1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Besorgnis über Gewalt in Kirgisistan

9. April 2010

Nach dem Sturz von Präsident Bakijew kommt Kirgisistan nicht zur Ruhe. Die USA drängen auf Achtung der Menschenrechte. Die Übergangsregierung rief eine zweitägige Staatstrauer aus, im Gedenken an die Toten des Aufstands.

https://p.dw.com/p/MrEv
Unruhen (Foto: DW/Witali Katargin)
Bischkek am 8. April 2010Bild: DW

Die Flaggen in Kirgisistan sollen am Freitag (09.04.2010) und Samstag auf halbmast wehen, bei Trauerfeiern soll der Opfer des blutigen Volksaufstandes gedacht werden, ordnete die designierte Chefin der Übergangsregierung, Rosa Otunbajewa, an. Zugleich stellte sie den Familien der Opfer Entschädigungen in Aussicht. Bei den Protesten gegen die autoritäre Regierung von Präsident Kurmanbek Bakijew waren seit Dienstag 75 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden.

Am Donnerstagabend fielen in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek erneut Schüsse, wie Reporter mehrerer Nachrichtenagenturen berichteten. Das Innenministerium teilte mit, mehrere hundert Polizisten kämpften gegen etwa 500 Plünderer. Der neue Innenminister hatte die Sicherheitskräfte zuvor angewiesen, auf Plünderer zu schießen.

Die US-Regierung rief dazu auf, Demokratie und Menschenrechte in Kirgisistan zu achten. "Wir dringen darauf, dass in Bischkek und anderen betroffenen Gegenden die Ruhe wieder hergestellt wird", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, in Washington.

Präsident tritt nicht ab

Demonstranten (Foto: AP)
Demonstranten im Kabinettssaal in BischkekBild: AP

Unterdessen hat die Opposition nach den überraschenden Massenprotesten am Mittwoch ihre Macht in Kirgisistan konsolidiert. Die frühere Außenministerin und Oppositionspolitikerin Rosa Otunbajewa kündigte an, für sechs Monate einer "Regierung des Volkes" vorzustehen. Das Parlament wurde am Donnerstag für aufgelöst erklärt. Otunbajewa forderte den geflohenen Präsidenten Kurmanbek Bakijew auf, seinen Rücktritt zu erklären.

Bakijew lehnte das jedoch ab. "Ich bin ein gewählter Präsident", sagte er im Radio. Er gab an, sich im Süden des Landes aufzuhalten und räumte ein, nur noch wenig Einfluss auf die aktuelle Entwicklung zu haben. Bakijew beschuldigte "fremde Kräfte", an seinem Sturz mitgewirkt zu haben. Namen nannte er jedoch nicht.

Strategischer Partner Russland

Rosa Otunbajewa (Foto: AP)
Rosa Otunbajewa führt die neue Regierung anBild: AP

Die neue Regierung in Bischkek knüpfte am Donnerstag erste Kontakte zu Russland und bat Moskau um Hilfe. "Wir brauchen sowohl finanzielle als auch strategische Unterstützung", sagte Finanzminister Temir Sarijew. "Wir wissen, dass wir uns in dieser Situation auf die Hilfe Russlands verlassen können."

Russland hat die neue Regierung in Bischkek bereits anerkannt. Premier Wladimir Putin bestritt allerdings, die Proteste in Kirgisistan unterstützt zu haben. Otunbajewa sagte, Putin habe bereits angerufen und Hilfe angeboten. "Die Tatsache, dass der angerufen hat, freundlich war, ins Detail gegangen ist, nach Details gefragt hat - davon war ich angetan", sagte sie.

Poker um Militärstützpunkte

Karte von Kirgisistan (DW-Grafik: Per Sander)
Bild: DW

Unklar ist die Zukunft des amerikanischen Militärstützpunktes in Kirgisistan. Für den Nachschub der US-Truppen in Afghanistan spielt dieser eine wichtige Rolle. Während der Unterzeichnung des Start-Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland in Prag kam es aus russischen Kreisen zu Kritik an der amerikanischen Truppenpräsenz in dem zentralasiatischen Land. "Es sollte nur einen Militärstützpunkt in Kirgisistan geben - den Russlands", sagte ein Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Die USA hatten ihren Militärstützpunkt während des Afghanistan-Krieges 2001 eingerichtet. Bakijew hatte Moskau vergangenes Jahr zunächst versprochen, die Truppenbasis zu schließen. Dann wurde der Pachtvertrag doch verlängert - gegen höhere Zahlungen. Möglicherweise wird die Pachtzeit nun gekürzt: Rosa Otunbajewa erklärte zwar, die USA könnten den Stützpunkt weiter nutzen; sie sagte aber auch, es seien dabei einige Fragen zu klären.

Washington zögert mit der Anerkennung

Im Gegensatz zu Russland haben die USA die Übergangsregierung in Bischkek zunächst nicht anerkannt. US-Außenamtssprecher Robert Gibbs nannte Otunbajewa in seiner Erklärung am Donnerstag noch "Oppositionsführerin". Zugleich versuchte Washington, etwaige aufkommende Streitigkeiten herunterzuspielen. "Dies ist kein anti-amerikanischer Putsch. Und wir wissen sicher, dass der Coup nicht von den Russen gefördert wurde", sagte ein hochrangiger Berater der US-Regierung.

Autor: Dirk Eckert (afp, apn, rtr)

Redaktion: Rainer Esser/ Ursula Kissel