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Bonner Tafel - verteilen statt vernichten

30. August 2010

Jährlich landen Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Nicht, weil sie schlecht sind, sondern weil Platz für neue Ware gemacht werden muss. Die Tafel rettet große Mengen frisches Obst und Gemüse und gibt sie Bedürftigen.

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Kisten mit frischem Obst und Gemüse bei der Bonner Tafel (Foto: DW)
Bild: DW

"Am Anfang hatte ich noch Schamgefühle, hierher zu kommen. Ich dachte, jetzt wissen alle, dass du arm bist. Aber es hilft auf jeden Fall. Man hat mal frisches Gemüse und Obst und kann sparen." Claudia ist bedürftig. Die Sozialpädagogin aus Bonn findet keinen Job und muss mit sehr wenig Geld auskommen. Deshalb geht sie zur Tafel. Der gemeinnützige Verein setzt sich dafür ein, dass Lebensmittel, die noch frisch sind, nicht weggeworfen werden. Stattdessen sollen sie Bedürftigen zu Gute kommen, die dringend auf diese zusätzliche Hilfe angewiesen sind. Neben Claudia versorgt die Bonner Tafel regelmäßig noch rund 3000 weitere Bedürftige.

Brücke zwischen Überfluss und Bedürftigkeit

Der Betriebsleiter kontrolliert die Berechtigungsscheine der Bedürftigen (Foto: DW)
Der Betriebsleiter kontrolliert die Berechtigungsscheine der BedürftigenBild: DW

Horst-Dieter Tontarski ist Betriebsleiter der Tafel in Bonn. Er hat dort einen Teilzeitjob und arbeitet zusätzlich ehrenamtlich. Der Frührentner will seine Zeit nicht zu Hause verbringen, sondern aktiv sein und etwas Gutes tun. Als Betriebsleiter organisiert er die täglichen Abläufe, damit alle Bedürftigen rechtzeitig und ausreichend versorgt werden können. Neben frischen Lebensmitteln werden manchmal auch palettenweise Konserven und Fertigprodukte an die Tafel abgegeben, weil die großen Warenlager keinen Platz mehr dafür haben. Tontarski freut sich, dass er die Bedürftigen damit versorgen kann. "Dass wir tagtäglich etwas vor dem Vernichten bewahren, das gibt einem eine innerliche Befriedigung. Und wenn man damit auch noch bedürftigen Menschen helfen kann, das freut einen natürlich."

Neben dem sozialen Aspekt zählt in erster Linie der ökologische Gedanke, nämlich verantwortungsvoller mit Lebensmitteln umzugehen. Allein 10 bis 15 Tonnen Gemüse und Obst holt die Bonner Tafel monatlich bei Großmärkten und Einzelhändlern ab.

Mit einer Tafel in Berlin hat das landesweite Tafel-Projekt 1993 begonnen. Mittlerweile gibt es rund 850 Tafeln in Deutschland. Obwohl es frustrierend ist, wie viele frische Lebensmittel tagtäglich weggeworfen werden, versuchen die Mitarbeiter der Tafel, daraus einen positiven Nutzen zu ziehen.

Gesunde Ernährung möglich machen

Helferin packt Gemüse (Foto: DW)
Die Helfer arbeiten ehrenamtlich, bekommen also keinen LohnBild: DW

Wer seine Bedürftigkeit nachgewiesen hat, darf einmal in der Woche bei der Tafel Lebensmittel abholen. So werden jeden Nachmittag rund 100 Haushalte mit frischen Lebensmitteln unterstützt. Darüber hinaus werden auch noch viele Jugendeinrichtungen, Kindergärten und Schulen direkt versorgt. Viele Kinder aus ärmeren Familien ernähren sich oft nicht gesund und abwechslungsreich. Daher ist die Versorgung der Jugendeinrichtungen mit frischem Obst, Gemüse und Milchprodukten für die Tafel besonders wichtig.

Ohne die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter wäre das nicht möglich. Mehr als 70 Helfer sind in Bonn für den Verein im Einsatz. Renate Witt ist eine davon und verteilt zum Beispiel nachmittags die Lebensmittel. Alles, was am Tag gesammelt wurde, wird vorher gezählt und dann gerecht verteilt. "Ich mach das schon Jahre, das klappt schon im Schlaf." Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukte gibt es kostenlos.

Die Dankbarkeit der Bedürftigen hält sich aber oft in Grenzen. Die freiwillige Hilfe der Tafel wird von einigen als selbstverständlich erachtet oder sogar eingefordert. Die Tafel kann keine Grundversorgung leisten, da die Art und Menge der gespendeten Lebensmittel nicht vorhersehbar ist. Es soll vielmehr eine Ergänzung zum kleinen Budget der Empfänger sein.

Gezielte Hilfe

Jeden Tag stapeln sich die gespendeten Lebensmittel im kleinen Ausgaberaum der Tafel. Doch auch diese Menge ist begrenzt. Daher unterstützt die Tafel in Bonn überwiegend nicht erwerbsfähige Personen, also kranke und ältere Menschen - wie Frau Klein zum Beispiel. Mit ihrer niedrigen Rente käme sie allein nur schlecht zurecht. Mit Hilfe der Tafel aber kann sie sogar noch etwas abgeben. "Da geb' ich den Enkeln noch ein bisschen davon, die Fragen immer: "Oma, was hast du denn dabei?"

Diejenigen, die noch arbeiten können, dürfen nur in Ausnahmefällen zur Tafel kommen. Auch der 60-jährige Toni ist arbeitslos und dankbar für die Unterstützung. Er schämt sich nicht dafür, dass er diese Hilfe braucht. "Ich sehe das ganz sachlich. Ich bin bedürftig und habe ein gutes Gefühl dabei, dass ich solche Angebote in Anspruch nehme."

Allen Bedürftigen kann also nicht geholfen werden, das ist aber auch nicht die Aufgabe der Tafel, wie die Vorstandsvorsitzende der Bonner Tafel, Edith Trittler, erklärt. "Die Triebfeder unserer Arbeit liegt in erster Linie in unserer Überzeugung, dass noch genießbare Lebensmittel nicht weggeworfen werden sollen. Das Maß unserer Aktivitäten ist die Warenmenge, die wir erhalten - ansonsten wären wir täglich frustriert, da viele Hilfesuchende abgewiesen werden."

Autorin: Nina Treude
Redaktion: Kay-Alexander Scholz