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Breivik zum Vorbild?

Ralf Bosen20. März 2012

Im Vorgehen gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Anschlägen in Frankreich und dem Anschlag des Einzeltäters Anders Breivik in Norwegen, meint der Sicherheitsexperte Joachim Krause im DW-Interview.

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Tatort jüdische Schule (Foto:dapd)
Bild: AP

Die französischen Behörden suchen nach dem Täter der Anschläge auf eine jüdische Schule in Toulouse am Montag (19.03.2012). Dabei sind drei Kinder und ein Lehrer ermordet worden. Der gleiche Täter soll wenige Tage vorher in der Region drei ausländischen Soldaten erschossen haben.

Deutsche Welle: Herr Professor Krause, Präsident Nicolas Sarkozy hat die höchste Terrorwarnstufe für den Großraum Toulouse ausgerufen. Alle jüdischen und moslemischen Einrichtungen werden nun besonders gesichert. Es ist das erste Mal, dass in Frankreich die höchste Alarmstufe ausgerufen wurde. Wie erleben Sie Frankreich derzeit im Kampf gegen den Terror?

Joachim Krause: Das Land ist durch diese Terroranschläge jetzt natürlich erschrocken. Und es ist klar, dass die Politik mit symbolisch großen Schritten vorangeht. Aber wichtig ist, dass jetzt erstmal festgestellt wird, wer diese furchtbaren Anschläge verursacht hat. Die Anschläge sind ja alle mit der gleichen Waffe verübt worden. Es gibt im Augenblick eine Spur, die auf drei Personen hinweist, die früher in der französischen Armee waren. Man wird sehen, ob diese Spur heiß ist, oder ob möglicherweise doch ganz andere Ermittlungen anzustellen sind.

Joachim Krause (Foto: privat)
Der Sicherheitsexperte Joachim Krause von der Universität KielBild: privat

Die französische Regierung geht von einer rassistischen Motivation aus. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Im Augenblick sieht es danach aus, aber es kann sein, dass diese Spur doch nichts ist. Und dann muss man wieder nach anderen Motiven suchen. Es kann auch durchaus sein, dass die Täter aus dem islamistischen Milieu kommen. Das kann man im Augenblick nicht ausschließen. Das wird man vielleicht bald etwas besser wissen.

Bleiben wir bei einem möglichen rechtsradikalen Hintergrund. Sind Rassismus und Antisemitismus als mögliche Ursachen für Terror in Frankreich, aber auch in anderen europäischen Ländern, lange unterschätzt und verharmlost worden?

Ich würde nicht sagen, dass sie unterschätzt und verharmlost worden sind. Aber sie sind in den letzten Jahren nicht so in den Vordergrund getreten. Aber wir haben in Norwegen, aber auch bei der Zwickauer Gruppe (ihr werden die Morde an neun Migranten und einer Polizistin in Deutschland zur Last gelegt, Anm. die Redaktion), der NSU, gesehen, dass es durchaus ein Milieu sehr gewaltbereiter Menschen gibt und dass man damit rechnen muss, dass solche Leute Anschläge dieser Art verüben. Das ist ja sehr wahrscheinlich und wir werden sehen, ob das so ist. Dabei könnten widerliche Sachen herauskommen.

Sie haben es eben teilweise angesprochen. Es gibt mögliche Parallelen zu den Anschlägen in Norwegen und zuletzt in Deutschland. Vielleicht auch im Vorgehen. Wie sehen Sie das?

Ja, ich sehe durchaus Parallelen mit dem Vorgehen von Anders Breivik in Norwegen. Dass man Kinder erschießt, weil sie sozusagen die nachwachsende Generation einer anderen Rasse oder einer anderen Religion sind. Das hat sich jemand möglicherweise zum Vorbild genommen und das finde ich ganz furchtbar.

Sarkozy mit weiteren Politikern vor der jüdischen Schule. (Foto: dapd)
Frankreichs Präsident Sarkozy beim Besuch der Schule in Toulouse.Bild: AP

Frankreich könnte ja auch Ziel islamistischer Terroristen sein. Vor allem weil es mit Großbritannien ein Partner der USA im Kampf gegen den Terror ist. Wie hoch schätzen Sie die islamistische Terrorgefahr in Frankreich ein?

Als sehr groß. Frankreich ist natürlich im Visier der Al Kaida im Magreb und es kann sein, dass die Taliban, die die Franzosen aus Afghanistan raus haben wollen, Anschläge in Frankreich geplant haben. Es gibt Verbindungen, es gibt Zellen in Frankreich und insofern wird man diese Spur natürlich auch mit großer Intensität in Frankreich verfolgen und untersuchen, ob die Attentäter möglicherweise aus dieser Ecke kommen.

Norwegen, Deutschland, jetzt Frankreich - Terrorakte in ganz Europa. Wie sehen Sie die Rolle der Europäischen Union in dieser Beziehung? Müssten Anti-Terror-Maßnahmen von Brüssel aus noch mehr koordiniert werden?

Das glaube ich nicht. Inzwischen ist ein sehr hohes Maß an Kooperation erreicht worden und man kann durch mehr Koordination jetzt auch nicht viel mehr erreichen. Die Probleme liegen häufig darin, dass die Koordination immer am Datenschutz und rechtlichen Bedingungen scheitert. Erstmal kommt es darauf an, herauszufinden, wer diese Täter waren. Möglicherweise sind das Täter, die in einem lokalen Umfeld zu suchen sind. In diesem Fall wird man mit Koordination nicht viel erreichen können. Koordination ist dann wichtig, wenn die Tätergruppen transnational operieren. Wenn sie von einem Land zum anderen wechseln und wenn sie versuchen, durch Grenzübertritte die Verfolgung zu erschweren. Dann muss man die Koordination erhöhen. Da sehe ich im Augenblick, gerade wenn wir die Spur des rechtsradikalen Extremismus nehmen, noch nicht den großen Bedarf, weil sowohl Herr Breivik als auch die Zwickauer Zelle lokale Ereignisse waren. Möglicherweise ist das in Frankreich auch ein lokales Ereignis, wenn sich die Hypothese bestätigen sollte, dass es aus dem rechtsradikalen Milieu kommt.

Die Anschläge haben die französische Bevölkerung tief geschockt. Was macht ein solcher Terror-Anschlag mit einer Gesellschaft?

Natürlich ist die Gesellschaft erst einmal betroffen und es werden viele Ereignisse zelebriert, um das auszudrücken. Aber man muss ganz ehrlich sein, nach einiger Zeit ist das kollektive Vergessen da und es bleiben die Angehörigen zurück, die natürlich den Tod ihrer nahen Angehörigen nie überwinden werden. Es ist aber eine ganz natürliche Folge, dass kollektiv schnell vergessen wird.

Professor Joachim Krause ist Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik der Universität Kiel.