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Blick nach vorn

Daniel Scheschkewitz/im11. September 2002

Die Terroranschläge haben einer ganzen Generation von Amerikanern die Illusion von der Unverwundbarkeit des eigenen Landes genommen. Was hat sich in den USA noch verändert?

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Bild: AP

Verändertes Meinungsbild

Nichts werde mehr so sein wie vorher - das war der am häufigsten gehörte Satz in jenen Tagen nach dem 11. September 2001. Doch ein Jahr nach den Terroranschlägen von New York und Washington scheinen die Amerikaner zum Alltag zurückzukehren. Das nationale Trauma scheint zumindest oberflächlich das Leben der amerikanischen Gesellschaft nicht grundsätzlich verändert zu haben.

Debatte um den Heimatschutz

Heimatsicherheit
Tom Ridge, links, und George W. BushBild: AP

Präsident Bush, Vizepräsident Dick Cheney und der für den Heimatschutz zuständige Tom Ridge haben in den zurückliegenden Monaten immer wieder auf die Gefahr neuer Anschläge hingewiesen. Dennoch glaubt Ivo Daalder, Experte für innere Sicherheit am Brookings Institute, das die USA heute besser gewappnet sind als noch vor einem Jahr. Denn die Bürger seien wachsam geworden. Das mache es für Terroristen schwieriger, in den USA zu operieren.

Dennoch: Nach einer Serie von Pannen im Frühwarnsystem von FBI und CIA haben viele Amerikaner den Glauben an die Schutzfähigkeit des Staates vor Terrorattacken verloren. Auch mehren sich die Zweifel an den Konzepten der Bush-Regierung zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Herzstück der Bush-Pläne ist ein Superministerium für den Heimatschutz mit einem Jahresbudget von 38 Milliarden Dollar und 170.000 Beamten aus 22 verschiedenen Behörden. Begründet wird die neue Superbehörde mit dem Kompetenz-Wirrwar zwischen den derzeit bestehenden Behörden. Doch verhindern Kritiker im Kongress und die Gewerkschaften, dass das neue Ministerium seine Arbeit aufnehmen kann.

Die ökonomischen Folgen

Enron Insolvenz Verfahren
Enron auf dem Weg nach untenBild: AP

Mit dem World Trade Center hatten die Terroristen das symbolische Herz des US-Kapitalismus getroffen. Die amerikanische Wirtschaft versank in einer Rezession. Die Blase in der New Economy war zwar schon vorher geplatzt. Zu der langen und noch andauernden Talfahrt setzte die Wall Street aber so richtig erst nach dem 11. September an. Inzwischen glauben viele Experten jedoch, dass die Krise der US-Kapitalmärkte vor allem hausgemacht ist. Denn nach Ansicht von John Audley vom Carnegie Endowment for International Peace haben die Skandale bei Enron und Worldcom der US-Wirtschaft mehr Schaden zugefügt als die Attentäter der 11. September.

Ist die Freiheit bedroht?

In Zeiten der Krise wollen sich die Menschen in Sicherheit wiegen. Die Amerikaner scharten sich unmittelbar nach den Anschlägen hinter Präsident Bush, der nach der amerikanischen Verfassung auch Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte ist. Bush reagierte mit dem "US Patriot Act", einer Art innenpolitischen Notstandsgesetzgebung. Ergebnis: Kriegstribunale für ausländische Terrorverdächtige, Geheimverhöre von Immigranten vor allem arabischer Herkunft, Sondervollmachten für das FBI und andere Ermittlungsbehörden.

Attorney Gen. John Ashcroft.jpg
John AshcroftBild: AP

Das Arsenal der Zwangsmaßnahmen, mit denen Bush und sein Justizminister John Ashcroft die Freiheit schützen wollen, ist beträchtlich - aber die öffentliche Meinung hat ihnen enge Grenzen gesetzt. Dazu gehört auch, dass über 60 Prozent aller US-Bürger die Überwachung ihres E-mail- und Telefonverkehrs auch heute noch ablehnen, bei den Kreditkartenabrechnungen sind es sogar 63 Prozent.

Was wäre, wenn...

Fast die Hälfte aller Amerikaner ist ein Jahr nach den Anschlägen besorgt, dass die USA erneut zum Ziel werden könnten. Geheimdienstler halten die El-Kaida-Organisation heute für mindestens so gefährlich wie vor einem Jahr. Ein erneuter Terroranschlag in den USA könnte vielleicht nur noch eine Frage der Zeit sein. Wie aber würde die amerikanische Öffentlichkeit darauf reagieren? James Steinberg, Vizepräsident des Brookings Institute, meint, dass dann die Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft noch viel größer sein würden als nach dem 11. September 2001. Deshalb gelte es, nicht so sehr zurückzuschauen, sondern über die richtige Strategie zur Vermeidung künftiger Anschläge nachzudenken.