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Berliner Konferenz über Machtverhältnisse in der Ukraine

13. Juli 2006

Politiker, Diplomaten, Geschäftsleute und NGO-Vertreter haben am 12. Juli im Auswärtigen Amt über die Lage in der Ukraine und einen möglichen Kurswechsel nach dem Scheitern der "orange Koalition" diskutiert.

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Im Auswärtigen Amt in Berlin versammelten sich etwa 300 KonferenzteilnehmerBild: dpa Zentralbild

Organisiert wurde die Konferenz "Die neuen Machtverhältnisse in der Ukraine" von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, dem Deutsch-Ukrainischen Forum, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutschen Welle zusammen mit weiteren Partnern. Der Veranstaltungszeitpunkt war gewählt worden, um eine erste Bilanz der Arbeit der neuen ukrainischen Regierung ziehen zu können. Doch seit den Parlamentswahlen sind mehrere Monate vergangen, aber eine neue Regierung gibt es in Kiew immer noch nicht. Reinhard Silberberg, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, stellte fest: "Gleichwohl war und ist die Bildung einer neuen Regierung in der Ukraine ein äußerst schwieriges Unterfangen. Probleme sind von vielen Beobachtern erwartet worden. Aber erstaunt waren wir dann doch über die Härte, mit der um personelle Fragen gerungen wurde und über den zeitlichen Aufwand, der für die neue Regierungsbildung notwendig wurde."

Image-Schaden für die Ukraine?

Der deutsche Diplomat äußerte die Hoffnung, dass als Ergebnis der schwierigen Verhandlungen eine stabile Regierung zustande kommt. In Berlin setze man darauf, dass die Bildung der neuen Exekutive in der Ukraine sich nicht nur auf Personalfragen konzentriert, sondern auch auf die Lösung dringender Probleme im Lande: "Es ist nicht unsere Aufgabe, andere zu belehren. Aber unsere ukrainischen Freunde müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Welt die Geschehnisse in Kiew sehr aufmerksam verfolgt. So, wie die "Revolution in Orange" den Westeuropäern ein neues Ukraine-Bild vermittelt, so drohen die gegenwärtigen Geschehnisse das frische Image der Ukraine wieder zu trüben."

Hoffnung auf Reformen

Wie sich die Regierung in Kiew auch immer zusammensetzen wird, die deutschen Partner hoffen, dass Reformen in den Bereichen Demokratie, Recht und Wirtschaft fortgesetzt werden. Darin werde die Bundesrepublik Deutschland die Ukraine auch weiterhin unterstützen. Reinhard Silberberg zufolge bestehen große Möglichkeiten für die Ukraine, die Zusammenarbeit mit der EU zu vertiefen. Voraussetzung sei, dass Kiew dies nutzen wolle: "Die Europäische Union hat hierfür die Europäische Nachbarschaftspolitik konzipiert, die mit Aktionsplänen für jeden Partnerstaat maßgerecht zugeschnitten werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass die Bundesregierung während ihrer Zeit als Präsidentschaft in der Europäischen Union im Jahre 2007 die Fortentwicklung dieser Politik zu einem Schwerpunkt machen möchte."

Politik im nationalen Interesse

Es stellt sich aber die Frage, ob eine Regierung, wenn sie aus der Partei der Regionen, den Sozialisten und Kommunisten gebildet werden sollte, bereit sein wird, das Potential für die Zusammenarbeit mit der EU auszuschöpfen. Denn nur die Sozialisten gelten mehr oder weniger als pro-europäisch, während die Regionen-Partei und vor allem die Kommunisten sich für eine enge Kooperation mit der EU kaum begeistern. Vor allem von einer NATO-Annäherung der Ukraine wird unter einer solchen Koalition kaum die Rede sein.

Andrij Weselowskyj, stellvertretender Außenminister der ukrainischen Regierung unter dem amtierenden Premier Jurij Jechanurow, ist dennoch optimistisch. Der Diplomat versicherte seinen deutschen Partnern, Kiew werde die europäische Integration fortsetzen. Dafür gebe es allen Grund: "Die Garantie dafür ist, dass dieser Kurs den nationalen Interessen entspricht. Wenn es zu einem Regierungswechsel kommt, werden in jedem Land neue Akzente in der Innen- und Außenpolitik gesetzt. So wird es auch in der Ukraine sein. Aber die strategische Entwicklung, die die nationalen Interessen sichert, bleibt unverändert."

Der ukrainische Diplomat erinnerte daran, dass auch Präsident Wiktor Juschtschenko in den vergangenen Tagen erklärt hat, der außenpolitische Kurs der Ukraine werde sich nicht ändern. Auch nach der Verfassungsänderung, durch die die Befugnisse des Staatsoberhaupts zugunsten der Regierung eingeschränkt worden sind, bleibe der Präsident für die Außen- und Sicherheitspolitik zuständig. Außerdem hätten Vertreter der Sozialisten und der Partei der Regionen angedeutet, dass es weder in der Außen-, noch in der Innenpolitik zu revolutionären Veränderungen kommen werde, sagte Weselowskyi.

Keine Gefahr für europäische Integration

Auch Reinhard Silberberg sieht für den Fall, dass Wiktor Janukowytsch wieder Premierminister wird, keine ernsthafte Gefahr für die europäische Integration der Ukraine: "Wir bauen darauf, dass die neue Regierung den Kurs der Annäherung an die Europäische Union fortsetzt. Kritische Betrachter sehen gerade hier mögliche Konfliktpunkte zwischen einem Präsidenten Juschtschenko und einem Premierminister Janukowytsch, die zu einer faktischen Lähmung führen könnte. Ich glaube jedoch, es ist zu früh, um hier Prognosen zu wagen. Eine Rückkehr zu der alten unbestimmten Schaukelpolitik befürchte ich persönlich jedoch nicht."

Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 14.7.2006, Fokus Ost-Südost