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Brandchaos: Medwedew feuert ranghohe Offiziere

4. August 2010

In Russland sind auch Militärbasen und Atomanlagen durch die Brandkatastrophe bedroht. Kremlchef Medwedew setzte Top-Offiziere ab, denen er Versagen vorwirft. 10.000 Soldaten sollen jetzt gegen die Flammen kämpfen.

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Medwedew mit Minister Schoigu (Foto: AP)
Medwedew profiliert sich als Krisenmanager: Hier mit Katastrophenminister SchoiguBild: AP

Die politischen Führer in Moskau wollen Kritik an ihrem Krisenmanagement erst gar nicht aufkommen lassen und Zweifel im Kampf gegen die landesweite Brandkatastrophe von vornherein ausräumen: Staatschef Dmitri Medwedew kanzelte am Mittwoch (04.08.2010) vor laufender Kamera Spitzenoffiziere ab, Ministerpräsident Wladimir Putin reiste noch einmal selbst ins Krisengebiet, um Helfern und Opfern Unterstützung zu versprechen.

Die Zahl der Soldaten im Einsatz gegen die Flammen wurde vom Verteidigungsministerium auf 10.000 verdoppelt. Sie sollen Brandschneisen anlegen und Wasserleitungen bauen. Viele Menschen, vor allem auf dem Land, blieben weiter auf sich selbst gestellt.

"Risiko atomaren Unfalls gebannt"

Kremlchef Medwedew ordnete die Entlassung des Chefs der Marineflieger sowie mindestens sieben weiterer Offiziere an, "wegen disziplinarrechtlicher Gründe". Er zog damit umgehend Konsequenzen aus Berichten vom Vortag, nach denen ein Marine-Nachschubstützpunkt nahe Moskau größtenteils niedergebrannt ist und hunderte Lager mit angeblich 65.000 Tonnen Militärgütern vernichtet wurden. Zerstört wurden nach unbestätigten Meldungen auch Flugzeuge und Hubschrauber.

Drei Personen versuchen sich vor Rauch zu schützen (Foto: AP)
Die Wälder brennen lichterloh: Feuer und Rauch treiben Tausende in die FluchtBild: AP

Medwedew sprach bei einem Sondertreffen des nationalen Sicherheitsrats in Moskau von "krimineller Fahrlässigkeit". Ultimativ erinnerte er Marineadmiral Wladimir Wysotzky und dessen Stellvertreter Alexander Tatarinow an ihre "professionelle Verantwortung" und sprach eine formelle Verwarnung aus.

Weiterhin hochbrisant blieb die Lage um die Atomanlage in Sarow. Alles radioaktive und explosive Material sollte aus der geheimen Forschungsanlage entfernt werden, während die Flammenfront näherrückte. Selbst bei einer "Extremsituation" bestehe nun kein Risiko eines atomaren Unfalls mehr, beteuerte der Chef der Atomenergiebehörde ROSATOM, Sergej Kirjenko, bei der Moskauer Krisensitzung.

Auch Putin muss sich Kritik stellen

Putin schüttelt Helfern die Hand (Foto: AP)
Putin erneut vor Ort im KatastrophengebietBild: AP

Regierungschef Putin traf sich in der schwer geschädigten Region um Woronesch mit Opfern der Katastrophe sowie Feuerwehrleuten und anderen Löschkommandos. Er bezeichnete die Lage als "angespannt und gefährlich". Auch Putin und seine Minister werden kritisiert, zu langsam und zu spät reagiert zu haben.

So sei unter der Präsidentschaft Putins 2006 der Schutz der riesigen russischen Forstgebiete dezentralisiert und zu wirtschaftlichen Zwecken gelockert worden. Zum Beispiel habe man die 70.000 Waldhüter abgeschafft, die jeden Brand sofort gemeldet hätten, beklagen Experten. Auch kremltreue Kräfte hätten das Forstgesetz schon damals als "gefährlichen Brandzünder" bezeichnet, heißt es in Pressekommentaren.

Moskau versinkt im Smog

Von größeren Erfolgen im Ringen mit der schlimmsten Naturkatastrophe in Russland seit Jahrzehnten gab es keine Berichte. Laut nationalem Krisenzentrum kamen sogar mehr als 400 Brände unterschiedlicher Dimensionen hinzu. Katastrophenminister Sergej Schoigu musste nach tagelangen gegenteiligen amtlichen Beteuerungen jetzt zugeben, dass einige Feuer weiterhin außer Kontrolle seien. Die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens 48. Hilfsorganisationen rechnen aber mit deutlich mehr Opfern.    

In der Zehn-Millionen-Hauptstadt Moskau drang der beißende Smog bis in die U-Bahn vor. Einwohner klagten angesichts der Schadstoffbelastung über Atemnot, Übelkeit und Augenreizungen.

Erstmals gab es auch Berichte über die Zerstörung wertvoller Kulturschätze. In dem Dorf Jewlaschewo im Gebiet Pensa - etwa 560 Kilometer südöstlich von Moskau - brannte eine russisch-orthodoxe Holzkirche mit Ikonen und Altar aus dem 19. Jahrhundert nieder.  

Autor: Siegfried Scheithauer (afp, rtr, apn, dpa)
Redaktion: Sabine Faber

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