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Die 12. Staffel Dschungelcamp läuft.

Silke Wünsch
25. Januar 2018

Millionen Fans schauen jedes Jahr im Januar zu, wie zwölf Kandidaten für eine TV-Show im Dschungel ihre Würde aufgeben. Silke Wünsch meint: Die Zwölf wissen, was sie da tun - und deswegen darf man auch über sie lachen.

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Deutschland Dschungelkönig Menderes Bagci
Dschungelkönig 2016: Der knuffige Menderes Bagci verdient jetzt Geld mit Auftritten in DiscothekenBild: picture-alliance/dpa/RTL/S. Menne

Die Kandidaten, die zwei Wochen lang im australischen Dschungel um den Titel "Dschungelkönig" kämpfen, sind zwölf Menschen, die irgendwann in ihrem Leben mal am Showbiz geschnuppert haben. Mal mehr, mal weniger. Es sind Ex-Teilnehmer von Castingshows. Ehemalige Fußballspieler. Models, Skandalnudeln, gealterte Popstars oder Schauspieler. Sie haben eins gemeinsam: Sie verdienen viel Geld für ihren Einsatz im Dschungel. Und dafür nehmen sie in Kauf, dass sie bei ihren Dschungelprüfungen rohe Tierhoden und lebendes Gewürm verspeisen müssen. Oder in dunklen Höhlen von furchtbaren Spinnen, Millionen Kakerlaken und anderen bösartigen Insekten angefallen werden.

"Menschenzoo"

Jedes Jahr aufs Neue finden die Redakteure des TV-Senders RTL genügend freiwillige B-, C- oder auch Z-Promis, die mitmachen wollen und knobeln mit Hilfe von Psychologen aus, welche zwölf Kandidaten sie im Dschungel aufeinander loslassen werden. Konstante Faktoren in diesem "Menschenzoo": Die Zicke. Die Nervensäge. Die Camp-Mutti. Das Weichei. Der Freak. Trotz aller Berechnung sind immer wieder Überraschungen dabei. Wollte es 2016 nicht wirklich zwischen den Kandidaten knallen, weil alle viel zu friedlich gestimmt waren, hatten die Macher für 2017 ein - vermeintlich - besonders explosives Gemisch zusammengestellt. 

Daniel Hartwich und Sonja Zietlow moderieren das Dschungelcamp
Daniel Hartwich und Sonja Zietlow sind auch in diesem Jahr wieder das rotzfreche Moderatorenpaar, das an keinem Kandidaten ein gutes Haar lassen wirdBild: picture-alliance/dpa

Explosiv war da allerdings nicht viel - Zickenkrieg: Fehlanzeige! Stattdessen zog eine neurotische Nervensäge am Geduldsfaden der Zuschauer. Und in der aktuellen Staffel haben sich alle furchtbar lieb und wahnsinnig viel Verständnis füreinander. Obwohl es so wenig zu essen gibt... Da muss sich der Sender RTL noch was Böseres als Zigarettenverbot für die Raucher einfallen lassen, damit es im Camp mal ordentlich kracht. 

Eine TV-Sendung spaltet Deutschland

Ob langweilig oder nicht: Kein Fernsehformat spaltet die Nation so wie dieses. Das "Dschungelcamp" - oder wie es richtig heißt: "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" - ist für die einen Fernsehunterhaltung auf niedrigster Stufe, andererseits wurde die Sendung schon für den renommierten Grimmepreis vorgeschlagen. Beide Seiten haben Recht. Unser Niveau sinkt in der Tat stark, wenn wir den Protagonisten dabei zusehen, wie sie sich im Schlamm wälzen, unaussprechliche Dinge essen oder über andere Camp-Bewohner lästern. Es geht an die Grenzen der Geschmacklosigkeit und der Fremdschämfaktor ist extrem hoch. Im Grunde genommen müsste man der Sendung jegliche kulturellen Bezüge absprechen. Psychologen und Soziologen erklären in regelmäßigen Abständen, warum wir einerseits so fasziniert und andererseits so abgestoßen sind. 

Dirk Bach und Sonja Zietlow
Das Grimme-Institut wollte die letzte Staffel, die der 2012 verstorbene Dirk Bach moderiert hat, auszeichnenBild: picture-alliance/dpa

Das Grimme-Institut jedoch fand sehr wohl einen kulturellen Bezug: 2013 nominierte es das "Dschungelcamp" in der Unterhaltungskategorie, weil es ein "gruppenpsychologisches Experiment sei und aufgrund seiner Überraschungen spannend bis zum Ende", so damals die Begründung des Grimme-Direktors Uwe Kammann. Er lobte auch die Inszenierungen, die Moderationen, die Kamerafahrten, den dramaturgisch geschickten Zusammenschnitt. Verteidiger der Hochkultur konnten es nicht fassen und schwangen empört die Moralkeule - doch im Grunde haben die Grimme-Leute doch recht: Das Format ist trotz seiner Umstrittenheit perfekt gemachtes Unterhaltungs-Fernsehen.

Exzellente Musikauswahl

Den Grimmepreis hat das "Dschungelcamp" letztendlich nicht gewonnen. Doch die Fans sind ihm treu geblieben. Auch wegen dem, was außer den Szenen aus dem Camp und den bösartigen Zwischenmoderationen noch geboten wird: Die Musikredakteure leiten hervorragende Arbeit bei der Auswahl der Stücke, mit denen sie passgenau die Szenen untermalen. Aktueller Mainstream wird da eher spärlich eingesetzt, stattdessen gibt es immer wieder Songperlen, die den Musikkenner in Entzücken versetzen.

Für weiteren Spaß sorgt der Hashtag#ibes auf Twitter. Die Kommentare der User übertreffen sich in Witz, Ironie und Gehässigkeit. Was die Kritiker regelmäßig auf den Plan ruft: Es sei niederträchtig und völlig niveaulos, sich auf Kosten derer, die aufgrund finanzieller Notlagen in den Dschungel gehen, zu amüsieren.

Zu nichts anderem aber ist dieses Format erfunden worden und läuft nicht nur im Deutschen Fernsehen, sondern auch in Großbritannien (dort kommt es her), Rumänien, Ungarn, den Niederlanden, Dänemark - und selbst in Australien. Funfact: Die Australier drehen nicht im eigenen Land, sondern im Krüger Nationalpark in Südafrika. Gelaufen ist das Format auch in Frankreich, Schweden, in den USA und in Indien.

Die Kandidaten wissen, was sie da tun

Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! Dschungelprüfung
Kandidaten, die dem Zuschauer nicht gefallen, werden gerne in die Ekelprüfungen geschicktBild: RTL

Ob aus finanzieller Notlage heraus oder in der Hoffnung, der Karriere nochmal einen Schub zu geben: Wer nach elf Jahren Dschungelcamp noch nicht gemerkt hat, auf was er sich da einlässt, dem ist auch dann nicht mehr zu helfen, wenn die halbe Nation empört wegguckt.

Die Zuschauer sind durchaus geneigt, einem netten, sympathischen Kandidaten ihre Gunst zu erweisen. So konnte 2016 das Busenwunder Sophie Wollersheim durch ihre ehrliche Art punkten, der bescheidene und sympathische Menderes Bagci wurde zum Sieger gekürt. Wer sich aber schlecht benimmt, intrigant und hinterhältig ist, der wird von den Zuschauern bestraft, in die übelsten Prüfungen geschickt und fliegt dann über kurz oder lang raus. Denn die Zuschauer entscheiden letztendlich, wen sie sehen wollen. Und das sind in der Regel die Guten.

Unterm Strich hat die Teilnahme noch keinem dieser "Stars" geschadet. Denn nach ihrem Dschungelurlaub werden die meisten Kandidaten regelmäßig in die Formate zurück geholt, aus denen sie einst gekommen sind - wenn sie sich im Dschungel besonders hervorgetan haben. Wichtig für ihre weiteren Auftritte in der Öffentlichkeit sind die Spuren, die die Camper hinterlassen, egal ob als Kotzbrocken oder Sympath - dementsprechend werden sie gebucht. Der Titel "Dschungelkönig" ist dagegen so viel wert wie eine Kakerlake bei einer Dschungelprüfung.