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Britische Fischer setzen auf den Brexit

Nik Martin / hmf28. Juli 2016

Kleine Fischereibetriebe in Großbritannien sehen sich durch die Fangquoten der EU immer stärker unter Druck. Sie hoffen auf Besserung durch den Brexit. Umweltschützer warnen vor einem Freifahrtschein.

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Hafen von Brixham in Devon, England (Copyright: DW/N. Martin)
Bild: DW/N. Martin

Seit dem Mittelalter dominiert der Fischfang das Leben in Brixham im Südwesten Englands. Die Kleinstadt hat einen der drei größten Fischereihäfen des Landes. Trotzdem beklagen viele Fischer, dass die Regulierungswut der Europäischen Union und strenge, in ihren Augen unfaire Fangquoten ihre Existenz gefährdeten.

"Die Fischerei-Industrie war einmal doppelt so groß wie das, was wir heute hier haben", sagt Barry Young, Geschäftsführer und leitender Auktionär der Brixham Trawler Agents, und lässt den Blick über den Hafen schweifen. "In den vergangenen zehn Jahren mussten wir zahlreiche Boote außer Betrieb nehmen. Die Fangquoten wurden immer niedriger. Die Menschen glaubten nicht mehr daran, dass die Fischerei ihnen eine gesicherte Zukunft bietet, deshalb mussten sie ihre Boote verkaufen."

Fish and Chips (Copyright: Colourbox)
Großbritannien ist bekannt für Fish and Chips - die kleinen Fischer haben es allerdings schwerBild: Colourbox

Die Fangquoten der EU legen fest, welche Menge Fisch die Fischer eines Mitgliedsstaats in einem festgelegten Gebiet im Jahr fangen dürfen. Young zufolge habe sich die Quote im Verlauf der letzten zehn Jahre mehr als halbiert.

Fischer stimmten für den Brexit

Im Vorfeld der Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU am 23. Juni unterstützten viele Fischer aus Brixham die Kampagne "Fishing for Leave", zu Deutsch: Fischen für den Austritt. "Wir waren der Meinung, dass es der Fischerei so schlecht geht wie seit Jahren nicht mehr und dass es nur noch schlimmer werden würde, wenn wir in der EU blieben", erzählt Young. "Wenn wir aber aus der EU austräten, dann blieben wir zumindest auf dem heutigen Niveau."

Richard Fowler fischt seit 35 Jahren im Ärmelkanal. Die Fischer hätten sich bereits breiter aufgestellt, sich auf andere Fischarten spezialisiert und neue Fangmethoden erprobt, sagt er. Was sie aber dringend bräuchten, wären höhere Fangquoten. "Als ich dieses Boot vor 20 Jahren gekauft habe, konnten wir im Grunde alles fangen, was wir wollten. Jedes Jahr haben sich mehr Türen geschlossen."

Hoffen auf eine gute Verhandlungsposition

Der Interessensverband der britischen Fischer "National Federation of Fishermen's Organizations" (NFFO) hofft nach dem Brexit-Votum auf richtungsweisende Veränderungen für ihren Industriezweig. Die NFFO hat die britische Regierung ermahnt, bei zukünftigen Handelsverhandlungen mit der EU anderen Industriezweigen keinen Vorrang gegenüber der Fischerei einzuräumen.

Hafen von Brixham (Foto: DW/N. Martin)
In der beschaulichen Fischerei-Stadt Brixham haben viele für den Brexit gestimmtBild: DW/N. Martin

Die britische Regierung muss tausende Abkommen mit Brüssel neu verhandeln, eines davon ist die gemeinsame Fischereipolitik. Politikanalysten haben bereits gewarnt, dass Großbritannien keine starke Verhandlungsposition haben wird: Die EU könnte ein Exempel statuieren, das andere Mitgliedsstaaten davor abschrecken soll, ebenfalls über einen Austritt nachzudenken.

Umweltschützer sind skeptisch

Umweltschutzorganisationen sind wenig optimistisch, was die Folgen des Brexit angeht. "Großbritannien hat eine lange, traurige Geschichte der Überfischung, die sehr bedeutsamen Fischarten, wie zum Beispiel dem Kabeljau, beinahe den Garaus gemacht hat. Die einzigen Phasen, in denen sich die Kabeljau-Bestände erholen konnten, waren während des ersten und des zweiten Weltkriegs sowie in den vergangenen zehn Jahren", sagt McCullin, Meeres-Experte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die gemeinsame Fischereipolitik der EU sei zwar bei weitem nicht perfekt, habe aber zu einer Erholung der Fischbestände geführt.

Schuld an der Misere der Fischer seien nicht die Fangquoten der EU, sondern die britische Regierung: Sie unterstütze vor allem größere Betriebe und Fangflotten - zum Leidwesen der kleinen Fischer, so die Meinung des Greenpeace-Aktivisten. McCullums Angst ist, dass die Industrie Druck auf die Minister ausüben wird, damit ihr weitreichende Fangrechte eingeräumt werden.

Fang von Kabeljau (Foto: Getty Images/AFP/M. Mochet)
Kabeljau galt lange als extrem überfischt - allmählich erholen sich die Bestände wiederBild: Getty Images/AFP/M. Mochet

Andere Beobachter warnen, dass die "Leave"-Kampagne den Fischern falsche Hoffnungen gemacht habe. Im Vorfeld des Referendums habe sie große Versprechungen gemacht, wie etwa eine höhere Fangquote, die sie aber gar nicht einhalten könnte.

Bleibt alles beim Alten?

Den Fischern in Brixham ist klar, dass es töricht wäre, Jahrzehnte des Fortschritts im Kampf gegen die Überfischung zunichte zu machen. Sie bestehen aber darauf, dass die kleinen Fischer keine Schuld an dem Problem trügen. "Die Menschen sehen nicht, was hinter den Kulissen passiert. Die Fischer entwickeln ihre Netze weiter, sodass all die Fische, die noch nicht ausgewachsen sind, wieder hinausschwimmen können, ehe das Netz die Wasseroberfläche erreicht", sagt Young von Brixham Trawler Agents.

Yound selbst ist skeptisch, ob der Brexit überhaupt etwas an den momentan geltenden Beschränkungen ändern wird. "Ich glaube nicht, dass wir eine höhere Fangquote haben werden - wo soll die auch herkommen? Es gibt eben nur eine bestimmte Anzahl an Fischen im Meer, die wir herausholen können."

EU-Beobachter sind sich sicher, dass die Verhandlungen über Großbritanniens zukünftige Beziehungen zur Europäischen Union Jahre dauern werden. Sie warnen, dass - wie so oft schon - die vergleichsweise kleine Fischerei-Industrie des Landes dabei kaum Priorität haben wird.