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Politik

Brexit: Diese Szenarien sind denkbar

22. Januar 2019

Die Lage scheint festgefahren: Die britische Premierministerin May stößt mit ihren Vorschlägen sowohl im Unterhaus als auch bei der EU auf Ablehnung. Wie geht es weiter, welche Lösungswege sind jetzt noch denkbar?

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Sommergewitter in London
Bild: picture-alliance/empics/L. Whyld

Die Ablehnung von Theresa Mays neuerlicher Rede im britischen Parlament war einhellig und die Reaktion aus Berlin im Ton eher kühl: Man erwarte "dass die britische Regierung sich bald auf Vorschläge einigt, die von einer Mehrheit des Unterhauses unterstützt werden", sagte ein Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel. Doch wie könnte eine solche Lösung aussehen? Derzeit gibt es fünf Szenarien:

Szenario 1: Weiter so!

Für diese Variante steht die Premierministerin Theresa May. Ihre Strategie zielt nach wie vor darauf ab, auf Zeit zu spielen und darauf zu spekulieren, dass das Unterhaus vor der Drohkulisse eines No-Deal-Brexits einlenken könnte. Denn nicht nur IWF-Chefin Christine Lagarde sieht in einem ungeregelten Ausstieg ein "worst case-Scenario", sondern auch die meisten britischen Abgeordneten und die EU. Mays Kalkül ist, dass je näher der Austrittszeitpunkt rückt, desto mehr Abgeordnete sich doch mit dem ungeliebten Deal anfreunden können - und dass die EU eventuell weitere Zugeständnisse macht. Ein klassisches Vabanque-Spiel also.

Szenario 2: Die Uhr anhalten

Der EU-Austritt wird zum 29. März gültig. Doch die ablaufende Uhr, die manche an das Ticken einer Zeitbombe erinnert, kann angehalten werden. Denn der Europäische Gerichtshof hatte erst vor einem Monat entschieden, dass Großbritannien den Brexit noch stoppen könnte. Eine Zustimmung der übrigen EU-Staaten sei dazu nicht nötig. Die Regierung müsste danach lediglich den Austritt nach Artikel 50 der EU-Verträge zurücknehmen. Regierung und Parlament könnten sich – nun im Bewusstsein aller Konsequenzen – einigen und den Artikel dann irgendwann nochmals ziehen. Es wäre eine Notbremsung – und bislang ist Theresa May nicht dazu bereit. Alternativ könnte May die EU um einen Terminaufschub bitten, benötigte aber dazu die Zustimmung Brüssels.

Szenario 3: Parlamentarier übernehmen die Macht

Genervt von Theresa May wollen zahlreiche Unterhaus-Abgeordnete der Regierung die Kontrolle entreißen. Dazu legten Opposition und EU-freundliche Tory-Abgeordnete mehrere Änderungsanträge zu dem "Plan B" vor, den May zuvor ins Parlament eingebracht hatte. Am kommenden Dienstag soll darüber abgestimmt werden. Doch das ist nur ein Zwischenschritt auf der Suche nach einer mehrheitsfähigen Alternative zum Austritts-Deal der Premierministerin, der vergangene Woche mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt worden war. Aber auch hier gilt: Es sind nur noch gut zwei Monate bis zum Austritt.

Szenario 4: Ein zweites Referendum – oder Neuwahlen

Unter den Anträgen ist auch der für ein zweites Referendum. Selbst Labour-Chef Jeremy Corbin rückt anscheinend von seinen Vorbehalten gegen eine weitere Volksabstimmung ab. Doch derzeit gibt es keine Mehrheit im Unterhaus für einen solchen Schritt: May befürchtet eine schwere Vertrauenskrise bei der Bevölkerung, denn die ist in der Brexit-Frage nach wie vor gespalten. Und Neuwahlen fürchten gerade die regierenden Torys wie der Teufel das Weihwasser, denn sie befürchten angesichts des Brexit-Chaos massive Stimmenverluste. Nur deswegen halten sie an May als Regierungschefin fest.

Szenario 5: No Deal - der GAU

Wenn es keine Einigung unter den britischen Abgeordneten gibt, welches Szenario realisiert werden sollte, kommt es am 29. März unweigerlich zum Austritt ohne Vertrag. Dann werden alle gemeinsamen Regeln für den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion hinfällig. An den britischen Seegrenzen und an der Landgrenze in Nordirland werden Kontrollen aufgebaut. Großbritannien gilt dann bis auf Wei­te­res als Drittstaat, der nicht einmal ein Handelsabkommen mit der EU besitzt. Tausende bilaterale Regelungen vom Flugverkehr über Medikamentenzulassungen bis hin zum Aufenthaltsrecht gelten nicht mehr. Es gibt zwar Notfallpläne, die Folgen wären aber unabsehbar.

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus