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"Blogs werden wieder wichtiger"

14. April 2011

Der Autor und Blogger Sascha Lobo über die Zukunft des Web 2.0, die Bedeutung von Blogs und das Verhältnis der Deutschen zum Internet. DW-WORLD.DE hat ihn auf der Internetkonferenz re:publica getroffen.

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Der deutsche Blogger Sascha Lobo auf der Blogger-Konferenz RE: PUBLICA 2011 (Foto: DW/José Antonio Gayarre)
Blogger und Autor Sascha LoboBild: DW

DW-WORLD.DE: Sascha Lobo, was erwarten Sie, als einer der bekanntesten Blogger Deutschlands, von der diesjährigen Internetkonferenz RE:PUBLICA?

Sascha Lobo: Ich hoffe, neue Impulse zu finden und neue Hinweise darauf, wie sich das Internet in diesem Jahr weiterentwickeln wird, und zwar nicht nur im Bezug auf Plattformen, Unternehmen oder Dienstleistungen, sondern vor allem auch im Hinblick auf Themen, die sich jetzt abzeichnen, wie die Personalisierung, die Weiterentwicklung von Blogs, technologische Fortschritte und noch viele weitere interessante Fragen, auf die ich hier Antworten suche.

Im Vergleich mit anderen Konferenzen ist RE:PUBLICA sehr speziell. Was genau unterscheidet diese Konferenz von anderen Treffen von Bloggern und Social Media?

RE:PUBLICA ist viel umfassender. Auf anderen Konferenzen geht es entweder um wirtschaftliche Aspekte oder um Blogs oder um Gesellschaft und Kommunikation. Bei RE:PUBLICA ist das alles integriert. Das ist meiner Meinung nach das Bedeutendste, denn im Internet entwickelt sich nicht alles in die selbe Richtung, vielmehr sind all diese unterschiedlichen Aspekte miteinander vernetzt. Daher ist ein Konzept wie das von RE:PUBLICA meiner Ansicht nach viel sinnvoller.

2011 ist eindeutig das Jahr der sozialen Medien, angefangen bei Wikilieaks, dann ging es weiter mit den Revolutionen in der arabischen Welt und mit dem Erdbeben in Japan. Hat sich die Einstellung der Gesellschaft gegenüber diesen Medien insgesamt verändert?

Ja, das denke ich schon. Vor allem weil immer mehr User diese Plattformen nutzen. Allein in Deutschland hat Facebook fast zwanzig Millionen Nutzer. In anderen europäischen Ländern sind es sogar noch mehr. Im Netz sind so viele Leute auf unterschiedlichen Plattformen unterwegs, dass dort auch nach und nach Meinungen entstehen – sie werden nicht mehr von außen hineingebracht. Eine Meinung, die innerhalb eines Netzwerks entsteht, zu dem man selbst gehört, hat natürlich einen anderen Stellenwert als eine Meinung, die von außerhalb kommt, die man wie ein unbeteiligter Zuschauer aufnimmt.

Logo des sozialen Netzwerks Facebook
Fast 20 Millionen Nutzer hat Facebook in Deutschland

All diese Ereignisse haben gezeigt, dass die Masse ihr eigenes Bewusstsein entwickeln kann. Wie wird sich das auf die Teilhabe der Internet-User an öffentlichen Debatten auswirken?

In Deutschland haben sich viele Blogs zu Meinungsmachern und zu wichtigen Quellen für die Medien entwickelt. Wenn Blogs über bestimmte Themen berichten, dann gelangen diese Themen innerhalb weniger Stunden in die Zeitungen oder sogar ins Fernsehen. Die gesamte Medienlandschaft verschmilzt, und die Blogs natürlich auch.

Wenn man in Deutschland über das Internet spricht, dann kommt man nicht umhin auch über Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre zu sprechen. Woher kommt das beständige Interesse an diesem Thema?

Die Deutschen sind sehr empfindlich wenn es um Datenschutz geht. Die Privatsphäre ist ihnen viel wichtiger als den Menschen in anderen Ländern, wie der juristische Streit um Google-Streetview gezeigt hat, wo die Veröffentlichung von Fotos von Häusern im Internet verboten worden ist, obwohl man sie doch von der Straße aus jederzeit sehen kann. Diese Einstellung hat eindeutig historisch und politisch bedingte Ursachen, aber vor allem glaube ich, dass der Deutsche das Recht haben will, in Ruhe gelassen zu werden. Deshalb gibt es in Deutschland ja auch mehr Klagen wegen Ruhestörung als sonstwo auf der Welt. Und es ist zum Beispiel schwierig, einen Kindergarten zu bauen, ohne dass die Nachbarn sich über den damit verbundenen “Lärm” beschweren.

Screenshot von Google Streetview
Google Streetview ist in Deutschland auf große Kritik gestoßenBild: google

Wie wird es weitergehen? Wird sich der deutsche User weiter um den Schutz seiner Privatsphäre sorgen oder werden wir bald eine Art online-Exhibitionismus erleben?

Ich bin sicher, dass viele Leute ihre Einstellung ändern werden. Ich kenne Menschen, für die es noch vor ein paar Jahren undenkbar war, ein Foto ihrer Kinder ins Internet zu stellen, und die heute genau diese Fotos massenweise in ihrem Facebook-Profil posten. Ich bin sicher, dass sich diese Einstellung in Deutschland weiter durchsetzen wird.

Wie wird es in Zukunft in Sachen Social-Media weitergehen?

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Blogs wieder mehr an Bedeutung gewinnen werden, weil ihre Autoren nach wie vor eine gewisse Kontrolle über ihre eigenen Plattformen haben. Facebook beispielsweise gehört uns nicht und wir können da nur das machen, was Facebook uns erlaubt. Das gleiche gilt für Twitter. Und gerade die Revolutionen in der arabischen Welt haben doch gezeigt, wie wichtig es ist, dass der User die Kontrolle über seine eigene Kommunikationsplattform nicht aus der Hand gibt. Bei den Blogs geht das nicht immer zu hundert Prozent, aber die Wahrscheinlichkeit ist viel größer als zum Beispiel bei Facebook.

Autor: José-Antonio Gayarre
Redaktion: Mirjam Gehrke