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Höhenflug des Real

9. Mai 2011

Brasiliens Verbraucher sind erfreut: Ausländische Waren sind billig wie selten und Auslandsreisen extrem beliebt. Doch die heimische Wirtschaft ächzt. Denn der starke Real ist zur Bürde geworden.

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Banknoten der brasilianischen Währung Real. (Foto: Rika +++(c) dpa - Report+++ )
Banknoten der brasilianischen Währung RealBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Die brasilianische Währung erlebt einen historischen Moment. Laut einer Studie des Dachverbandes der brasilianischen Industrie CNI ist der Real von 2003 bis Anfang 2011 um 45 Prozent gegenüber dem Dollar gestiegen. Für die US-Bank Goldman Sachs ist der Real sogar die am stärksten überwertete große Währung.

Die Brasilianer selbst reagieren auf den Höhenflug ihrer Währung: Sie kaufen verstärkt importierte Waren oder reisen vermehrt ins Ausland und gehen dort auf Shoppingtour. Allein im März 2011 ließen die Brasilianer laut Zentralbank mehr als eine Milliarde Dollar im Ausland. Das sind 47 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.

Des einen Freud ist des andern Leid

Andererseits klagt die Industrie über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte im Land und außerhalb. Beispiel Maschinenbau: Durch den niedrigen Dollar sind hochwertige Maschinen aus den USA oder Deutschland zu günstigeren Preisen zu haben als im Inland produzierte. Die verarbeitende Industrie verliert dadurch auf den Weltmärkten an Boden. Die Handelsbilanz dieses Sektors sank von 30 Milliarden Dollar im Jahr 2005 auf minus 35 Milliarden Dollar 2010. "Wir wissen von Firmen, die ihren Sitz nach China, Argentinien oder Uruguay verlegt haben, weil sie dort ein günstigeres wirtschaftliches Klima vorfinden", so José Augusto Fernandes, geschäftsführender Direktor des CNI zu DW-WORLD.DE.

"Investoren sehen in Brasilien einen sicheren Hafen"

Die Börse in Sao Paulo (Foto: AP Photo/Andre Penner)
Die Börse in Sao PauloBild: AP

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die zur Aufwertung des Real geführt haben. Brasilien wird gewissermaßen der Erfolg der eigenen Wirtschaft zum Verhängnis: Laut Vander Lucas, Professor an der Wirtschaftsfakultät der Universität Brasilia, hat das Land bewiesen, dass es die Krise schneller überwinden konnte als andere Wirtschaftsstandorte - und dazu mit weit weniger negativen Auswirkungen. "Die Signale, die die brasilianische Wirtschaft in die Welt gesendet hat - mit einer Wachstumsrate unter den fünf besten der Welt - führt dazu, dass das Land als sicherer Hafen wahrgenommen wird. Deswegen geht der Geldfluss des Dollar in unsere Wirtschaft weit über das normale Maß hinaus", erklärt Lucas.

Ein anderer wichtiger Faktor für die Aufwertung des Real sind die hohen Leitzinsen in Brasilien, die derzeit bei 12 Prozent liegen und damit zu den höchsten weltweit zählen. Ausländische Investoren lockt das in Scharen an. Beobachter verweisen zudem auf die hohe Nachfrage nach landwirtschaftliche Produkten oder Rohstoffen. Brasilien ist einer der größten Exporteure von Soja, Mais, Zucker und Eisenerz.

Regierung zieht die Notbremse

Alle diese Faktoren führen zu rekordverdächtigen Strömen von US-Dollar in die brasilianische Wirtschaft. Daraus folgt gemäß der Logik der Finanzmärkte: Sind viele Greenbacks im Markt, verliert die US-Währung an Wert, umgekehrt steigt der Wert des Real. Um diesen Trend zu bremsen, kaufte Brasiliens Zentralbank seit Jahren Dollar auf den Märkten auf. Im Endeffekt hat das aber dazu geführt, dass Brasilien inzwischen auf einem Berg von rund 310 Milliarden Dollar sitzt.

Brasiliens Finanzminister Guido Mantega (Foto: AP Photo/Jose Luis Magana)
Brasiliens Finanzminister Guido MantegaBild: AP

Seit Ende 2010 geht Brasilia nun neue Wege. Die Regierung führte diverse Steuererhöhungen für ausländische Finanzinvestoren ein, die kurzfristige Geschäfte in Brasilien machen wollen. Sinn der Maßnahme ist es, den Geldfluss einzudämmen. Die Regierung verweist auf erste Erfolge dieser Maßnahme. Im April seien bereits mehr US-Dollar aus Brasilien abgezogen worden, als neu ins Land geströmt. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega ist zuversichtlich: Jede Maßnahme brauche ihre Zeit, um das Wachstum des Real zu zügeln, insbesondere weil der Dollar weiterhin schwach sei.

Mantega setzt darauf, dass die US-amerikanische Währung in der zweiten Jahreshälfte wieder an Stärke gewinnt. Bis dahin werde die US-Wirtschaft Zeichen der Erholung zeigen: Die Arbeitslosigkeit werde sinken und die Investitionen in den Dollarraum wieder steigen. Doch bis es soweit ist, werden die Brasilianer weiterhin ihre Einkaufswagen mit importierten Produkten füllen und ins Ausland reisen.

Autorin: Mariana Santos / Julia Maas
Redaktion: Birgit Görtz