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Blutbad unter Schiiten

28. August 2007

Nach heftigen Gefechten hat die irakische Polizei hunderttausende Pilger zum Verlassen der Stadt Kerbela aufgefordert. Es war das erste Mal, dass Kämpfe zwischen Schiiten eine schiitische Wallfahrt überschatten.

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Rauch von brennenden Autos steigt während der Ausschreitungen in Kerbela auf, Quelle: AP
Rauch von brennenden Autos steigt während der Ausschreitungen in Kerbela aufBild: AP

Angesichts blutiger Auseinandersetzungen haben die irakischen Behörden am Dienstag (28.8.07) ein schiitisches Pilgerfest in der heiligen Stadt Kerbela aufgelöst und eine Million Gläubige nach Hause geschickt. Der Andrang der Menschenmassen führte zu chaotischen Zuständen. Bei Gefechten wurden mindestens 35 Menschen getötet, etwa 180 wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen verletzt. Die Opfer seien mit Schusswunden in zwei Krankenhäuser gebracht worden, sagte der Leiter der städtischen Gesundheitsbehörde, Selim Kasem.

Granateinschläge am Schrein

Soldaten sollten die Sicherheit der Pilger gewährleisten, Quelle: AP
Soldaten sollten die Sicherheit der Pilger gewährleistenBild: AP

Das Innenministerium warf der Mahdi-Miliz des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr vor, im Zentrum von Kerbela Sicherheitskräfte angegriffen zu haben. Die Polizei hatte zunächst lediglich mitgeteilt, sie sei von Bewaffneten angegriffen worden. Mörsergranaten seien in der Nähe des Imam-Hussein-Schreins eingeschlagen. Die Gefechte lösten Panik unter den vielen hunderttausend Pilgern aus, die des Geburtstags ihres letzten Imams, Mohamed el Mahdi, gedachten. Rauch stieg über dem Schrein auf.

Bei Schießereien an mehreren Kontrollstellen wurden zahlreiche Menschen tödlich getroffen. Die riesige Zahl von Pilgern habe die Kontrollposten völlig überfordert, sagte ein Abgeordneter des Stadtrats von Kerbela. Es war das erste Mal seit dem Sturz des Saddam-Regimes, dass nicht Anschläge sunnitischer Terroristen, sondern Kämpfe zwischen rivalisierenden Schiiten eine schiitische Wallfahrt überschatten.

Hoffen auf Frieden und Harmonie

Nach den Gefechten wurde eine Ausgangssperre verhängt, sagte der Polizeichef von Kerbela, Hamid Raas Schaker. Hunderttausende Pilger seien aufgefordert worden, den heiligen Schrein zu verlassen. Das Innenministerium kündigte die Entsendung von Bussen an, die einen Teil der Menschen aus der Stadt bringen sollten. Einige Pilger widersetzten sich jedoch der Anordnung, nachdem sie tagelang zu Fuß zu dem Heiligtum unterwegs gewesen waren.

Ein Schütze versteckt sich während der Auseinandersetzungen hinter einem Zaun, Quelle: AP
Ein Schütze versteckt sich während der Kämpfe hinter einem ZaunBild: AP

Die Stadt Kerbela gehört zusammen mit dem irakischen Wallfahrtsort Nadschaf zu den wichtigsten heiligen Städten der Schiiten nach Mekka und Medina in Saudi-Arabien. Am Schabanijah-Fest in Kerbela, 80 Kilometer südlich von Bagdad gelegen, begehen schiitische Pilger alljährlich den Geburtstag von Mohammed al Mahdi, einem schiitischen Imam, der im neunten Jahrhundert plötzlich verschwand. Die Gläubigen erwarten, dass er zur Erde zurückkehren wird, um Frieden und Harmonie herzustellen.

Größte Massenflucht in Nahost seit 1948

Aufgrund der anhaltenden Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten sind inzwischen mehr als vier Millionen Menschen auf der Flucht. Dies sei die größte Flüchtlingsbewegung im Nahen Osten, seitdem die Gründung des israelischen Staates 1948 eine Massenflucht von Palästinensern ausgelöst hatte, erklärte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Dienstag in Genf.

Monatlich seien mehr als 60.000 Menschen im Irak geflohen, sagte UNHCR-Sprecherin Jennifer Pagonis. Mehr als zwei Millionen Iraker seien innerhalb des Landes auf der Flucht, die Hälfte davon seit dem Anschlag auf das den Schiiten heilige Mausoleum der El-Askari-Moschee im nordirakischen Samarra im Februar 2006. Dieser wird als Auslöser für die neueste Welle der religiös motivierten Auseinandersetzungen gesehen.

Nördlich von Bagdad flammten am Dienstag heftige Gefechte zwischen amerikanischen und irakischen Truppen auf der einen und sunnitischen Rebellen auf der anderen Seite auf. Dabei wurden nach US-Militärangaben 33 Aufständische getötet. Ein Selbstmordattentäter tötete in einer Moschee der westirakischen Stadt Falludscha zehn Menschen. (stu)