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Glaube

Bitte auf dem Weg bleiben

6. Juni 2018

Laos ist ein Geheimtipp. Auf einer Reise im Slowboot auf dem Mekong merkt Jan Schäfer, dass hier mehr als 50 Jahre nach dem Vietnamkrieg noch immer der Tod lauert.

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Laos - Legacies of War Fotos zum Leben im Bombenverseuchten Gebiet
Bild: flickr/Legacies of War

Entschleunigung pur

Huai Xai ist ein kleiner Ort am Mekong. Die sogenannte Freundschaftsbrücke verbindet hier Thailand und Laos. Ich bin von Thailand herüberkommen und will hier die legendäre Fahrt im Slowboot auf dem Mekong beginnen. Die Einwohner des kleinen Ortes haben sich längst auf die Traveller eingestellt. Es gibt viele Gästehäuser und Lokale. Der Hafen selbst ist kaum mehr als eine Anlegestelle. Mit etwa fünfzig Weltreisenden und zwei Dutzend Laoten besteige ich früh am Morgen eines der langen und schmalen Boote. Zwei Tage dauert die Fahrt bis Luang Prabang. So träge wie der Fluss fließt, vergehen auch die Stunden an Bord. Ab und an passiert das Boot kleine Dörfer. Menschen winken das Boot heran, um mitzufahren. Oder einfach nur so, um Besatzung und Reisende zu grüßen. Ein friedliches Idyll.

Jugenderinnerungen an ein Land im Krieg

In meiner Jugend wurde Laos in einem Atemzug mit Vietnam erwähnt. In den sechziger und siebziger Jahren tobte der Vietnamkrieg. Die Südvietnamesen mit ihren amerikanischen Verbündeten gegen die Nordvietnamesen und ihre kommunistischen Verbündeten. Niemand sprach damals vom Laoskrieg. Dabei waren beide Länder auf schreckliche Art und Weise betroffen. Laos gilt als das meistbombardierte Land der Welt. Die Amerikaner vermuteten, dass die unzugänglichen Regionen in den Bergen und im Dschungel dem Vietkong als Unterschlupf dienten. Außerdem wollten amerikanischen Bomber-piloten ihre tödliche Last irgendwo zwischen Laos und Vietnam loswerden wollten. Egal wo. Wieder mit den Bomben zu landen kam nicht in Frage. Das wäre zu riskant gewesen.

Der Tod lauert im Nichs

Die Natur in Laos bietet ungeheuer viel: tolle Berge und Waldlandschaften. Doch noch heute lauern unzählige scharfe Streubomben mit ihrer tödlichen Last im Boden. Mehr als 50 Jahre nach dem Krieg. Fast überall. Und so lese ich immer wieder den Hinweis: Verlassen sie die sicheren Wege nicht! Es gibt Karten, in die sichere und unsichere Gebiete eingetragen sind. Opfer unter Touristen gibt es daher kaum. Opfer sind die Laoten selbst. Denn die große Mehrheit lebt auf dem Land. Dort, wo die Bomben sind. Die Laoten sprechen von UXO’s - Unexploded Ordnances.  

Da die meisten Laoten von der Landwirtschaft leben, ist das eigene Stück Land die Lebensgrundlage. Gerade das ist das Perfide. Bei der Arbeit im eigenen Garten und auf dem eigenen Feld passiert es. Tagtäglich kommt es zu Explosionen. Mitten im Frieden. Und wer mit dem Leben davonkommt, ist in der Regel verstümmelt. Das Leid, das Familien widerfährt, ist kaum zu ermessen.

Leid und Lebensfreude

Durch Vientiane, die Hauptstadt von Laos, schieben sich Motorräder und Motorroller dicht an dicht. Trotz des offiziellen Staatskommunismus dreht sich auch hier alles um Handel und Geschäfte. Die Menschen genießen das Leben und lieben es zu konsumieren. Am Ufer des Mekong verläuft eine beliebte Flaniermeile. Hier kann ich das gut beobachten. Mir scheint es so, als würde hier in dieser nach Lebensfreude schreienden Stadt das Thema UXO’s regelrecht ausgeblendet. Doch ich bin auf der Suche nach COPE, das Cooperative Orthotic and Prosthetic Enterprise. Eine Einrichtung, in der sich alles um den Krieg und die Bomben dreht. Vor allem um Prothesen und medizinische Hilfe für die Opfer der Streubomen. Und um die Dokumentation der Folgen des Krieges.  Fast gebe ich die Suche auf. Die Menschen, die ich frage, kennen COPE nicht. Eher zufällig finde ich schließlich den Komplex, versteckt im Schatten eines riesigen neuen Shopping-Centers.

Die Dokumentation im Besucherzentrum geht unter die Haut. Die Opfer kommen zu Wort. Ihre Biograhien und Schicksale lassen die ganze Tiefe des Dramas erahnen. Wer die Entschleunigung des Alltags in Laos sucht und die ausgetretenen touristischen Pfade verlässt, kommt am alltäglichen Drama und Trauma des Krieges nicht vorbei. Ich bin trotz erschütternden Bilder und Dokumente froh, diesen Ort zu besuchen. Und begreife , dass das Leid der Menschen und die aufkeimende Lebensfreude in diesem  wunderschönen Land auf Jahre hinaus ganz dicht zusammengehören.

Evangelischer Pfarrer Jan Schäfer, Frankfurt am Main
Bild: privat

Zum Autor: 

Jan Schäfer, geboren 1965 in Siegen und aufgewachsen in Koblenz. Nach dem Studium in Mainz, Marburg und Bonn arbeitete er seit 1996 als Pfarrer im Taunus, in den USA und in Frankfurt/Main. Seit 2009 ist er als Pfarrer im Schuldienst an einer Berufsschule in Frankfurt/Main tätig.