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Brasilianischer Fußball in der Filmdose

Soraia Vilela20. Juni 2006

Eine Filmreihe in Berlin zeigt, wie das Spiel mit dem Ball die brasilianische Filmgeschichte begleitet hat. Von alten historischen Aufnahmen bis zu außergewöhnlichen Filmessays ist für jeden Geschmack etwas dabei.

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Szene aus "Ginga"Bild: presse
Fernando Meirelles, Regisseur des Films City of God
Fernando MeirellesBild: AP

"Die Idee ist, Aspekte der brasilianischen Kultur durch die Geschichte des Fußballs zu beleuchten -und auch die Welt der Fans, deren Verhältnisse zum Sport voller Leidenschaft, Schmerz und Freude sind, zu zeigen" - so erläutert die Kuratorin Camilla Ribas das Konzept der Filmreihe, die noch bis zum 3. Juli in Berlin die Rolle des Fußballs in der brasilianischen Filmgeschichte beleuchtet. Ribas und die anderen Organisatoren hoffen auf die Lust des Zuschauers, zwischen den WM-Spielen auch mal wieder ins Kino zu gehen.

Die Vielfalt der Filmproduktion zeigt, wie das Kicken auf dem grünen Rasen immer wieder Inspirationsquelle für brasilianische Regisseure war. Die ersten bekannten Fußballaufnahmen sind in einer im Jahr 1908 produzierten Dokumentation eines Duells zwischen der brasilianischen und der argentinischen Mannschaft zu sehen. Seitdem ist Fußball ein immer wiederkehrendes Thema der brasilianischen Filmgeschichte.

Der alte Held Friedenreich

In der Übergangszeit zum Tonfilm ist auch "O Campeão do Futebol" (Der Fußballchampion) entstanden, der den deutschstämmigen Brasilianer und Fußballpionier Arthur Friedenreich portraitiert, aber in Berlin nicht zu sehen ist. "Leider sind viele historischen Aufnahmen zum Teil beschädigt oder sogar in verschiedenen Archiven verschollen, da die Aufbewahrung von alten Filmen in Brasilien sehr problematisch ist", sagt die Kuratorin Ribas.

Um die Entscheidung zu treffen, welche von den vielen Spiel- und Dokumentarfilmen in Deutschland gezeigt werden sollten, haben Ribas und ihre Kollegen fast einhundert Streifen gesichtet. In der endgültigen Auswahl blieb zum Beispiel "Todo Mundo" (Alle). "Das ist ein visuelles Spektakel, in dem der Regisseur Thomaz Farkas die Emotionen der Fußballfans mit klinischem Blick untersucht", erklärt Ribas.

"Das Leben nicht ernst nehmen"

Unter den Höhepunkten der Filmreihe ist auch "Subterrâneos do Futebol" (Fußball von unten), ein im Jahr 1968 gedrehter Dokumentarfilm, der die Brot-und-Spiele-Funktion des Fußballs für die Massen analysiert und für den Gilberto Gil, der heutige brasilianische Kulturminister, den Soundtrack komponierte.

Auf dem deutschen Markt als DVD kurz vor der WM erschienen und in der Berliner Filmreihe präsent ist der schnell geschnittene Dokumentarfilm "Ginga". Die Regie führte neben Marcelo Machado und Tocha Alves der in São Paulo lebend deutsche Regisseur Hank Levine. Produzent ist Fernando Meirelles, Regisseur von "City of God" und "Der ewige Gärtner".

"Ginga" hat als roten Faden eine Graffiti-Landkarte und erzählt aus diesem Bild heraus die Biografie von mehreren anonymen Fußballspielern aus verschiedenen Regionen Brasiliens, die vom Leben der Stars wie Ronaldo oder Ronaldinho träumen.

Improvisation und Kreativität

Vor dem Nachspann ist auf der Leinwand zu lesen: "Ginga bedeutet, das Leben nicht ernst zu nehmen, Belastungen mit dem richtigen Gebrauch von Zehen, Fersen und Hüften entgegenzutreten". Das Wort wird im brasilianischen Portugiesisch mit einer fast tänzerischen Art zu Laufen assoziiert.

Es bedeutet Improvisation und weist auf "Kreativität" hin, sagt Fernando Meirelles. "Ginga ist verantwortlich für viele gute Aspekte der brasilianischen Gesellschaft, wie zum Beispiel für die Idee, Biobrennstoff zu produzieren".

Der Dokumentarfilm lässt interessanterweise die Armut und Gewalt in den Armenvierteln, in denen viele der portraitierten Fußballspieler leben, unbeachtet. "Die Gewalt ist enorm, aber sie ist eine Ausnahme. Europa sieht häufig unsere Armut, weil diese eine andere Realität darstellt als die europäische. Die Misere ist entsetzlich, aber sie ist nicht die Regel in Brasilien. 'City of God' sprach genau über diese Schattenseite der Gesellschaft, was nicht heißt, dass es der Realität im ganzen Land entspricht", sagt Meirelles.

Fußball von unten

"Gerade die Brasilianer aus den Unterschichten sind häufig großzügiger, fröhlicher und bereiter, neue Wege zu gehen"", sagt der Regisseur Marcelo Machado. "Brasilien hat viel mehr als Slums und Drogenhändler."

Und warum bringt "Ginga" die großen Helden - abgesehen von Robinho - nicht auf die Leinwand? "Wir haben versucht, das Leben der Kinder zu schildern, die vom Ruhm und Reichtum der Großen nur träumen", erklärt Machado. "Wir haben versucht, Aspekte zu zeigen, die dem Zuschauer, der nur die Ronaldos kennt, unbekannt bleiben. Wir versuchen daran zu erinnern, dass das Talent von den Straßen kommt, von den Bolzenplätzen, aus den Amateurmannschaften und aus unserer Leidenschaft für den Fußball".

Die Filmreihe Futebol na Lata (Fußball in der Filmdose) ist bis zum 3.7.2006 im Berliner Kino Babylon-Mitte zu sehen.