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Berlusconi übersteht Mißtrauensvotum

30. September 2010

Der italienische Ministerpräsident Berlusconi sieht sich nach überstandenen Misstrauensvoten gestärkt. Seine Koalitionspartner spekulieren dennoch auf Neuwahlen im Frühjahr. Berlusconi, der politische Überlebenskünstler?

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Silvio Berlusconi am 30.09.2010 nach der Abstimmung im Senat (Foto: AP)
Berlusconi hat überlebt - vorerstBild: AP

Die links-liberale italienische Zeitung "La Repubblica" sieht den konservativen Regierungschef Silvio Berlusconi vor einem politischen Scherbenhaufen, obwohl dieser die Misstrauensanträge im Abgeordnetenhaus und am Donnerstag (30.09.2010) im Senat, der zweiten Kammer, überstanden hat. Allerdings brauchte er dazu die Stimmen aus dem Lager seines Erzrivalen Gianfranco Fini. Für "La Repubblica" ist klar, dass das rechte Parteilager um Berlusconi herum auf dem absteigenden Ast ist.

Krach im rechten Lager

Gianfranco Fini (Foto: AP)
Gianfranco Fini möchte Berlusconi beerbenBild: AP

Im Sommer hatten sich der machtbewusste Silvio Berlusconi und sein Kronprinz Gianfranco Fini tief zerstritten. Fini gründete eine eigene Fraktion im Parlament. Die regierende Koalition "Volk der Freiheit" aus konservativen bis rechtspopulistischen Parteien schien am Ende. Eigentlich hätte Berlusconi die Abstimmungen verlieren müssen, doch Fini zog es vor, Neuwahlen erst im Frühjahr 2011 anzustreben, damit er Zeit gewinnt, eine eigene rechte Partei aufzubauen. Diese neue Partei könnte dann Berlusconis Lager gefährlich werden. Finis Truppe stimmte also noch einmal für den verhassten Berlusconi.

Neuwahlen im Frühjahr?

Auch die rechtspopulistische Koalitionspartnerin Lega Nord schielt auf Neuwahlen im Frühjahr. Sie fühlt sich nach gewonnenen Regionalwahlen stark. Die liberale italienische Zeitung "La Stampa" attestiert dem "unverwüstlichen" Regierungschef die sieben Leben einer Katze, wenn es um Politik geht. Laut "La Stampa" befindet sich Italien mitten in einem politischen Erdbeben. Es könnte sein, dass für Berlusconi nach 16 Jahren in der Politik und vier unterschiedlich langen Amtszeiten als Regierungschef die Götterdämmerung angebrochen ist.

Der alternde Kavalier will weitermachen

Berlusconi, der am Mittwoch 74 Jahre alt geworden ist, mag noch nicht abtreten. Seine Koalitionspartner im rechten Lager sind seiner vielleicht überdrüssig, aber er glaubt, dass er im Volk noch einen großen Rückhalt hat. Zwar gab es bereits öffentliche Massenproteste gegen Berlusconi und seine Sparpolitik, aber Diskussionen im eigenen Lager hatte Berlusconi immer lächelnd abgebügelt. Gianfranco Fini, einst Weggefährte und Kronprinz von Silvio Berlusconi, hatte genau aus diesem Grund im Sommer die Gefolgschaft verweigert.

Viele einfache Leute bewundern den Self-made-Milliardär Berlusconi nach wie vor. Der ehemalige Bauunternehmer besitzt - oder besser beherrscht - den größten Teil der elektronischen Medien in Italien. Alle Versuche der Justiz, ihnen wegen windiger Geschäfte oder Bestechung zu belangen, liefen bislang ins Leere. Berlusconi nutzte sein Regierungsamt immer wieder, um sich im Ringen mit den Staatsanwälten und Richtern, durch legislative Schachzüge Vorteile zu verschaffen. Die Versuche, sich selbst zu amnestieren oder Immunität zu genehmigen, scheiterten jedoch 2004 und 2008 am Verfassungsgericht.

Sehr junge Frauen

Veronica Lario (links) und Silvio Berlusconi (Foto: AP)
Rosenkrieg: Veronica Lario (links) und Silvio BerlusconiBild: AP

Für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgt auch das Privatleben des Regierungschefs. Zurzeit tobt ein Scheidungskrieg zwischen ihm und seiner Frau Veronica Lario, die mehr Unterhalt fordert. Als Scheidungsgrund führte Frau Lario 2009 die Schwäche ihres Mannes für junge, mitunter sehr junge Frauen an. Berlusconi macht keinen Hehl daraus, dass er sich Schönheitsoperationen unterzogen hat und sich neues Haupthaar einpflanzen ließ. In seine Sommerresidenz auf Sardinien lud der agile Multi-Milliardär gern illustre Gäste und Politiker ein. Lauernden Fotografen gelang es auf Sardinien, sogar Nacktaufnahmen seiner Gäste mit sehr jungen Damen im Schlepptau zu machen.

Politische Beobachter in Rom bezweifeln, ob es im rechten Lager wirklich schon einen potenziellen Nachfolger gibt, der dem populären Berlusconi das Wasser abgraben könnte. Die linke Opposition ist heillos zerstritten und hat keinen überzeugenden Gegenkandidaten. So kann es sein, dass sich Berlusconi, der von Buchautoren "Trickspieler, Alleinunterhalter und famoser Verkäufer" genannt wird, doch noch ein wenig länger an der Macht halten kann. Einen Rekord hält er auf jeden Fall: Mit drei Jahren ununterbrochener Regierungszeit ist er Italiens am längsten amtierender Regierungschef der Nachkriegszeit.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Nicole Scherschun