen "geehrt" und in "guter Gesellschaft".

In der Europäischen Union dagegen steht Jakunin noch nicht auf der Sanktionsliste. Vielleicht deshalb nicht, weil in erster Linie Deutschland gute Geschäfte mit seinem Unternehmen macht. So ist der Siemens-Konzern stark an der Modernisierung der russischen Eisenbahn beteiligt und erhält Millionen-Aufträge, zum Beispiel für seine Schnell- und Regionalzüge.

Porträt von Alexej Nawalny (Foto: Konstantin Chalabov/RIA Novosti)
Der oppositionelle Blogger Alexej Nawalny wirft Jakunin Korruption vorBild: picture-alliance/dpa/RIA Novosti

Kritiker in Russland werfen Jakunin Heuchelei vor, wenn er gegen den Westen wettert. Die beiden Söhne des Mannes, der sich gerne als Patriot Russlands darstellt, sollen in Großbritannien und in der Schweiz leben. Das schrieb im Herbst 2013 der oppositionelle Moskauer Blogger Alexej Nawalny. Er warf Jakunin vor, ein korruptes Offshore-Imperium geschaffen zu haben und ein angeblich illegal bebautes Grundstück bei Moskau zu besitzen. Für Aufsehen sorgten Aufnahmen des Anwesens, in dem es sogar einen separaten Raum nur für Pelzmäntel geben soll. Jakunin wies diese Berichte zurück.

Was will Jakunin in Berlin?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Ziele die von Jakunins NGO veranstaltete Berliner Konferenz verfolgt. Eine mögliche Antwort darauf bietet der Chef der russischen Eisenbahn selbst. "Heute wird ein Informationskrieg geführt, es werden antirussische Stimmungen geschürt", sagte Jakunin auf einer Konferenz Ende März. Es sei deshalb wichtig, dagegen zu steuern. "Die westliche Zivilgesellschaft muss die Hypnose ihrer eigenen Propaganda abschütteln", schrieb Jakunin neulich in seinem Blog. Genau das will er offenbar in Berlin erreichen.