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Politik

Zuwanderer auf der Suche nach Würde

Ivan Djerkovic | Nemanja Rujevic
6. Oktober 2019

"Wir müssen die deutsche Sprache und Kultur lernen und uns als verantwortungsvolle Bürger zeigen", sagt Bischof Grigorije, der die serbisch-orthodoxe Eparchie in Deutschland leitet. Ein Gespräch über Einwanderung.

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Bischof Grigorije Durić
Bischof Grigorije Durić leitet die Serbisch-orthodoxe Kirche in DeutschlandBild: DW

Wer samstags die Messe in der serbisch-orthodoxen Kirche in Düsseldorf besucht, hat Grund zu staunen: Es wird ausschließlich auf Deutsch gepredigt. "Wir leben schon vier Generationen hier", sagt Bischof Grigorije Durić gegenüber der DW. "Unsere Kinder sprechen Deutsch als erste Sprache. Und sie sind uns am wichtigsten. Sie sind die Zukunft dieser Kirche und unserer Existenz, hier und überall."

Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet Grigorije mit der Tradition bricht, in serbischen Kirchen nur auf Serbisch zu predigen. Der seit mehr als einem Jahr für Deutschland zuständige Bischof war schon immer Rockstar und Rebell der serbischen Orthodoxie - nicht nur, weil er 1999 mit nur 31 Jahren Bischof wurde. In einer Kirche, die als nationalistisch, prorussisch und staatsnah gilt, war Grigorije Durić tolerant, proeuropäisch und bereit, die Machthaber in Serbien zu kritisieren. So unterstützte er die Straßenproteste gegen den allmächtigen serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, auch wenn der serbisch-orthodoxe Patriarch die Demonstrationen verurteilte. Vučić wird vorgeworfen, das Balkanland wie seinen Privatbesitz zu regieren und Medien gleichzuschalten.

Kirche registriert "wie ein Angelverein"

Von den deutschsprachigen Messen, die Grigorije zum Standard machen möchte, erwartet er vor allem die Öffnung gegenüber Katholiken und Protestanten. Der Balkan könne vom friedlichen Zusammenleben zweier Konfessionen in Deutschland lernen, so Grigorije, der lange Zeit Bischof im multiethnischen Bosnien war. "Der Balkan ist Deutschland geographisch sehr ähnlich - wir haben die gleichen Berge, Flüsse und Seen. Vielleicht haben wir nicht so gute Straßen, aber auch daran wird gebaut. Sogar Gesetze haben wir - die werden aber nicht respektiert", sagt der Bischof.

"Ich war es müde, irgendeinen Präsidenten oder Minister kennen zu müssen, um eigene Rechte durchsetzen zu können", so Grigorije. Das sei einer der Gründe, warum er die deutsche Eparchie übernommen habe. "Ich will das bekommen, was mir den Gesetzen nach zusteht und niemals etwas, das mir nicht zusteht. So habe ich meine Ruhe."

Doch die ruhigen Zeiten für die serbische Kirche in Deutschland dürften noch nicht gekommen sein. Bischof Grigorije fand die Eparchie in finanziell desolatem Zustand vor. Obwohl seit fünf Jahrzehnten in Deutschland präsent, ist die Serbische Orthodoxe Kirche nur als Verein eingetragen. "Wie ein Angelverein", sagt Grigorije lächelnd.

DW-Interview mit Bischof Grigorije Durić
Bischof Grigorije Durić im DW-Gespräch mit Ivan DjerkovicBild: DW

"Es gibt keine permanente Finanzierung, wir leben von den Spenden der Gemeinde", fügt er im DW-Interview hinzu. Sein großes Ziel sei deswegen, die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts eintragen zu lassen - genauso wie russische, griechische oder rumänische orthodoxe Kirchen.

Hunderttausende Serben, viele davon gläubig, leben in Deutschland. Zehntausende kommen jährlich neu hinzu. Da gehe es nicht nur um Geld und Jobs, meint Grigorije. "Früher ist man mit dem Bauch auf die Suche nach Brot gegangen. Heute geht man mit seinem Gehirn auf die Suche nach Würde."

"Das christliche Ethos" der Kanzlerin

Bischof Grigorije meint, Angela Merkel habe "christliches Ethos" gezeigt, als sie ihr berühmtes "Wir schaffen das" sagte. "Den Flüchtenden zu helfen ist, finde ich, eine christliche Aufgabe. Es sollte sich also überhaupt nicht die Frage stellen, ob wir das wollen oder nicht."

Andererseits hätten die Ankömmlinge ihren Teil der Verantwortung. "Das sage ich auch unseren Leuten: Wir müssen die Sprache und Kultur lernen, uns als verantwortliche Bürger zeigen, die für das Leben in diesem Land dankbar sind."

Grigorije selbst lernt auch fleißig Deutsch. Kilometerlange Wörter, Umlaute, komplizierte Grammatik? Nein, sagt der Bischof, er finde das Lernen der Sprache sehr angenehm.