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1922: Die Spiritisten bitten zu Tisch (Teil 7)

Tillmann Bendikowski29. April 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1922, damals war Okkultes en vogue.

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Szene aus 'Dr. Mabuse, der Spieler': spiritistische Sitzung im Hause des Geheimrates Wendel c ullstein bild
Filmszene aus Dr. MabuseBild: ullstein bild

Die Schwerkraft gehört bekanntlich zu den verlässlichen Dingen auf dieser Welt: Nichts fällt nach oben, in der Regel bleiben die Dinge, wo sie sind – außer der Mensch verrückt sie. Und genau darum geht es in dieser Filmszene: Hier treffen sich mehr oder weniger eigentümliche Gestalten, um gemeinsam der okkulten Praxis des Tischrückens zu frönen. Das klingt etwas unheimlich, und das ist es auch. Ganz besonders in diesem Fall: Es handelt sich schließlich um den Film "Dr. Mabuse, der Spieler" des Regisseurs Fritz Lang, der 1922 in die Kinos kommt. Und mit Verbrechen, Verschwörung und Tod wird auch das beliebte Tischrücken inszeniert.

Beliebt? Tatsächlich ist das okkulte Treiben keine Angelegenheit von versprengten Spinnern. Das Tischrücken kommt in den 1850er Jahren aus den USA und England nach Deutschland und wird rasch populär – gerade das 19. Jahrhundert ist wie besessen von dem Glauben an die Erscheinungen der Geister verstorbener Menschen. Da gibt es die klassischen Geisterseher ebenso wie die Mesmeristen, die sich der populären Theorie vom tierischen Magnetismus verschrieben haben, wieder andere vertrauen Somnambulen, die in den tranceartigen Zustand von Schlafwandlern versetzt werden, um Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen.

Kaum eine okkulte Praxis wird bei der Suche nach einer Kontaktaufnahme ausgelassen, zuweilen muss auch ein sogenanntes Medium helfen: Oft genug ist dies – völlig überraschender Weise – eine attraktive junge Frau oder aber eben einen attraktiver Mann. Und dann kann es auch schon mal deutlich fröhlicher zugehen als bei den finster dreinblickenden Tischrückern im Mabuse-Film. Literat Thomas Mann macht da so seine Erfahrungen, als er eben in diesem Jahr 1922 an einer Séance teilnimmt. Hier dient ein junger Mann als Medium. Sein Knie nun muss der Literat jetzt fest zwischen die seinen klemmen, und schon bald nimmt das Geschehen Dynamik an: "Der sexuelle Einschlag" sei unverkennbar, notiert Thomas Mann später über das bald in Trance stöhnende Medium. Ob die Beteiligten nun den Geist eines Verstorbenen kontaktiert haben, bleibt offen – aber zumindest scheinen die Lebenden ihren Spaß gehabt zu haben …