1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Flüchtlinge aus Haiti

15. Januar 2012

Angelockt vom Wirtschaftboom sind über 4.000 Haitianer illegal nach Brasilien eingereist. Jetzt versucht die brasilianische Regierung, die Grenzen zu schließen und die Einwanderung zu kontrollieren.

https://p.dw.com/p/S6O6
Kinder spielen in einem Flüchtlingscamp in Port-au-Prince Fußball (Foto: ddp)
Heimatlos nach dem Erdbeben: Notunterkünfte in HaitiBild: AP

Sie nutzen die verschlungenen Pfade des Drogenhandels im Amazonas-Dschungel: Flüchtlinge aus Haiti, die illegal nach Brasilien einreisen wollen. Sie zahlen mehr als 1.000 US-Dollar, manchmal sogar 5.000, für eine Reise bis zur Grenze. Von dort aus nutzen viele die Dienste der so genannten "Kojoten", um illegal ins Land zu kommen. "So berichten es die Flüchtlinge selbst. Sie wenden sich an Leute, die die Pfade des Drogenhandels kennen, oft Dealer. Und wenn sie brasilianisches Territorium erreicht haben, bitten sie um Zuflucht", erzählt Ricardo Gralha Massia, Staatsanwalt des Bundesstaates Acre im Nordwesten von Brasilien.

Jean-Philippe Chauzy, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (Foto: IOM)
Jean-Philippe Chauzy, Sprecher der Internationalen Organisation für MigrationBild: IOM

Der Fluchtweg verläuft über die Dominikanische Republik, Panama, Ecuador, Kolumbien, Peru und Bolivien. Die illegale Einreise nach Brasilien geschieht in Tabatinga, im Bundesstaat Amazonas, an der Grenze zu Kolumbien und Peru, und in Assis Brasil in Acre, an der Grenze zu Bolivien. Brasilien ist jedoch nicht das einzige Ziel haitianischer Flüchtlinge. Viele gehen in die Dominikanische Republik oder versuchen, mit Booten die USA zu erreichen - landen aber in Kuba, auf den Bahamas oder anderen karibischen Inseln. Diese Informationen stammen von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit Sitz in Genf, die die Migrationsbewegungen auf der ganzen Welt verfolgt. Wie viele Haitianer insgesamt ihr Land verlassen, ist nicht bekannt. "Dass Brasilien als Ziel gewählt wird, hat natürlich damit zu tun, dass das Land ein solides Wirtschaftswachstum aufweist. Es gibt eine große Nachfrage nach Arbeitskräften und mehrere Infrastruktur-Projekte, die derzeit laufen oder geplant sind", so Jean-Philippe Chauzy von der IOM.

Begrenzter Zugang

Die brasilianische Justiz schätzt, dass seit dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010 rund 4.100 Haitianer illegal ins Land gekommen sind. Als die ersten Fälle im Mai 2011 bekannt wurden, schlug die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Acre deswegen Alarm. Mittlerweiler entschied Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, diese Einwanderer zu legalisieren. Laut dem Justizministerium haben bereits 1.600 Haitianer ein Visum über fünf Jahre und damit eine Arbeitserlaubnis bekommen. Die Regierung in Brasília hat zugesagt, den Prozess zu beschleunigen und auch den Status der übrigen haitianischen Immigranten in den kommenden Tagen zu legalisieren.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (Foto: ap)
Will die Einwanderung begrenzen: Präsidentin Dilma RousseffBild: dapd

Doch für Neuankömmlinge will das Land seine Grenzen dicht machen: Die Regierung möchte den Zuzug von Haitianern regulieren und vor allem reduzieren. Die Visa, die zukünftig von der brasilianischen Botschaft in Haiti ausgestellt werden, werden dann von "der Ausübung einer geregelten Arbeit" abhängig sein. Pro Monat sollen hundert Genehmigungen dieser Art ausgestellt werden, mit einer maximalen Gültigkeit von fünf Jahren. Die Betroffenen sollen dann auch die Möglichkeit erhalten, ihre Familie nachzuholen. Die brasilianische Regierung bemüht sich, angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage der haitianischen Flüchtlinge nicht gleichgültig oder unnachgiebig zu wirken. "Aber wer kein Visum hat, wird nicht nach Brasilien einreisen können", erklärt der brasilianische Justizminister José Eduardo Cardozo. "Wir müssen diese illegalen Pfade der Einwanderung und die Machenschaften der Menschenschmuggler bekämpfen", fügt er hinzu.

Leben in Brasilien

Unter den Flüchtlingen sind Universitätsprofessoren, Zahnärzte und Fachkräfte. Ohne Geld und ohne Papiere fristen diese Immigranten ihr Dasein in den Grenzstädten. In Brasiléia zum Beispiel, einer Stadt mit 21.000 Einwohnern, ist die Situation alarmierend. Der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Acre zufolge wohnen dort derzeit mehr als 635 Haitianer in Unterkünften, die eigentlich nur für 100 Personen ausgelegt sind.

Von Brasília aus beobachtet die Vertretung des UN-Flüchtlingskommissariats den Fall. Ihr zufolge kommt von der Landesregierung Schritt für Schritt Hilfe. Einige brasilianische Bauunternehmen rekrutieren inzwischen Haitianer für die Arbeit auf Baustellen. Andere haben Beschäftigung in Restaurants oder kleinen Unternehmen gefunden. "Diese Immigranten kommen auch mit dem Bild im Kopf nach Brasilien, dass die Regierung bei der UN-Mission in Haiti beim Wiederaufbau mithilft. Und sie haben den Eindruck, dass Brasilien ein Ziel mit viel Potenzial ist, wo sie Arbeit finden können", erläutert Jean-Philippe Chauzy.

Autorin: Nádia Pontes

Redaktion: Friederike Schulz