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Bosnien Rechtsextremismus

25. November 2011

In Bosnien ist Rechtsextremismus präsent und richtet sich vornehmlich gegen Angehörige anderen Glaubens und anderer Ethnie. Das Problem wird kaum thematisiert. Im Gegenteil: Politiker schüren oftmals diese Ideologie.

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Blick auf Sarajevo, Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, aufgenommen am 14.11.2006. Die Stadt hat 297.512 Einwohner (2003), im Großraum Sarajevo, der den gesamten Kanton Sarajevo der Föderation sowie das zur Republika Srpska gehörende Istocno Sarajevo (Ost-Sarajevo, bis 2004 Srpsko Sarajevo/Serbisches Sarajevo) umfasst, leben fast 450.000 Menschen. Das Stadtzentrum liegt 511 Meter über dem Meeresspiegel. Die Vororte reichen hinauf bis auf über 900 Meter. Die die Stadt umgebenden Berge sind bis zu 2.000 Meter hoch. Foto: Matthias Schrader +++(c) dpa - Report+++
Alltag in Bosnien: Religiöse und ethische IntoleranzBild: picture alliance/dpa

In Bosnien gibt es verschiedene Gruppierungen, deren Ideologie sich gegen Andersdenkende und Andersgläubige richtet. Nicht selten sind Anhänger ultranationalistischer und rechtsradikaler Ideen in politischen Parteien aktiv – und dort einflussreich: So gibt es bis heute in Bosnien kein Gesetz gegen eine Leugnung des Holocausts oder des Völkermords. Für Salih Foco, Professor an der Uni in Sarajevo, ist das ein Beispiel für die enge Verbindung zwischen Politikern und Rechtsextremen in der Serbenrepublik.

Fünf Personen, vier stehend im Hintergrund, eine sitzend im Vordergrund (Foto: DW)
Manche Rückkehrer lassen sich nicht abschreckenBild: Dragan Maksimovic / DW

Die politischen Kräfte in Bosnien schüren laut Foco eher Konflikte zwischen den dort lebenden Ethnien. So beriefe sich gerne die Führung der Serbenrepublik auf Dayton. Das Friedensabkommen von 1995 beendete den Krieg zwischen den verfeindeten Kriegsparteien, den Bosniaken (bosnische Muslime), Kroaten und Serben. Als Kompromiss wurde das Land in zwei Teilstaaten, die sogenannten Entitäten, geteilt, die praktisch eigenstaatlich sind. So entstand die von Bosniaken und Kroaten dominierte Föderation Bosnien und Herzegowina sowie die mehrheitlich von Serben bewohnte Republika Srpska. Die politische Führung der Serbenrepublik benutze rechtsextreme Gruppierungen, um die Rückkehr der im Krieg geflohenen, zumeist bosniakischen Flüchtlinge zu verhindern. Damit würden sie auch vermeiden, dass die Ethnien in Bosnien wieder dort siedelten, wo sie auch vor dem Krieg gewohnt hätten, behauptet Foco.

Importiertes Problem

Wahhabiten bei einem Protestmarsch in Sarajevo (Foto: dpa)
Wahhabiten sind selbst für Muslime problematischBild: picture-alliance/dpa

Foco glaubt, dass der Rechtsextremismus aus der Region und aus den arabischen Ländern nach Bosnien eingeführt wurde. Er nennt vor allem die Tschetnik-Bewegung aus Serbien und die Ustascha-Bewegung aus Kroatien sowie die Wahhabiten aus dem arabischen Raum. "Der Krieg und die wirtschaftliche Krise haben das Land anfällig für Manipulationen gemacht. Extremistische Gruppen, die hier wirken, möchten Europa destabilisieren und die Normalisierung der Lage in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien verhindern", meint Foco.

Mustafa Karahmet, Journalist aus Sarajevo, warnt ebenfalls vor dem Extremismus der Wahhabiten in Bosnien. Deren radikale Doktrin richte sich auch gegen Muslime als Religionsgemeinschaft, die sie auf den "rechten Weg" zurückbringen möchten. Karahmet erinnerte auch an die jüngsten Anschläge auf eine Polizeistation in Bugojno und auf die US-Botschaft, die der rechtsextremen Szene zugeschrieben werden, sowie an den Angriff auf die Veranstalter des Queer-Festivals, ein Treffen von Lesben und Schwulen in Sarajevo.

Extremismus schafft neuen Extremismus

Erreger auf einem Nährboden (Foto: Robert Koch Institut)
Extremismus zersetzt eine GesellschaftBild: Robert Koch-Institut

Der Rechtsextremismus beeinflusse die liberal-demokratischen Kräfte auf dem West-Balkan negativ, sagt im Interview mit DW-WORLD.DE Ivo Goldstein von der Philosophischen Fakultät in Zagreb: "Dieser Extremismus zerstört durch seinen Hass und seine Missachtung anderer Religionen und Ethnien das gesellschaftliche Geflecht des betroffenen Staates. Zugleich wird die Normalisierung der Beziehungen zu den Nachbarländern erschwert."

Darüber bilde der Extremismus den Nährboden für neue extremistische Gruppierungen. Dies sei charakteristisch für die meisten Länder im Westbalkan, so Goldstein. Er warnt davor, dass der Extremismus in Bosnien die Ethnien und Religionsgemeinschaften durchsetze und eine Atmosphäre schaffe, in der kein Raum bleibe für Selbsterkenntnis und Vergangenheitsbewältigung. Dies führe "dann zu einer vertrackten Situation, in der keine Seite mehr nachgeben will".

Autor: Samir Huseinovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Robert Schwartz