1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bildergeschichten

Tillmann Bendikowski11. Juli 2012

Vom "Wehrwirtschaftsführer" zum KZ-Häftling - 1948: Fritz Thyssen wird als "Mitläufer" eingestuft.

https://p.dw.com/p/15UgF
Fritz Thyssen vor seinem Richter Copyright: ullstein bild
Bild: ullstein bild/TopFoto

Ein Mann vor seinem Richter. Gleich wird das Urteil über ihn gesprochen. Der 74-Jährige hat sich in den vergangenen Wochen wegen seiner Unterstützung der Nationalsozialisten verantworten müssen. Jetzt, am 2. Oktober 1948, gibt die deutsche Spruchkammer Obertaunus in Königstein ihre  Entscheidung bekannt: Fritz Thyssen, einst einer der prominentesten Förderer der NSDAP, wird zu einem "Minderbelasteten" erklärt und gilt fortan als "Mitläufer".

Damit kommt eine der schillerndsten Gestalten der Zeitgeschichte wieder auf freien Fuß. Als Sohn August Thyssens in die Rolle des Großindustriellen hineingewachsen, engagiert sich Fritz zunehmend politisch. Spätestens nachdem ihn Mitglieder des Mülheimer Arbeiter- und Soldatenrates 1918 kurzzeitig festsetzten, kämpft Thyssen gegen alles "Linke": gegen den "Bolschewismus", die SPD und gegen die Gewerkschaften.
Thyssen gibt sich vaterländisch-patriotisch: 1923 wird er als "nationaler Held" gefeiert, weil er sich weigert, während der Ruhrbesetzung den Franzosen die verlangten Kohlekontingente zu liefern. Finanziell unterstützt er früh die NS-Bewegung. Er wird eifriger Finanzier Hitlers – und macht den selbsternannten Führer in der Großindustrie salonfähig. Nach 1933 steigt das NSDAP-Mitglied Thyssen dafür zum "Wehrwirtschaftsführer" auf.

Die grausame Wirklichkeit des Dritten Reiches realisiert Thyssen viel zu spät. 1939 setzt er sich ins Ausland ab und kritisiert Hitler und seinen Weg in den Krieg. Dafür bezahlt er 1940 mit seiner Verhaftung in Südfrankreich: Gemeinsam mit seiner Frau wird er für anderthalb Jahre in eine Psychiatrie gesperrt und sitzt anschließend als sogenannter "Sonderhäftling" in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau ein. 1945 von den Amerikanern interniert, bedeutet das Urteil vom 2. Oktober 1948 die Entlassung nach fast acht Jahren Haft. Seine Freiheit kann er indes nicht lange genießen: 1951 stirbt Fritz Thyssen in Argentinien.