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Briten könnten ein neues Wahlsystem kriegen

12. Mai 2010

Das Wahlrecht Großbritanniens steht auf dem Prüfstand. Die Liberalen wollen in einem Volksentscheid klären, ob man kleinere Parteien besser berücksichtigen sollte. Eine solche Reform hätte Vor- und Nachteile.

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Stimmauszählung nach der Parlamentswahl in Großbritannien (Foto: AP)
Kommen in Zukunft auch kleinere Parteien ins britische Parlament?Bild: AP

Nach der Koalitionsvereinbarung zwischen den Konservativen (Tories) und den Liberaldemokraten (Lib Dems), könnte Großbritannien vor einem neuen Wahlsystem stehen. Beide Parteien haben verabredet, dass es einen Volksentscheid über das künftige System geben soll.

Der Gewinner kriegt alles

Bisher gilt im Vereinigten Königreich das Mehrheitswahlrecht. Dabei wird immer nur die Partei mit Parlamentssitzen belohnt, die am meisten Stimmen im Wahlkreis erhalten hat. Das Wahlsystem umschreibt man daher auch häufig mit dem Satz "Der Gewinner kriegt alles".

Ein Beispiel: Im Londoner Wahlbezirk Westminster North erhielt ein Labour-Kandidat 43,9 Prozent der Stimmen, sein Kontrahent von den Konservativen 38,5 Prozent. Der Labour-Politiker wird damit ins Parlament einziehen. Dem Konservativen bringen seine Stimmen nichts, obwohl er im Wahlkreis eine beträchtliche Wählerschaft hat.

Wahlsysteme (Foto: DW)

Das Mehrheitswahlrecht bevorzugt die großen Parteien. Meist sitzen in den Parlamenten eine konservative und eine sozialdemokratisch-liberale Partei. Das ist etwa in den USA der Fall, wo es auch ein "Der-Gewinner-kriegt-alles"-System gibt.

Stablile Mehrheiten, verschwendete Stimmen

Ein Vorteil des Wahlsystems ist, dass es meist stabile Mehrheiten gibt. Bei nur zwei bis drei Parteien findet sich schneller eine Mehrheit als in Ländern wie Italien, wo sehr viele Parteien im Parlament sitzen. Ein Nachteil: Viele Stimmen der Wähler werden "verschwendet". So wird der Wille der konservativen Wähler im Beispiel Westminster North nicht berücksichtigt.

Nick Clegg, Parteichef der 'Lib Dems' (Foto: dpa)
Fordert die Reform: Nick Clegg, Parteichef der 'Lib Dems'Bild: picture-alliance/dpa

Das deutsche Wahlsystem zum Beispiel verbindet das Mehrheitswahlrecht mit der Verhältniswahl. Jeder Wähler hat dafür zwei Stimmen. Mit seiner ersten Stimme bestimmt er den Repräsentanten seines Wahlkreises. Hier gilt das Mehrheitswahlrecht – den Parlamentssitz erhält derjenige mit den meisten Stimmen. Mit der so genannten Zweitstimme kann der Wähler jedoch vor allem kleine Parteien stärken. Hier gilt die Verhältniswahl. Sobald eine Partei mehr als fünf Prozent der Stimmen erhält, darf sie ins Parlament einziehen. Wegen der Zweitstimme gibt es im deutschen Bundestag derzeit fünf Fraktionen, in Ländern wie den USA jedoch nur zwei Parlamentsparteien.

Große Parteien sträuben sich

Der Westminster-Palast (Foto: AP)
Das britische Parlament tagt im Westminster-PalastBild: AP

In Großbritannien hat die große Zustimmung für die Liberaldemokraten nun das Parteiensystem auf den Kopf gestellt. In 62 Wahlkreisen konnten sich die Liberalen als stärkste Partei durchsetzen – bis vor kurzem unvorstellbar. Und so fordern die Lib Dems stellvertretend für alle kleineren Parteien eine Reform des Wahlrechts.

Dass sich die beiden großen Parteien dagegen sträuben, ist verständlich. Schließlich zeigen Länder wie Deutschland, dass kleinere Parteien den Großen das Regierungsleben schwer machen können. Und im aktuellen Fall von deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen: Wie schwierig eine Regierungsbildung werden kann. Das zumindest scheint in Großbritannien geklappt zu haben.

Autor: Benjamin Hammer

Redaktion: Ursula Kissel / Dirk Eckert