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Politik

Das Nichts und der Brexit

Barbara Wesel
19. Juni 2018

Zwei Jahre danach nur Rauchzeichen aus London, Theresa May und das magische Geld, ein Bumerang kommt doch zurück und wie ein Brexiteer Wasser predigt und Wein trinkt

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Irland | Werbung für Feurwerkskörper an der inneririschen Grenze
Bild: DW/T. Bielecki

Dies ist die Woche des Brexit-Geburtstags. Am 23. Juni vor zwei Jahren stimmte eine kleine Mehrheit der Briten für den spektakulärsten Akt der politischen Selbstverstümmelung seit der Suez-Krise. So beschreiben es die EU-Freunde, die sich in Geschichte auskennen. In der Zwischenzeit flog David Cameron aus der Regierung und Theresa May kam ins Amt. Sie hat den sogenannten "Willen des Volkes" zum Brexit von ihm geerbt und schenkte uns die einprägsame Definition: "Brexit bedeutet Brexit".

Zwei Jahre später aber sind wir noch nicht viel weiter. May schaffte es, eine unnötige Wahl fast zu verlieren und ist seitdem in einer Endlosschleife von falschen Ansätzen und Verleugnungen gefangen. Ihr Kabinett ist zwischen Brexiteers und Europhilen gespalten, ein Rezept für anhaltenden Stillstand. Brexit-Minister David Davis soll seit Weihnachten ganze zwei Treffen mit EU-Unterhändler Michel Barnier gehabt haben. Davis interessiert sich nicht für Einzelheiten und scheint gelangweilt von der Unbeweglichkeit der EU, die auf Regeln und Verträgen beharrt.

Michel Barnier EU-Chefunterhändler für den Brexit in Irland
EU-Unterhändler Michel Barnier besucht Irland, um seine Unterstützung zu zeigenBild: Reuters/C. Kilcoyne

Alles, was bis heute auf dem Tisch liegt, ist eine Scheidungsvereinbarung mit ein paar entscheidenden Lücken. Und die betreffen vor allem die Frage der irischen Grenze. Ein Problem, das logisch unlösbar ist, wenn das Königreich auf seinen roten Linien besteht, so viel scheint längst klar. Entweder müssen die Iren nach dem Brexit eben eine Grenze zwischen der Republik und Nordirland hinnehmen, oder eine Grenze verläuft in der Irischen See, oder die Briten akzeptieren das Norwegen-Modell. Keine dieser Lösungen ist für May und ihre Brexiteers annehmbar.

Monatelang hat May ihr Kabinett mit zwei Lösungen für die Zollunion spielen lassen, die beide für die EU nicht akzeptabel sind. Ein Weißbuch zum Brexit will sie erst im Juli veröffentlichen, nach dem nächsten EU-Gipfel und fast schon in den Sommerferien. Man kann davon ausgehen, dass auch darin keine Lösungen zu finden sein werden. 

Das Ganze scheint nichts als Spiegelfechterei. Manche sagen, dahinter stecke eine clevere Strategie von Theresa May, mit der sie die Brexiteers an den eigenen Widersprüchen ersticken lassen will. Andere vermuten einfach nur Chaos. Acht Monate vor dem Brexit-Tag ist die Zukunft völlig ungewiss und die Briten wissen nicht einmal, ob Flugzeuge fliegen, Laster über die Grenzen rollen, Ersatzteile geliefert werden und die Krankenhäuser Medikamente erhalten. "Die Uhr läuft", pflegt Michel Barnier dazu zu sagen.  

Twitter Screenshot Metro Newspaper UK zu Theresa May
Die Boulevardzeitung "Metro" verspottet Theresa May und ihr magisches Geld aus dem BrexitBild: Twitter@MetroUKNews

Theresa und das magische Geld

Die verheerendste Überschrift erschien in der harmlosen Pendler-Zeitung "Metro". "Theresa und das magische Geld", schrieb sie auf der Titelseite. Das bezieht sich zunächst auf einen verunglückten Satz aus ihrem letzten Wahlkampf, als May einer unterbezahlten Krankenschwester keine Gehaltserhöhung versprechen wollte: "Ich habe doch keinen magischen Geldbaum". Der Ausdruck wurde Zeichen für ihre Abgehobenheit. Und jetzt hat sie es wieder getan.

Die Premierministerin versprach in einem Wochenend-Interview zusätzliche 20 Milliarden Pfund für das schwächelnde Gesundheitswesen NHS. Und sie erklärte, diese Mittel würden teilweise irgendwie aus der sogenannten Brexit-Dividende kommen. Da wäre es dann tatsächlich, das magische Geld. Denn ungezählte Ökonomen und das staatliche Budget-Institut haben längst erklärt, dass es keine Brexit-Dividende geben wird. Alles, was das Königreich an EU-Beiträgen irgendwann einmal einsparen kann, wird durch zusätzliche Grenzkontrollen, weniger Wachstum, Exportprobleme und ähnliches aufgefressen. Sogar der Leitartikel in der konservativen "Times" stellt fest, dass die Sache mit der Brexit-Dividende zur Finanzierung des NHS so "verlogen ist wie der rote Bus" der Brexiteers während der Kampagne.

Das Geld für die Gesundheit wird einfach aus einer Steuererhöhung kommen. Aber das ist unspektakulär und schlechte Propaganda.

UK Brexit | Brexit-Votum im Unterhaus
Die Abgeordneten im Unterhaus wollen das letzte Wort über den Brexit behaltenBild: picture-alliance/empics

Bumerang kommt doch zurück 

Gebrochene Versprechen holen dich schnell ein, wie die Premierministerin zu ihrem Schaden feststellen musste. In der vorigen Woche konnte sie knapp eine peinliche Niederlage im Parlament verhindern, weil sie den EU-Freunden unter den Tories ein Votum über den späteren Brexit-Vertrag versprach, wenn sie die umstrittene Gesetzesvorlage dazu ablehnen würden. Die blieben also brav und stimmten mit der Regierung. Nur um am nächsten Tag fuchsteufelswild festzustellen, dass Theresa May sich an nichts erinnern konnte. Es soll ein Missverständnis gewesen sein. 

Die Rebellen fühlen sich betrogen und ließen unverzüglich über das Oberhaus die Forderung wieder auf den Tisch bringen. Wie will Theresa jetzt bei der nächsten Abstimmungsrunde verhindern, dass sie doch niedergestimmt wird? Über die Folgen eines späteren Votums im Parlament über Brexit-Deal oder No-Deal gehen die Meinungen auseinander. Manche glauben, die Abgeordneten könnten den Brexit dann in letzter Minute noch verhindern, ein neues Referendum veranlassen oder ihn zumindest aufschieben. Vorausgesetzt die EU würde dem zustimmen, aber darüber macht sich im Königreich derzeit noch niemand Sorgen. 

Großbritannien, London: Jacob Rees Mogg hält eine Brexit  Rede
Der harte Brexiteer Jacob Rees-Mogg wirbt ungeniert für Geldanlagen in der EUBild: picture-alliance/R. Tang

Wasser predigen und Wein trinken

Er ist einer der führenden Brexiteers und ein Stachel in Theresa Mays Seite. Außerdem scheint Jacob Rees-Mogg ein 1a-Heuchler zu sein. Jedenfalls lässt er sich beim Geldverdienen nicht von der eigenen Politik behindern. Der Abgeordnete hat sein Vermögen am Finanzmarkt gemacht, obwohl er das Bild eines Landadligen aus dem 18. Jahrhundert kultiviert. Und jetzt hat eine Anlagefirma, die er mitgegründet hat, einen Investment-Fonds in Irland aufgelegt.

"Somerset Capital Investment" fürchtet um die Gewinne seiner Kunden und zitiert ausdrücklich den Brexit als Risikofaktor. Allerdings ist es der ehrenwerte Rees-Mogg selbst, der alles tut, um diese Unsicherheit zu befördern. Er ist einer derjenigen, die immer wieder einen "sauberen Brexit" fordern, notfalls auch ohne Abkommen mit der EU. "Wir können für uns alleine stehen" ist sein Credo.

Aber was der Brexiteer da predigt und was er seinen Kunden bei ihren Geldanlagen empfiehlt, das sind zweierlei Dinge. Der neue Fonds in Dublin erklärt in seinem Anlageprospekt ausdrücklich: "Während und vielleicht auch nach dem Brexit kann es deutliche Unsicherheiten geben über die Position von Großbritannien gegenüber der EU und Drittländern". Das ist eine ziemlich gute Zusammenfassung der Lage. Darüber hinaus heißt es: Ein harter Brexit würde die Kosten in die Höhe treiben und die Gewinne drücken.

Jacob Rees-Mogg weist den Vorwurf der Heuchelei zurück. Das alles sei nur Juristensprache und der Fonds in Irland habe nichts mit dem Brexit zu tun. Wann hat der Mann eigentlich die Fähigkeit zu erröten verloren?

Brexit-Zitate der Woche

USA | Heißluftballon in Schweinchenform
Wenn Schweine fliegen könnten - Brexit-Gegner suchen Rettung im SpottBild: picture-alliance/Newscom

Die meisten Online-Kommentare zu dieser Story kann man wegen der Qualität der Schimpfwörter nicht wiedergeben. "Widerwärtig" ist eine der wenigen zitierbaren Äußerungen.

"Was macht ihr mit eurer Brexit-Dividende? Ich persönlich würde eine Flugschule für Schweine gründen…", schreibt Smo180 auf Twitter.

"Brexiteers sind wie Leute, die zweimal um die Erde fliegen aber trotzdem jedes Jahr ihren Beitrag für die Gesellschaft zum Schutz der Lehre von der flachen Erdscheibe zahlen"…. scheibt Jason Beattie im Mirror.