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Blogger und Autoren aus China in Köln

Matthias von Hein26. September 2013

Austausch findet zwischen Deutschland und China vor allem wirtschaftlich statt. Kulturell bleibt er oft an der Oberfläche. In Köln konnte man jetzt erleben, wie der "kritische Dialog" tatsächlich funktionieren kann.

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Die Dichterin Li Cheng´en auf dem Kölner Forum (Foto: M.von Hein)
Die Dichterin Li Cheng´en auf dem Kölner ForumBild: DW/M. von Hein

Oft ist von Kulturaustausch die Rede. Selten funktioniert er so gut wie Mitte September in Köln: Das Literaturhaus Köln und die erst vor einem Jahr gegründete Akademie der Künste der Welt hatten zu einem China-Festival eingeladen, dessen Name Programm war: "Ungehört - China im kritischen Dialog". Wissenschaftler, Blogger, Journalisten aus China waren eingeladen, sich mit deutschen Bloggern, Wissenschaftlern, Journalisten auszutauschen. Das führte immer wieder zu erhellenden Momenten. Etwa als der chinesische Blogger Li Chengpeng - Träger des angesehen Blogger Preises der Deutschen Welle - im Gespräch mit der deutschen Netzaktivistin Anne Roth den Unterschied zwischen Deutschland und China auf den Punkt brachte: "In Deutschland fängt man an zu schreiben, wenn einem Unheil widerfährt. In China ist es umgekehrt. Wenn man schreibt, kommt das Unheil."

Klima der Unsicherheit

Immer wieder kam an den beiden Veranstaltungstagen die Rede auf das Arbeiten unter den Bedingungen der Zensur. Kein Wunder: Von den neun chinesischen Künstlern, die bei den fünf Podien auf der Bühne saßen, waren fünf bereits im Gefägnis. Derzeit werden in China die Zügel der Internetkontrolle erneut stärker angezogen: Seit gut einem Monat läuft in den Staatsmedien eine Kampagne gegen Blogger, während gleichzeitig neue Gesetze gegen das "Verbreiten von Gerüchten" im Internet Schockwellen der Angst durch die Usergemeinde schicken. Der Blogger Ran Yanfei sprach von der Angst als ständigem Begleiter beim Schreiben, von einem Klima der Unsicherheit. Ran, dessen Mikroblog über 40.000 Follower hat, stand selbst noch bis vor kurzem unter Hausarrest.

Blogger Ran Yanfei (Foto: M. vonHein)
Ran Yanfei: "Klima der Angst" unter BloggernBild: DW/M. von Hein

Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung

Heiße Eisen bietet indes nicht allein die chinesische Gegenwart, auch in der Vergangenheit gibt es allerlei Tabuzonen - jüngst noch einmal bekräftigt durch den sogenannten Erlass Nr. 9. Der untersagt Lehrern, Hochschullehrern und Journalisten unter anderem, sich mit den Fehlern von Chinas Kommunistischer Partei in der Vergangenheit zu befassen. Auf dem Panel zum Thema Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung wurde deutlich, dass die Hungersnot beim sogenannten "Großen Sprung nach vorn" (1958-60) oder die Kulturrevolution (1966-76) zwar thematisiert werden können, allerdings nur im wissenschaftlichen Kontext und nicht im Sinne einer breiteren Auseinandersetzung.

Stolpersteine für China?

Eindrucksvoll war, wenn die Stimmen der Literaten direkt aus Ihren Werken sprachen. Eine besondere literarische Brücke zwischen China und Deutschland schlug der Autor Ye Fu. Der lebt zur Zeit als Gast der Akademie der Künste in Köln. Dort ist er immer wieder auf die "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig gestoßen. Dies sind kleine in die Gehwege der Stadt eingelassene Betonsteine mit beschrifteter Messingoberfläche. Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Dieses Projekt regte Ye Fu zu einem Essay zum Thema Vergangenheitsbewältigung an, der bei dem China-Festival vorgetragen wurde. Dass Ye Fu einen ganz persönlichen Bezug zu dem Thema hat, wurde auf Nachfrage aus dem Publikum deutlich. Da erzählte Ye, wie sein Großvater, sein Vater, sein Bruder in die Räder unterschiedlicher "Säuberungskampagnen" gerieten. Sein literarisches Talent führte er nebenbei auf seine Großmutter zurück, bei der er während der Kulturrevolution leben musste: Die habe in dieser Zeit mit ihm heimlich klassische chinesische Literatur gelesen.

Schriftsteller Ye Fu (Foto: M. von Hein)
Ye Fu hat einen persönlichen Bezug zum Thema ErinnerungskulturBild: DW/M. von Hein

Das China-Festival spielte eine doppelte Rolle: Als Veranstaltung für das zahlreich erschienene Publikum, und als Ort der Begegnung für die beteiligten chinesischen Gäste. Die hatten sich - zum Teil im Exil lebend, zum Teil aus China angereist - vor und nach den Veranstaltungen in prächtiger, festlicher Stimmung bei heißen Gerichten und kühlen Getränken viel zu erzählen.