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Berlusconi und das Recht

11. März 2011

Die italienische Regierung hat eine Justizreform auf den Weg gebracht. Mit ihr werden die Rechte von Richtern und Staatsanwälten eingeschränkt. Kritiker vermuten, dass Ministerpräsident Berlusconi sich schützen will.

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Silvio Berlusconi hält ein Papier mit einer Grafik hoch (Foto: AP)
"Der richtige Prozess" soll nach der Reform möglich seinBild: dapd

Auf die Justiz ist Silvio Berlusconi sonst nicht so gut zu sprechen, aber nun gibt sich der italienische Regierungschef plötzlich kooperativ. In den nächsten Wochen wird sich der 74-Jährige in verschiedenen Prozessen verantworten müssen - und da stehe er auch zur Verfügung, jedenfalls wenn die Verhandlungen auf einen Montag terminiert wären: "Ich werde die Sonntage dafür reservieren, mich vorzubereiten und die Montage, um vor Gericht zu erscheinen", erklärte er am Rande der Ministerratsrunde, die just in dieser Woche eine Justizreform auf den Weg gebracht hat.

Korruptionsprozess wieder aufgenommen

Fassade des Verfassungsgerichtshofs in Rom (Foto: AP)
Zu den Gerichtsterminen will Berlusconi erscheinenBild: AP

Die geplanten Neuregelungen, die Ende März vom Parlament beraten und beschlossen werden könnten, gelten aber nur für künftige Prozesse. Wenn am Freitag (11.03.2011) in Mailand ein Korruptionsverfahren gegen den Ministerpräsidenten wieder aufgenommen wird, finden die 16 geplanten Neuregelungen keine Anwendung.

Berlusconi muss sich dabei wegen Zeugenbestechung verantworten. Er soll seinem ehemaligen Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen der 1990er Jahre 600.000 Dollar (heute gut 434.000 Euro) gezahlt haben. Der Prozess wird zunächst nur wieder aktiviert, das Verfahren war nach der Verabschiedung eines umstrittenen Immunitätsgesetzes auf Eis gelegt worden. Die Wiederaufnahme wurde nun möglich, nachdem Italiens Verfassungsgericht die Regelung im Januar teilweise aufgehoben hatte.

Sexaffären-Prozess im April

Silvio Berlusconi (Foto: AP)
Der 74-Jährige muss sich in mehreren Prozessen verantwortenBild: AP

Gegen Berlusconi sind derzeit drei Gerichtsverfahren anhängig, in einem weiteren Betrugsfall laufen noch die vorläufigen Anhörungen. Am 6. April soll der Prozess im Zusammenhang mit der Sexaffäre um die damals minderjährige Marokkanerin Ruby beginnen, die Berlusconi für Sex bezahlt haben soll. Zudem soll er sein Amt missbraucht haben, um die Tat zu verschleiern.

In den anderen Fällen geht es um Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung, Zeugenbestechung und Vertrauensmissbrauch. Berlusconi weist alle Vorwürfe zurück und wirft der Staatsanwaltschaft einen persönlichen Rachefeldzug gegen ihn vor.

Strafen für Fehlurteile

Die Richter Maria Teresa Guadagnini, Francesco Davossa und Irene Lupo (v. l.) betreten einen Gerichtssaal (Foto: AP)
Auch die Richterarbeit soll reformiert werdenBild: AP

Vor allem die Staatsanwälte und Richter im Land sind ihrerseits von der aktuellen Justizreform betroffen. Nach dem Gesetzentwurf sollen Rechtsbeschwerden gegen Freisprüche in Strafprozessen nicht mehr möglich sein. Zudem soll die Trennung der Berufslaufbahnen von Staatsanwälten und Richtern erreicht werden. Wer als Staatsanwalt seine Karriere beginnt, wird künftig nicht zum Richter aufrücken können. Auch könnten Richter für falsche Urteile bald mit einer Geldstrafe belegt werden.

Die italienische Richtervereinigung kritisierte den Plan als "Reform gegen die Richter, die die Autonomie und Unabhängigkeit der Richterschaft untergräbt und die Gewaltenteilung deutlich beeinträchtigt".

Breite Mehrheit notwendig

Silvio Berlusconi (l.) hört Justizminister Angellino Alfano zu (Foto: AP)
Die Regierung wehrt sich gegen die KritikBild: dapd

Die Reform sei "im Interesse aller Bürger", erklärte Berlusconi. Kritiker werfen dem Regierungschef hingegen vor, sich mit der Initiative dem Zugriff der Staatsanwaltschaft entziehen zu wollen. Justizminister Angelino Alfano trat den Vorwürfen entgegen und erklärte, der Gesetzesentwurf gelte nicht für bereits laufende Verfahren.

Das Gesetz muss von einer Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern oder per Volksentscheid beschlossen werden. Experten halten es angesichts der knappen Mehrheit der Regierung im Unterhaus allerdings für unwahrscheinlich, dass die Reform in nächster Zeit zustande kommt.

Autorin: Marion Linnenbrink (dapd, afp)

Redaktion: Dirk Eckert