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Funde vom ältesten Schlachtfeld Europas

Klaus Krämer
8. Oktober 2017

Vor fast 3300 Jahren tobte in Norddeutschland eine Schlacht, über die noch nicht viel bekannt ist. Seit 2007 graben Archäologen auf diesem ältesten Schlachtfeld Europas. Jetzt werden besondere Fundstücke ausgestellt.

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Teil eines vergoldeten Schwertgriffs, aus der Ausstellung Blutiges Gold - Macht und Gewalt in der Bronzezeit
Vergoldeter Schwertgriff aus der Bronzezeit, gefunden bei GüstrowBild: LAKD M-V/Landesarchäologie/S. Suhr

Das Archäologische Freilichtmuseum Groß Raden präsentiert seit dem 6. Oktober 2017 eine Ausstellung, die es in sich hat. Bis zum 18. September 2018 zeigt die Sonderschau archäologische Fundstücke aus der Bronzezeit. Sehr viele davon stammen von einem Kampfplatz am 68 Kilometer langen Fluss Tollense in Mecklenburg-Vorpommern. Passend dazu präsentiert das Freilichtmuseum, zwischen Schwerin und Güstrow gelegen, weitere Schlüsselfunde aus der Bronzezeit in dieser Region. Verantwortlich für Ausstellung und Forschung ist Dr. Detlef Jantzen, Landesarchäologe Mecklenburg-Vorpommerns. Wir haben mit ihm gesprochen.

Das Tollensetal mit der Fundschicht aus der Vogelperspektive.
Grabungsfläche im Tal der Tollense - gerade wurde die Fundschicht mit den Menschenknochen freigelegtBild: Tollensetal-Projekt/Stefan Sauer

DW: Herr Jantzen, sie dokumentieren ein Jahr lang Mord und Totschlag in der Bronzezeit. Was ist vor fast 3300 Jahren am Fluss Tollense, im heutigen Mecklenburg-Vorpommern, geschehen?

Dr. Detlef Jantzen: Dort am Fluss haben sich damals große Gruppen junger Männer gegenüber gestanden und sich in einer blutigen Schlacht gegenseitig getötet. Es müssen mehrere hundert, wenn nicht sogar mehrere tausend Beteiligte gewesen sein. Und am Ende werden auch mehrere hundert tote Männer auf diesem Schlachtfeld gelegen haben.

Haben Sie Erkenntnisse darüber, wer dort so brutal gegen wen gekämpft hat?

Nein, das können wir momentan noch nicht sagen. Wir wissen, dass es ausschließlich Männer waren - wir haben auf diesem Schlachtfeld keine Hinweise auf Frauen -, und vor allem auch Männer in der Altersgruppe zwischen 20 und 25 Jahren, also eher junge Männer, die in der Lage sind, zu kämpfen. Woher diese Menschen gekommen sind, haben wir leider noch nicht herausgefunden. Wir können aber sagen, dass sie aus einem relativ großen Einzugsgebiet zusammengekommen sein müssen.

Wie stellen Sie so etwas fest?

Detlef Jantzen, Archäologe, mit einem Schädel aus der Bronzezeit
Macht sich um jedes Fundstück einen Kopf - Archäologe Detlef JantzenBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Das ergibt sich aus den sogenannten Strontiumisotopen in den Zähnen. (Strontium ist ein Erdalkalimetall, das, wie Calcium, vom Körper zum Zahn- und Knochenaufbau gebraucht wird. Anm. d. Red.) Daran kann man feststellen, in welcher Region ein Mensch aufgewachsen ist. Auf dem Schlachtfeld blieben eine ganze Reihe von Menschen, die in der Region aufgewachsen sein können. Wir haben aber auch einige Individuen, die aus weiter entfernten Regionen stammen müssen, wobei wir nicht genau feststellen können, aus welchen Regionen diese Menschen kommen. Das ist natürlich eines der Ziele, denen wir uns in den nächsten Jahren widmen wollen, weil wir einfach gerne wissen wollen, mit wem wir es dort auf dem Schlachtfeld zu tun haben.

Mitte der 1990er Jahre wurde dieses bisher älteste bekannte Schlachtfeld in Europa entdeckt, und seit 2007 wird dort gezielt gegraben und ausgewertet. Welche Funde haben die Fachleute zutage gefördert?

Das sind zunächst einmal mehr als 10.000 Menschenknochen. Das ist die größte Serie von Menschenknochen, die wir überhaupt aus dieser Zeit in dieser Region haben. Es ist also ein fantastisches Forschungs- und Vergleichsmaterial. Dazu gehört außerdem eine ganze Reihe von Bronzewaffen wie zum Beispiel Pfeil- und Lanzenspitzen, Speerspitzen und Messer. Wir haben einige Holzkeulen, die offensichtlich auch im Kampf dort benutzt worden sind und wir haben - das ist auch bemerkenswert - Reste von ungefähr fünf Pferden, so genau kann man das nicht sagen. Aber das zeigt, dass auf dem Schlachtfeld auch Pferde gestorben sind.

Etwa zehn Prozent des Kampfgebiets sind erst erforscht - aber bereits so viel, dass Sie jetzt mit den Funden eine Sonderausstellung im Archäologischen Freilichtmuseum Groß Raden bestücken können. Die Schau heißt: "Blutiges Gold – Macht und Gewalt in der Bronzezeit". Warum aber wurden kaum Gold- und Wertgegenstände im Bereich des ehemaligen Schlachtfelds gefunden?

Fundschicht des Schlachtfelds im Tollensetal: Schädel und Knochen. Aus der Ausstellung Blutiges Gold - Macht und Gewalt in der Bronzezeit
An dieser Stelle der Fundschicht lagen besonders viele Schädel auf engem Raum zusammenBild: Tollensetal-Projekt/Stefan Sauer

Offensichtlich hat man die Toten auf dem Schlachtfeld, soweit man an sie heran kam, sehr gründlich geplündert. Sie hatten praktisch kein Metall mehr bei sich - und sie müssen Metall dabei gehabt haben, denn Bronze gehörte in dieser Zeit auch zur Männertracht dazu. Etwas anders sieht es aus bei den Toten, die unmittelbar in den Fluss gefallen sind. Dort haben wir durchaus Metallgegenstände gefunden, die zur Tracht gehört haben können, die aber auch Handelsgut hätten sein können. Wir haben zum Beispiel zwei Zinnringe gefunden, die der Metallversorgung dienten, denn Zinn war ein unentbehrlicher Rohstoff, um überhaupt Bronze herstellen zu können. Zu den Trachtbestandteilen, die wir aus der Tollense geborgen haben, gehören interessanterweise auch mehrere Goldringe, wie sie die mächtigen Leute dieser Zeit getragen haben. Vermutlich waren die ins Haar geflochten.

Sie haben als Verantwortlicher der Sonderausstellung die wenigen Gold- und Wertgegenstände vom Schlachtfeld kombiniert mit anderen spektakulären archäologischen Fundstücke aus Mecklenburg-Vorpommern. Was wollen Sie damit erreichen?

Wir haben uns bis vor wenigen Jahren die Bronzezeit als eine relativ friedliche Zeit vorgestellt, sozusagen als eine Art "Goldenes Zeitalter". Es ist ja auffällig, wie viel Gold in dieser Zeit im Umlauf ist und wie viele reich ausgestattete Gräber es in dieser Zeit gibt. Gold hat offensichtlich eine Rolle in der Gesellschaft gespielt, man hatte auch Zugang zum Gold, man war überregional so vernetzt, dass man an dieses Material heran kam. Dieser Goldreichtum war immer faszinierend zu sehen und dann kam plötzlich mit dieser Entdeckung des Schlachtfeldes im Tollensetal ein anderer Aspekt hinzu. Zur Macht, die durch das Gold repräsentiert ist, kam nun ganz massiv die Gewalt. Das war keine zufällige Gewalt, sondern eine offensichtlich organisierte Gewalt im Tollensetal. Denn solche großen Gruppen junger Männer muss man natürlich erst mal zusammenstellen und ihnen überhaupt Befehle erteilen können. Das zeigt, dass Macht die Voraussetzung für diesen großen Gewaltkonflikt gewesen ist.

Das bedeutet, dass sich in den Jahren vor der Sonderausstellung auch Ihr Blick auf die Bronzezeit verändert hat?

Archäologen beim Freilegen der Fundschicht im Tollensetal. Es sind Schädel und Knochen zu sehen. (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege/Gundula Lidke)
Das Freilegen der Fundschicht im Tollensetal ist akribische ArbeitBild: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege/Gundula Lidke

Das war eine faszinierende Erkenntnis, dass dieses friedliche Bild der Bronzezeit offensichtlich nicht stimmt, sondern, dass wir in dieser Zeit Machtstrukturen vor uns haben, die auch zur Gewalt greifen und die auch organisierte Gewalt in solchen großen Gruppenkonflikten anwenden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Das hat man der bronzezeitlichen Gesellschaft hier in unserer Region noch nicht zugetraut. Wir gehen davon aus, dass es auch an anderen Stellen solche großen Gewaltkonflikte gegeben hat. Die haben wohl dazu geführt, dass das vorher gut funktionierende Handelssystem innerhalb weniger Generationen zusammengebrochen ist.

Was sind die Highlights der Sonderschau?

Die Highlights der Schau sind natürlich die Goldobjekte. Wir haben zum einen die Goldringe aus dem Tollensetal. Wir haben aber auch die anderen Goldringe aus den reich ausgestatteten Gräbern zusammengebracht. Wir stellen einige reiche Grabinventare komplett vor, wie das sogenannte "Häuptlingsgrab" von Crivitz, das vor ein paar Jahren entdeckt worden ist – eine sehr reiche Männerausstattung mit einem Schwert, einer goldenen Fibel, also einer Gewandspange, und mehreren Goldringen. Das ist etwas ganz Exquisites, was bisher noch nie öffentlich gezeigt wurde. Wir zeigen auch die Fragmente eines goldverzierten Schwertes, das vor einigen Jahren in der Nähe von Güstrow entdeckt wurde, und wir zeigen zwei sehr reiche Frauenausstattungen. Sie enthalten zwar kein Gold, aber blank polierte Bronze. Wenn die Frauen ihren kiloschweren Bronzeschmuck trugen, müssen sie von oben bis unten geglänzt haben.

Goldene Gewandspange aus der Ausstellung Blutiges Gold - Macht und Gewalt in der Bronzezeit
Goldene GewandspangeBild: LAKD M-V/Landesarchäologie/S. Suhr

Das Gespräch führte Klaus Krämer.