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Bibeln für lau

Klaus Krämer20. Mai 2012

Salafisten verteilen den Koran und lösen eine Debatte aus. Der Internationale Gideonbund verschenkt Bibeln - und keinen stört es. In Deutschland hat der Bund bereits mehr als 20 Millionen Schriften unters Volk gebracht .

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Bibel mit Kreuz
Bild: fotolia/guukaa

Wenn er erzählt, ist die Begeisterung spürbar, mit der Ralf Hille seiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht – dem kostenlosen Verteilen von Bibeln. "Unser Motiv ist es, den Menschen zu zeigen, dass die Bibel auch heute noch ein persönlicher Lebensbegleiter sein kann. Die Bibel ist unserer Überzeugung nach eine Bereicherung für jeden Menschen und deshalb geben wir sie weiter", sagt der Vorsitzende des Gideonbundes. Zielgruppen seien vor allem Schüler, Geschäftsleute auf Reisen, Ärzte, Pflegepersonal und Patienten in Krankenhäusern, Polizisten, Soldaten oder auch Strafgefangene.

Rekordverdächtig

Rund 21 Millionen Exemplare der Gideonbibel haben auf diese Weise einen Besitzer gefunden. Die Gideonbibeln liegen in fast 80 Prozent aller deutschen Hotelzimmer aus. Damit ist der 1956 gegründete gemeinnützige Verein hierzulande der größte, kostenlose Bibelverteiler. Auch die Politik wird regelmäßig bedacht. Alle Bundespräsidenten, von Carl Carstens bis Horst Köhler, bekamen eine Gideonbibel.

Der Vorsitzende des Gideonbundes überreicht 2010 eine Bibel an Bundestagspräsident Norbert Lammert (Foto: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.)
Ralf Hille (r.) übergibt die 20-millionste Bibel an Bundestagpräsident Norbert Lammert (2010)Bild: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.

Eigentlich sei Deutschland ein Land, in dem es mehr Bibeln als Christen gebe, sagt Hille. Der 70-jährige, promovierte Physiker, macht jedoch eine große Bibelvergessenheit bei den Deutschen aus: "Gerade die junge Generation weiß nichts von den Möglichkeiten, die in einer Bibel stecken." Das zu ändern sei eine Herausforderung für ihn und seine gut 4000 ehrenamtlichen Mitstreiter.

"Natürlich rufen nicht alle Hurra, wenn wir mit der Bibeln kommen, aber es ist ermutigend, wie positiv die Mehrheit reagiert", sagt er. Es gebe Menschen, denen die Bibel in persönlich schweren Zeiten Trost spende. Bei einer Jahreskonferenz des Gideonbundes sei eine Frau zu Gast gewesen, deren Tochter ermordet worden war. Die verzweifelte Mutter berichtete, es sei ein unbeschreiblicher Trost gewesen, dass sie im Nachlass der Tochter eine Gideon-Bibel fand. Das Mädchen hatte darin seinen Namen eingetragen, um zu dokumentieren, dass sie an Jesus glaubt. Dieser Trostschub habe die Mutter so sehr aus ihrer Verzweiflung gerissen, dass sie es schaffte, den Mörder später im Gefängnis zu besuchen. Schließlich habe sie ihm die Tat sogar vergeben können. "Wir Gideons sind der Meinung, wir müssen nicht predigen. Gottes Wort ist in der Lage, Menschen durchs Lesen zu überzeugen", sagt Hille."

Bunte Ein-Euro-Bibel

Die Gideonbibeln enthalten allerdings nicht die komplette Heilige Schrift. Sie bestehen aus dem gesamten Neuen Testament sowie den Psalmen und den Sprichwörtern des Alten Testaments. Das alles in der jeweils aktuellen Übersetzung der Lutherbibel. Pro Stück kostet ein Exemplar etwa einen Euro. Das Geld wird durch die Mitglieder aufgebracht, durch Kollekten in Kirchen und private Förderer. Die Lizenz zum Druck der Bibel mussten die Gideons bei der Deutschen Bibelgesellschaft erwerben. Sie ist das Kompetenz-Zentrum innerhalb der Evangelischen Kirche für Bibelverbreitung, Bibelübersetzung und Bibelmission.

Gideonbibel in einem Hotelzimmer (Foto: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.)
Gideonbibel in einem HotelzimmerBild: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.

Der größte kommerzielle evangelische Bibelverbreiter Deutschlands druckt und verkauft pro Jahr zwischen 400.000 und 600.000 Bibeln. Obwohl die Gideons der Bibelgesellschaft in gewisser Weise Konkurrenz machen, unterstreicht deren Chef Johannes Friedrich: "Ich bin sehr froh darüber, dass sich der Gideonbund die Verbreitung der Bibel auf diese Weise zur Aufgabe gemacht hat."

Seit einigen Wochen sind zahlreiche Deutsche verunsichert, weil Salafisten den Koran kostenlos verschenken. Johannes Friedrich, bis Oktober 2011 evangelisch-lutherischer Landesbischof in Bayern, kritisiert diese Aktion nicht und verweist auf die Religionsfreiheit im Land. Er hinterfragt allerdings die damit verbreitete Ideologie der Salafisten. Auch Ralf Hille betont: "Glücklicherweise darf in unserem Land jeder seine Meinung in Wort und Bild äußern."

Johannes Friedrich, der ehemalige Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (Foto: Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern)
Johannes FriedrichBild: Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern

Blick für die Welt

Bibelverteilung im Jahr 2011 an Schulklassen in Sambia (Foto: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.)
Bibelverteilung im Jahr 2011 an Schulklassen in SambiaBild: Internationaler Gideonbund in Deutschland e.V.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Gideonbundes, die aus allen evangelischen Kirchen und Gemeinden kommen, fokussieren ihren Einsatz allerdings nicht nur auf die Bundesrepublik. Da sie mehr Geld einnehmen als sie zur Bibelverbreitung hierzulande benötigen, werden die Überschüsse weitergeleitet, sagt der Vorsitzende des Gideonbundes: "Wir haben uns das Ziel gesetzt, für jede in Deutschland verteilte Bibel, eine weitere in Entwicklungsländern zu finanzieren. Denn da gibt es mehr Christen als Bibeln."