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Türkei kauft iranisches Gas mit Gold

Thomas Seibert2. Dezember 2012

Die Türkei profitiert von den Iran-Sanktionen, indem sie Gold gegen Gas tauscht. Doch der einträgliche Goldhandel ist für die türkische Regierung ein politisches Risiko, weil er den Partner USA verärgern könnte.

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Goldtaler aus der Türkei (Bild: DW)
Bild: Mehr

Es ist ein politisch pikanter Trend im türkischen Außenhandel: In den ersten neun Monaten dieses Jahres hat die Türkei Gold im Wert von 6,4 Milliarden Dollar an den Nachbarn Iran exportiert - im gesamten Vorjahr lag der Betrag noch bei 54 Millionen. Der steil angestiegene Export liege an der iranischen Vorliebe für das Edelmetall, erläuterte der türkische Vize-Ministerpräsident Ali Babacan im Haushaltsausschuss des türkischen Parlamentes in Ankara.

Die Türkei, die etwa die Hälfte ihrer Erdöleinfuhren und ein Fünftel ihrer Gasimporte aus dem Iran bezieht, bezahlt die Energielieferungen mit türkischer Lira. Damit können die Iraner, die wegen internationaler Sanktionen nicht mehr an Dollars oder Euros kommen, auf dem internationalen Markt nicht sehr viel anfangen. Deshalb kaufen sie für die Lira in der Türkei große Mengen an Gold. Denn Gold ist weltweit überall gleich viel wert, auch in Devisen. Wie die Iraner die Barren allerdings nach Teheran bringen, das wisse er nicht, sagte Babacan.

Umweg über den Golf

Wie türkische Außenhandelsstatistiken zeigen, gelangt ein Teil des Goldes möglicherweise auf einem Umweg über die Vereinigten Arabischen Emirate in den Iran. Kuriere können es auf Linienflügen transportieren, die legale Obergrenze liegt bei 50 Kilo Gold pro Person. Im September wuchsen die türkischen Gesamtexporte in die Arabischen Emirate im Vergleich zum Vorjahresmonat um sage und schreibe 452,3 Prozent, wie das Statistikamt in Ankara mitteilte. Und mehr als 80 Prozent der Ausfuhren bestanden aus Gold. Türkische Branchenkenner gehen davon aus, dass das Edelmetall dann von Dubai aus weiter nach Teheran transportiert wird. Die türkischen Goldausfuhren sind inzwischen so umfangreich, dass sie das dauerhaft starke Außenhandelsdefizit des Landes senken - allein in diesem Jahr um mehr als 20 Prozent.

Iranische Erdgasanlage (Foto: Shana.ir)
Die Türkei ist auf iranisches Gas angewiesenBild: Shana.ir

Die Regierungspartei AKP hat die Goldgewinnung zum strategischen Wachstumsfaktor der Wirtschaft erhoben. Gesetze wurden geändert und neue Goldminen erschlossen. Seit 2001 hat sich die Produktion mehr als verzehnfacht, damit ist die Türkei größter Goldproduzent in Europa.

Nicht nur der iranische Staat hat Geschäfte mit der Türkei als möglichen Ausweg aus wirtschaftlichen Zwangslagen entdeckt. Auch iranische Geschäftsleute investieren immer häufiger beim türkischen Nachbarn, um ihr Vermögen vor den Folgen der Sanktionen und vor dem dramatischen Wertverlust der Landeswährung Real in Sicherheit zu bringen.

Stellvertretender türkischer Ministerpräsident Ali Babacan (Foto: picture-alliance/dpa)
Türkischer Vize-Regierungschef Babacan: "Iranische Vorliebe für Gold"Bild: picture-alliance/ dpa

Iranische Investititonswelle

Im vergangenen Jahr gründeten Iraner in der Türkei 590 Firmen, das waren 41 Prozent mehr als im Jahr 2010, wie die Vereinigung der türkischen Industrie- und Handelskammern (TOBB) mitteilte. Die Iraner zählen mit insgesamt 2140 Unternehmen in der Türkei mittlerweile zu den wichtigsten ausländischen Investoren.

Mit Blick auf die eigene Exportwirtschaft treibt die türkische Regierung zudem den bilateralen Handel mit dem östlichen Nachbarn energisch voran. Erst vor zehn Tagen traf sich der türkische Entwicklungsminister Cevdet Yilmaz in Ostanatolien mit dem iranischen Vizepräsidenten Ali Saidlu. Bei dem Treffen betonte Yilmaz, das Handelsvolumen von derzeit rund 20 Milliarden Dollar im Jahr solle möglichst bald auf 30 Milliarden Dollar steigen.

Zwischen Nachbarschaftshandel und westlichen Partnern

Trotz dieser Bemühungen kann die Türkei die Interessen ihrer westlichen Partner und vor allem der USA im Atomstreit mit dem Iran nicht völlig außer Acht lassen. Unter amerikanischem Druck verpflichtete sich Ankara erst vor wenigen Monaten, die Energie-Einfuhren aus dem Iran zu reduzieren. Babacans freimütige Äußerungen über die iranischen Goldimporte zeigen, dass sich Ankara zumindest derzeit noch sicher ist, keine der internationalen Sanktionen gegen Teheran verletzt zu haben. Amerikanische Verärgerung über eine Unterwanderung der Sanktionen durch den bilateralen Handel wird die türkische Regierung unter allen Umständen vermeiden wollen.

Blick auf Istanbul (Foto: picture-alliance/dpa)
Goldgewinnung als strategischer Wachstumsfaktor - Wirtschaftsmetropole IstanbulBild: picture-alliance/dpa

Erste Anzeichen für Druck aus Washington gibt es bereits. Nach Medienberichten wollen die USA in einer neuen Sanktionsrunde auch den türkisch-iranischen Goldhandel unterbinden. Der türkische Wirtschaftsminister Zafer Caglayan reagierte erst einmal kühl und betonte, etwaige Maßnahmen seien nur für die Amerikaner bindend. Spannungen zwischen Ankara und Washington sind also nicht ausgeschlossen, denn die grundlegende Konstellation der Interessen von Türkei und Iran bleibt trotz aller Sanktionen bestehen: Die Türkei braucht iranisches Öl und Gas - und der Iran braucht immer dringender Geld oder Gold, um dem wirtschaftlichen Kollaps zu entgehen.