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Menschenrechtspreis für Traumatherapeutin

10. März 2015

Vor über 20 Jahren überlebte sie den Völkermord in Ruanda. Heute hilft sie in Deutschland Flüchtlingen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Für ihre Arbeit wurde Esther Mujawayo-Keiner jetzt ausgezeichnet.

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Esther Mujawayo-Keiner (Foto: dpa)
Bild: Dieter Nagl/AFP/Getty Images

Die Trauma-Therapeutin Esther Mujawayo-Keiner aus Ruanda ist mit dem 14. Bremer Solidaritätspreis ausgezeichnet worden. Er würdigt ihre Arbeit mit Opfern des Völkermords in Ruanda und mit traumatisierten Flüchtlingen aus aller Welt. Bürgermeister Jens Böhrnsen überreichte ihr die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung im Bremer Rathaus. Die 55-Jährige sei "Stellvertreterin für Hoffnung und die Kraft des Lebens", sagte Böhrnsen.

Die Therapeutin, Soziologin und Autorin Mujawayo-Keiner engagiert sich in verschiedenen ruandischen Frauenorganisationen. Sie ist Mitbegründerin der Menschenrechtsorganisation AVEGA in Ruanda. Die "Vereinigung der Witwen des Völkermordes von 1994" kümmert sich unter anderem um die gesundheitliche Versorgung und Rehabilitation der Witwen des ruandischen Genozids. Seit 1999 lebt sie in Deutschland; sie arbeitet in Düsseldorf am Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge.

"Statt Rache zu üben oder verhärtet zu sein, hat Esther entschieden, sich für vergewaltigte und HIV-positive Frauen einzusetzen", sagte die Frauenrechtlerin Monika Hauser in ihrer Laudatio. Mujawayo-Keiner habe die Kraft gehabt, über traumatisierende Erlebnisse zu reden, und daraus menschliche Solidarität entwickelt, betonte Hauser, die die Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale gegründet hat.

Unfassbare Erlebnisse

1994 hatten radikale Hutu-Milizen in Ruanda innerhalb von 100 Tagen bis zu eine Million Angehörige der Tutsi-Minderheit und moderate Hutu brutal ermordet. Nach UN-Angaben wurden während des Völkermordes bis zu eine halben Million Frauen vergewaltigt. Während des Genozids hatte Mujawayo-Keiner selbst Unfassbares erlebt: Ihr Ehemann, ihre Eltern und ihre Geschwister wurden getötet. Mit Blick auf AVEGA sagte sie nun in Bremen: "Aus der stinkenden Vergangenheit züchten wir die schönsten Kürbisse."

Die Laudatorin Hauser mahnte, der Genozid wirke fort und werde an die nächste Generation weitergegeben. Viele Überlebende litten noch immer unter psychosomatischen Störungen oder langjährigen Depressionen. Frauen mit Kindern, die durch eine Vergewaltigung gezeugt worden seien, würden ausgegrenzt. Als "Feindes"-Kinder würden sie in Schulen und Gemeinden benachteiligt. Ehemänner hätten ihre vergewaltigten Frauen verstoßen, und diese hätten kaum Chancen auf eine neue Ehe. Trotzdem tue sich die internationale und auch die deutsche Politik nach wie vor schwer, offen über Vergewaltigungen als Kriegswaffe zu sprechen.

Gedenkfeier in Kigali anlässlich des 20. Jahrestages des Völkermordes am 7. April 2914 (Foto: Getty)
Gedenkfeier in Kigali anlässlich des 20. Jahrestages des Völkermordes am 7. April 2914Bild: Getty Images

Der Bremer Solidaritätspreis wird alle zwei Jahre verliehen. Er soll Personen und Initiativen ermutigen, die sich für Menschenrechte und Demokratie sowie gegen im Kampf gegen die Folgen von Kolonialismus und Rassismus engagieren. 2013 ging die Auszeichnung an die Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar, die auch als "Gandhi der Westsahara" bezeichnet wird. Erste Preisträger waren 1988 Nelson und Winnie Mandela aus Südafrika.

stu/wl (epd, kna)