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Bildergeschichten: Ein Präsident in Badehose?

Tillmann Bendikowski30. Dezember 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1919: Friedrich Ebert wird wegen dieses Fotos diffamiert.

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Deutschland Deutsches Reich Reichspräsident Friedrich Ebert und Gustav Noske beim Baden in Travemünde
Bild: ullstein - PRO-Stiftung

Der 15. Mai 1919 ist ein warmer Tag. Warm genug, um ein erfrischendes Bad in der Ostsee bei Haffkrug zu nehmen. Das denkt sich jedenfalls auch Friedrich Ebert, der bereits gewählte, aber noch nicht vereidigte Reichspräsident der Weimarer Republik, der kurz zuvor an der Einweihung eines Kinderheims teilgenommen hat. Ein örtlicher Fotograf beobachtet die Szene und fragt, ob er eine Aufnahme machen könne. Gerne, sagt der Präsident, aber bitte nur für private Zwecke. Versprochen. Und so entsteht dieses Bild, dass einige Stiftungsmitglieder des Kinderheims zeigt, aber eben auch Friedrich Ebert (2. v. r.) und neben ihm Reichswehrminister Gustav Noske – in Badehose!

Aus ungeklärten Gründen – vielleicht war es Diebstahl, vielleicht floss einfach nur viel Geld – gelangt das eigentlich private Bild dann doch an die Öffentlichkeit. Und zwar auf der Titelseite der „Berliner Illustrierten Zeitung“, und das keineswegs zufällig knapp eine Woche später, am 21. August 1919. Es ist der Tag der Vereidigung des Staatsoberhauptes. Der Spott ist groß und gewollt. Ein Präsident in einfacher Badehose und entblößtem Oberkörper, obwohl doch ein züchtiges Badekostüm angemessen gewesen wäre. Jetzt setzt eine Diffamierungskampagne ein, die in der Weimarer Republik ohnegleichen ist.

Die Feinde der jungen Demokratie nutzen das Ostsee-Motiv bei jeder Gelegenheit – so schwenken sie bei öffentlichen Auftritten des Reichspräsidenten demonstrativ Badehosen. Bald kursiert eine Postkarte mit der Aufnahme, und Ebert muss sich gegen deren Verbreitung mit einer Klage wehren. Doch die vor allem von Rechten angezettelte Hetze gegen das Staatsoberhaupt geht auch in den Folgejahren weiter. Ihren Höhepunkt erreicht sie mit dem Vorwurf, Ebert habe 1918 bei seinem Eintreten in die Streikleitung der Berliner Munitionsarbeiter Landesverrat begangen. Ein Magdeburger Gericht lässt den Vorwurf des Landesverrats als sachlich begründet gelten.

Friedrich Ebert stirbt während seiner Amtszeit am 28. Februar 1925 im Alter von 54 Jahren. Die unmittelbare Todesurache ist eine Blinddarm- und Bauchfellentzündung. Doch zweifellos hat ihn die jahrelange Hetze gegen seine Person zermürbt. Wer ihn vor seinem Tode verachtet und gehasst hat, tut es auch jetzt. Die Rechte ohnehin, die Kommunisten auch, in deren Namen einer ihrer Abgeordneten im Reichstag dem toten Präsidenten hinterherruft, er sei „mit dem Fluch des deutschen Proletariats ins Grab gegangen“. Zwei Monate später wählen die Deutschen mit 48,3 Prozent der Stimmen einen neuen Reichspräsidenten: Paul von Hindenburg. Der wäre fraglos nie in Badehose aufgetreten – dafür wurde er einer der Totengräber der ersten deutschen Demokratie.