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Politik

Stochern im Nebel oder weißer Rauch?

14. November 2018

Die einen verkünden die Einigung, die anderen bereiten sich auf einen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen vor. London und Brüssel sind sich nach wie vor uneinig - doch die Zeichen stehen wohl auf Deal.

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Symbolbild: London im Nebel / Brexit
Bild: Imago/B. Cawthra

Nach langen und zähen Verhandlungen sieht es jetzt so aus, als kämen die Europäische Union und Großbritannien in Sachen Brexit doch noch zu einer Lösung. Jedenfalls teilte das Büro von Premierministerin Theresa May am Dienstagabend mit, beide Seiten hätten sich auf einen Vertragsentwurf für den britischen EU-Austritt geeinigt.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, bestätigte den Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen. "Ja, der weiße Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt", sagte Weber in den ARD-"Tagesthemen".

Kongress der EVP in Helsinki Manfred Weber
EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred WeberBild: Getty Images/AFP/M. Ulander

Brüssel hält sich bedeckt

Eine Bestätigung der EU in Brüssel gab es zunächst nicht. "Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über ein Austrittsabkommen laufen noch und sind nicht abgeschlossen", teilte ein Sprecher des irischen Außenministers Simon Coveney mit. Dennoch wurde für Mittwoch eine Sondersitzung der Botschafter der 27 bleibenden EU-Länder angesetzt. Aus Diplomatenkreisen verlautete, dann solle über den Entwurfstext beraten werden.

UK Brexit | Grenze in Irland
Die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland ist einer der Hauptstreitpunkte in den Brexit-VerhandlungenBild: picture-alliance/empics/N. Carson

Der irische Fernsehsender RTE berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, es sei eine Einigung erzielt worden, die eine Rückkehr zu einer festen Grenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland vermeide. Die Grenzfrage war einer der Knackpunkte in den Brexit-Verhandlungen.

Dem RTE-Bericht zufolge verständigten sich beide Seiten nun offenbar auf einen Kompromiss, der vorübergehend gemeinsame Zollregeln der EU mit dem gesamten Vereinigten Königreich sowie spezielle Regelungen für Nordirland vorsieht, solange kein endgültiges Handelsabkommen steht.

Die Vereinbarung der Unterhändler muss nun noch in London und Brüssel gebilligt werden. Das Kabinett in London werde am Mittwoch um 14.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) zusammentreten, um den Entwurf zu prüfen und über die weiteren Schritte zu entscheiden, erklärte Downing Street. Bereits am Dienstagabend warb May in Einzelgesprächen um die Zustimmung ihrer Minister.

Gemischte Reaktionen

Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn äußerte sich skeptisch zu dem vermeintlichen Durchbruch. Es sei "unwahrscheinlich", dass dies ein gutes Abkommen für Großbritannien sei, sagte der Labour-Chef. Auch die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen ist, meldete Zweifel an.

Die britische Regierung und das Parlament sind in der Brexit-Frage gespalten. Sollte Mays Kabinett dem vorgelegten Entwurf zustimmen, könnte dies den Weg für einen EU-Sondergipfel im November ebnen.

Frankreichs Europaministerin Nathalie Loiseau erklärte, es seien endlich "wesentliche Fortschritte" erzielt worden. Der Entwurf müsse nun genau geprüft werden, um ein Abkommen "im Interesse der EU" zu erreichen.

EVP-Fraktionschef Weber begrüßte die Einigung, kündigte aber an, kritisch auf den Vertrag zu schauen. Es gelte das Prinzip, "dass ein Land, das außerhalb der Europäischen Union ist, nicht gleiche oder sogar bessere Standards haben kann als ein Land, das innerhalb der Europäischen Union ist". Großbritannien werde mit diesem Vertrag "auch Vorteile verlieren".

Die Zeit drängt

Die Verhandlungen mit Großbritannien über den EU-Austritt im März 2019 waren in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. Eine Einigung muss spätestens im Dezember stehen, um die Ratifizierung durch die Parlamente auf beiden Seiten rechtzeitig vor dem Brexit-Datum zu ermöglichen.

Für den Fall eines Scheiterns der Brexit-Verhandlungen hatte die EU-Kommission am Dienstag einen Notfallplan verabschiedet. Er enthält "Notfallmaßnahmen in vorrangigen Bereichen" wie dem Luftverkehr oder bei Aufenthalts- und Visafragen, wie die EU-Behörde mitteilte. Der Notfallplan soll laut EU-Kommission auch Gebiete wie Finanzdienstleistungen, Hygiene- und Pflanzenvorschriften, die Übermittlung personenbezogener Daten sowie die Klimapolitik umfassen.

"Wir arbeiten sehr hart daran, eine Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich zu erzielen", sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans in Straßburg. "Wir machen Fortschritte, aber wir sind noch nicht am Ziel." Es sei die Pflicht der EU, sich "auf alle Ergebnisse" der Brexit-Verhandlungen vorzubereiten.

mak/hk (dpa, afp, rtr)