1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Brown tritt Rückzug an

10. Mai 2010

Bewegung im Koalitionspoker: Noch-Premier Gordon Brown kündigte an, seine Labour-Party werde mit den Liberalen Verhandlungen über eine Koalition aufnehmen. Er selbst stellte seinen Rücktritt als Parteichef in Aussicht.

https://p.dw.com/p/NKkO
Gordon Brown bereitet seinen Abgang vor (Foto:ap)
Brown bereitet seinen Abgang vorBild: AP

In London sagte Brown am Montag (10.05.2010), damit wolle er den Weg für Koalitionsgespräche mit den Liberaldemokraten freimachen. Die hatten bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass für sie eine Koalition mit Labour nur ohne Brown an deren Spitze möglich sei. Jetzt sagte Brown, er hoffe, dass beim Labour-Parteitag im September ein neuer Vorsitzender im Amt sein werde. Mit Blick auf die Wahlniederlage erklärte der 59-Jährige: "Als Chef meiner Partei muss ich akzeptieren, dass das ein Richterspruch war." Programmatisch stehen sich die Liberalen und Labour näher als die konservativen Tories und die Liberalen.

Kommt Labour doch noch zum Zuge

Die Hauptkontrahenten: Brown, Cameron, Clegg (Foto ap)
Die Hauptkontrahenten: Brown, Cameron, CleggBild: AP Graphics

Bei der Unterhauswahl am Donnerstag konnte keine Partei die absolute Mehrheit erringen - eine für Großbritannien ungewöhnliche Situation, angesichts des geltenden Mehrheitswahlrechts. Jetzt wird fieberhaft versucht, eine Koalition zu schmieden. Wahlverlierer Brown erklärt als Konzession an die Liberalen bereits, er könne sich eine Volksabstimmung über eine Wahlrechtsreform vorstellen. Das ist für die Liberaldemokraten ein weiterer wichtiger Punkt, neben einem Rückzug Browns. Problem ist, auch gemeinsam kommen Labour und Liberale nicht auf die absolute Mehrheit und müssten noch andere Gruppen mit ins Boot holen.

"Lib Dems" und Tories verhandeln derweil weiter

Dessen ungeachtet verhandeln die Liberaldemokraten weiter mit den Konservativen über eine Regierungsbildung. Der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, will nach eigenem Bekunden die Hängepartie nach der Unterhauswahl möglichst rasch beenden. Clegg bat die Wähler am Montag mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen, "noch ein wenig Geduld zu haben". Clegg kam am Montag sowohl mit Tory-Chef David Cameron als auch mit dem Labour-Vorsitzenden und amtierenden Premierminister Brown zu Gesprächen zusammen. Des Swayne vom Verhandlungsteam der Konservativen äußerte am Montagnachmittag die Hoffnung, Cameron werde am Dienstag Premierminister sein. Der liberale Abgeordnete David Laws erklärte indes, es gebe noch eine Reihe strittiger Fragen. Dies betreffe die Bildungs- und Steuerpolitik. Die Tories boten den Liberaldemokraten inzwischen ein Referendum über die von diesen angestrebte Wahlrechtsreform an.

Ein weiterer Knackpunkt ist, dass sich die weitestgehend euroskeptischen Tories mit Clegg einen Europa-freundlichen Juniorpartner ins Boot holen würden: Clegg ist für den Beitritt Großbritanniens zur Eurozone. Bei einem Treffen am Sonntag hatten sich Clegg und Cameron immerhin darauf verständigt, dem Abbau der ausufernden Staatsverschuldung höchste Priorität einzuräumen.

Schwieriges Wahlrecht

Stimmzettel von der Unterhauswahl (Foto: ap)
Stimmzettel von der UnterhauswahlBild: AP

Das in Großbritannien geltende reine Mehrheitswahlrecht, benachteiligt die kleineren Parteien erheblich. So kommen die Liberaldemokraten als drittstärkste Partei mit 23 Prozent Stimmenanteil nur auf neun Prozent der Unterhaussitze. Die Tories waren aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen, hatten die für eine alleinige Regierungsbildung erforderliche absolute Mehrheit aber verfehlt. Sie kamen auf 306 Sitze, für eine absolute Mehrheit wären 326 Sitze nötig gewesen. Die seit 13 Jahren regierende Labour-Party holte 258 Sitze, die Lib Dems 57. Beide zusammen kämen also auf 315 Sitze und müssten noch eine kleine Partei in die Koalition holen, etwa die nordirische Partei DUP, die über acht Mandate verfügt.

Die britische Politik steht unter dem Druck der Wirtschaft, schnell eine handlungsfähige Regierung aufzustellen. Es wird befürchtet, dass lange Sondierungsgespräche die Wähler verstimmen und die Märkte verunsichern könnten.

Autor: Ulrike Quast (dpa,apn,rtr,afp)
Redaktion: Stephan Stickelmann