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Politik

"Schlächter vom Balkan" geht in Berufung

25. August 2020

Ratko Mladić steht wieder vor Gericht. Es geht um das Berufungsverfahren für den wegen Völkermords verurteilten ehemaligen bosnisch-serbischen Armeechef. Mladić weist die Vorwürfe von sich.

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Niederlande Urteil Ratko Mladic
Weist alle Vorwürfe des Gerichts zurück: Ratko Mladić vor dem Kriegsverbrechertribunal im November 2017Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Dejong

Ratko Mladić, den internationale Medien als "Schlächter vom Balkan" bezeichnen, gilt als einer der Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen und Völkermord während des Bosnienkriegs (1992-1995), in dessen Verlauf rund 100.000 Menschen getötet und 2,2 Millionen in die Flucht getrieben wurden.

Als ehemaliger Chef der Armee der bosnischen Serben war er 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, unter anderem wegen seiner Verantwortung für das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 über 8.000 bosnische Muslime ermordet wurden.

Der 77-Jährige weist alle Vorwürfe zurück. Auch die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Anklage will eine weitere Verurteilung für Völkermord erreichen. Seit diesem Dienstag läuft vor dem Nachfolger des Internationalen Strafgerichtshofs für Ex-Jugoslawien das Berufungsverfahren.

Radovan Karadžić, der politische Kopf der bosnischen Serben während des Bosnienkriegs, wurde schon im vergangenen Jahr rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

General Ratko Mladic (li.) und Radovan Karadzic
Ratko Mladić (li.) und Radovan Karadžić führten die bosnischen Serben im Krieg 1992-95 anBild: picture-alliance/ dpa

"Rache" für die Herrschaft der Türken

Der Vater des 1943 in Ostbosnien geborenen Mladić, ein Partisan, wurde von mit Hitlerdeutschland verbündeten kroatischen Ustaša-Milizen ermordet, als der Sohn zwei Jahre alt war. Mladić Junior begann seine Karriere als überzeugter Kommunist im sozialistischen Jugoslawien: Er besuchte die Militärakademie in der Hauptstadt Belgrad, die er als Klassenbester abschloss.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Ratko Mladić dann General-Oberst - und glühender Nationalist. Er selbst sah sich als Rächer der Serben für die jahrhundertelange Herrschaft der Türken auf dem Balkan.

Bosnien und Herzegowina | Gedenken an Srebrenica-Massaker
Eine bosnische Muslima trauerte im Juli zwischen Gräbern in der Gedenkstätte für die Opfer des Massakers von SrebrenicaBild: Getty Images/D. Sagolj

Ein Schatten des einstigen Kriegers

Nach Ende des Bosnienkriegs 1995/96 tauchte Mladić in Serbien unter. Erst massiver Druck Brüssels auf das EU-Kandidatenland bewegte die dortigen Behörden in den frühen 2000er Jahren dazu, ernsthaft nach ihm zu fahnden. Verhaftet wurde Mladić aber erst 2011 in einem Dorf in Nordserbien - ein schwacher, kranker Mann, der nur noch ein Schatten des einstigen Kriegers war.

Der Prozess in Den Haag dauerte in der ersten Instanz 523 Tage, fast 600 Zeugen wurden vernommen. Mladić beteuerte dabei stets seine Unschuld in allen Punkten der Anklage, die er "widerwärtig" nannte. Das Haager Tribunal selbst bezeichnete der Ex-Militärchef der bosnischen Serben als "satanisch".

Gesundheitszustand schlecht

Das jetzige Berufungsverfahren war wegen der Corona-Pandemie verschoben worden - schließlich zählt Mladić "wegen seines Alters und seiner Krankheitsgeschichte" zur Risikogruppe. Erst im März war er am Dickdarm operiert worden.

Im Juli behauptete Mladić, die Ärzte in Den Haag würden seinen medizinischen Zustand rosarot darstellen, damit der Prozess weitergehen könne. "Kein Zweifel, seine kognitiven Fähigkeiten nehmen ab", kommentierte sein Anwalt.

Ein endgültiges, rechtskräftiges Urteil wird für das kommende Jahr erwartet. Beobachter rechnen nicht mit einer spektakuläre Entscheidung - und schon gar nicht mit einem Freispruch. Die größte Frage scheint, ob Ratko Mladić das Ende seines Prozesses überhaupt erlebt.

Dieser Artikel wurde aktualisiert.