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Bosman: "Ich würde es wieder tun"

Chuck Penfold15. Dezember 2015

Vor 20 Jahren entscheidet der Europäische Gerichtshof, dass Spieler, deren Vertrag ausläuft, ohne Ablösesumme den Verein verlassen dürfen. Während viele Profis nun großen Profit machen, lebt Bosman am Existenzminimum.

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Jean-Marc Bosman
Bild: Getty Images/Bongarts/C. Koepsel

DW: Jean-Marc Bosman, wie geht es Ihnen 20 Jahre nach der Entscheidung, die dass Fußballgeschäft verändert hat?

Jean-Marc Bosman: Sehr gut, vielen Dank. Mir geht es gut, mein Leben hat sich normalisiert. Ich hatte eine schwere zeit, aber die ist vorbei. 20 Jahre nach dem Bosman-Urteil - dazu habe ich in letzter Zeit eine Menge Interviews gegeben. Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass ich das Bosman-Urteil zur Seite schiebe und mich nicht ständig damit beschäftige. Jetzt geht es mir gut. Ich sehe meine Kinder regelmäßig. Ich habe einen jungen Sohn, Samuel, der bald fünf Jahre alt wird und Martin, der bald sieben wird. Das macht mir sehr viel Freude und gibt mir Stärke.

Hat das Bosman-Urteil negative oder positive Auswirkungen auf den Fußball?

Am 15. Dezember 1995 habe ich den Fall gewonnen. Das hat dazu geführt, dass alle Fußballer davon profitieren. Aber 2001 änderte Mario Monti in seiner Funktion als europäischer Kommissar für Wettbewerb die Transferregeln zugunsten der Vereine. Jetzt verdienen die Klubs eine Menge Geld durch Dinge wie die Champions League, die sie dafür noch nicht einmal gewinnen müssen. Es gibt 20 bis 25 Klubs in Europa, die auf diese Weise wahnsinnig viel Geld verdienen und die immer reicher werden. Das Bosman-Urteil sollte für eine Neuverteilung sorgen, aber das hat nicht geklappt. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, sehr junge Spieler für 30 oder 40 Millionen Euro zu verkaufen, bevor sie sich nicht bewährt haben.

Sie sagen, dass durch das Bosman-Urteil nicht nur Spieler am Ende der Verträge frei wechseln dürfen, sondern das Transfersummen und Spielergehälter geradezu in den Himmel geschossen sind. Was ist mit diesen Spielern, mit diesen Menschen, die von Ihrem Kampf vor Gericht profitiert haben? Haben Sie etwas zurückbekommen?

Als ich 1998 endlich gewonnen hatte, hat mich die niederländische Nationalmannschaft zu Hause besucht. Spieler wie Frank und Ronald de Boer - die waren alle in meinem Haus, alle Nationalspieler. Ich bin dann nach Rotterdam gefahren, um mir das Spiel der Niederlande gegen Belgien anzuschauen. Alle niederländischen Nationalspieler haben mir ihre Spiel-Boni gegeben und die Belgier aufgefordert dasselbe zu tun. Wie dem auch sei. Seit ich gegen den belgischen Fußballverband gewonnen habe, hat kein einziger Nationalspieler Belgiens mehr mit mir gesprochen. Und der Verband hat den Spielern gesagt, dass sie mir nicht ihre Boni geben sollten, weil das die Situation destabilisieren würde. Die Belgier haben auch versucht, die Niederländer zu überreden, dies nicht zu tun, aber sie haben es getan. Das war eine dieser seltenen Gesten, die ich von großen Spielern empfangen habe…

Jean-Marc Bosman und seine Anwälte im Jahre 1995 vor der Urteilsverkündung. (Foto: dpa)
Jean-Marc Bosman und seine Anwälte im Jahre 1995 vor der UrteilsverkündungBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Haben Sie das Gefühl, das bekommen zu haben, was Sie für Ihren Einsatz gegen Ihren Klub und gegen das System verdient haben?

Das habe ich mich während dieser Zeit auch gefragt, aber die jungen Spieler haben einfach so hingenommen was passiert ist. Sie spielen für englische Klubs und verdienen 300.000 Euro pro Woche, während ich - Jean-Marc Bosman - so gut wie nichts bekomme. Diese Unverhältnismäßigkeit ist sehr groß, wenn man berücksichtigt, wie viel Arbeit ich in diesen Jahren dort reingesteckt habe. Trotzdem sind da noch die großen Spieler, die erkannt haben, was ich getan habe. Junge Fußballer wissen das meistens gar nicht, sie sind einfach zu jung. Ich meine, sie sind jung genug, sie könnten meine Kinder sein. Aber sie wissen, dass da mal jemand war, der selbst Profi war, der für sie gekämpft hat.

Mit dem Wissen, was sie heute haben. Würden Sie es noch einmal so machen?

Ja! Ich muss Ihnen sagen ja, weil ich glaube, dass ich eine Menge Freude zu vielen Menschen gebracht habe. Das Urteil war außergewöhnlich und es hat zehntausenden Menschen Arbeit beschafft. Ich war in der Lage, etwas Positives zu tun - im Gegenteil zu Michel Platini und Joseph Blatter. Ich bin stolz auf die Entscheidung, diese wunderbare Entscheidung und die Unterstützung, die ich von der "World Player Union" bekommen habe. Ich denke, wenn ich noch einmal die Chance hätte so etwas zu tun, ich würde es tun.

Das Bosman-Urteil ermöglicht es Fußball-Spielern nach Ablauf des Vertrages sich einen neuen Verein suchen zu können, ohne das Einverständnis des alten Klubs. Der Fall startete 1990 vor Gericht als Jean-Marc Bosman mit 25 Jahren einen neuen Verein suchte, sein alter Klub RFC Lüttich ihn aber trotz abgelaufenen Vertrages nicht gehen lassen wollte. Der Grund: Bosmans Wunschverein wollte nicht den Preis zahlen, den Lüttich verlangte. Bosman zog vor Gericht und erstritt ein wegweisendes Urteil. Heute ist der Belgier 51 Jahre alt.