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"Besatzung bringt keinen Frieden"

1. November 2005

Kriegsdienstverweigerer in Israel haben es schwer. Oft müssen sie ins Gefängnis - wie Lotahn Raz. Im Gespräch mit DW-WORLD berichtet er von seinem Engagement gegen die Besatzung der palästinensischen Gebiete.

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Einer der ersten Kriegsdienstverweigerer in IsraelBild: presse

DW-WORLD: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, den Kriegsdienst zu verweigern?

Lotahn Raz: Als ich noch jung war und die erste Intifada gesehen habe, wusste ich, dass ich nicht zum Militär gehen wollte. Ich beschloss, dass ich meine Zeit und meinen Körper nicht für die Besetzung der palästinensischen Gebiete einsetzen würde. Ich wollte nicht daran beteiligt sein, die Möglichkeiten eines Zusammenlebens zwischen Israelis und Palästinensern zu zerstören. In Israel gehört es zum Leben, Militärdienst zu absolvieren. Die Bevölkerung betrachtet das gemeinhin nicht als politisches Thema, sondern als Pflicht eines jeden Bürgers. Durch meine Kriegsdienstverweigerung wollte ich erreichen, dass es zu einem öffentlichen politischen Thema wird.

Was passierte, nachdem Sie den Kriegsdienst verweigert haben?

Das war ein langer Prozess. Ich habe einen Brief an das Verteidigungsministerium geschrieben. Daraufhin musste ich beim Kriegsdienstverweigerer-Komitee vorsprechen. Sie waren nicht sehr nett, haben mich mit Fragen gelöchert, mich beim Reden unterbrochen. Sie wollten wissen, wie ich mir ein Land ohne Armee vorstelle. Ich wurde dann aber nicht aus dem Militärdienst entlassen und konnte auch nicht in Berufung gehen. Ich musste für 14 Tage ins Gefängnis. Als ich entlassen wurde, gab ich an, dass ich auch jetzt nicht in der Armee dienen werde. Daraufhin kam ich noch einmal in Haft. Insgesamt war ich 56 Tage im Gefängnis. Letztendlich wurde ich dann aufgrund von Untauglichkeit vom Kriegsdienst entlassen. Man wollte mich loswerden.

Gelten für Frauen die gleichen Regelungen?

Frauen haben es leichter. Sie haben sogar das Recht, zu verweigern. Gewöhnlich klappt es nicht beim ersten Mal, aber da sie in Berufung gehen dürfen, werden sie spätestens dann vom Militärdienst ausgeschlossen.

Wie haben Ihre Freunde und Verwandten reagiert?

Israelische Soldaten in Ramallah
Israelische Soldaten in RamallahBild: AP

Ich war schon etwas verwundert. Eigentlich hatte ich keine großen Probleme. Einige wollten immer wieder mit mir streiten, aber das waren nur wenige. Es gab ein paar entfernte Verwandte, die den Kontakt während meiner Gefängnisstrafe abgebrochen haben.

Wie waren die Reaktionen im Land?

Ich war zum Glück sehr gut organisiert und hatte gute Kontakte zur Presse. Es gab einige große Artikel über meine Verweigerung. Das wollte ich auch erreichen. Sogar außerhalb Israels wurde darüber berichtet, zum Beispiel von der BBC und von Amnesty International.

Glauben Sie, dass die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer wächst?

Ja, definitiv. 1999 war ich einer der ersten, die verweigert haben und damit an die Presse gegangen sind. Als die zweite Intifada kam, gab es eine Gruppe von 62 Leuten, die sich kollektiv geweigert haben, in den besetzten Gebieten zu dienen. Viele sind seither im Gefängnis gewesen. Wegen des Mauerbaus ist das Thema allerdings gerade im vergangenen Jahr in den Hintergrund gerückt.

Äußern sich auch Prominente zu diesem Thema?

Kulturell engagierte Israelis haben versucht, die Anti-Kriegsdienstbewegung zu unterstützen, aber es sind noch nicht genug. Viele Prominente haben auch Sorge, dass ihre Karriere danach Einschnitte erfahren könnte. Sie sind zwar für Frieden, aber das bedeutet nicht, dass sie sich auch für Kriegdienstverweigerer einsetzen.

Was ist das Ziel ihrer Organisation "New Profile"?

Nahost: Israelische Soldaten sitzen am Übergang Karni / Gazastreifen rum
Nächtliche Wache der Soldaten an GrenzübergängenBild: AP

New Profile engagiert sich für die Entmilitarisierung der israelischen Gesellschaft. New Profile wurde 1998 aus einer Frauengruppe mit pazifistischer Ausrichtung gegründet. Eine feministische Organisation zu sein, bedeutet, einen anderen Blickwinkel zu haben. Wir unterstützten Kriegsdienstverweigerer und führen Kampagnen für ihre Freilassung durch.

Sie waren kürzlich in Deutschland auf Vortragsreise. Wie waren die Reaktionen?

Viele Deutsche konnten nicht glauben, wie ernst die Situation im Land ist. Ich habe versucht, zu erklären, dass die israelische Regierung oft Dinge tut, die nicht dazu dienen, Sicherheit zu schaffen, sondern dazu, Menschen klein zu halten. In Deutschland ist dies immer ein sensibles Thema. Die Menschen sagen mir oft, dass sie es schwierig finden, Position zu beziehen. Ich entgegne dann immer, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete dem israelischen Volk keinen Frieden bringen wird. Wir planen auch in Israel eine solche Vortragsreihe und werden dazu auch Palästinenser einladen.

Das Gespräch führte Diana Hodali

Lotahn Raz wurde 1981 im Kibbuz Shomrat, im Norden Israels geboren. Mit 18 Jahren verweigerte er den Kriegsdienst und kam dafür ins Gefängnis. Kaum ein anderer Fall erhielt so viel Aufmerksamkeit in der Presse. Seither arbeitet er in der Friedensbewegung und engagiert sich für die Entmilitarisierung der israelischen Gesellschaft. Im Sommer 2005 beendete er sein Studium der Allgemeine Geschichte an der Universität in Tel Aviv und geht seither auf Vortragsreise.