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Bruder-Duell bei der Fußball-WM

7. Mai 2010

Sie sind Halbbrüder, aufgewachsen in Berlin, haben einen ghanaischen Vater und spielen bei der FIFA-Fußball-WM - wahrscheinlich gegeneinander: Die Boatengs.

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Trägt schon Ghana-Gelb, aber da noch für Dortmund: Kevin Prince Boateng (Foto: AP)
Trägt schon Ghana-Gelb, aber da noch für Dortmund: Kevin Prince BoatengBild: AP

Jerome und Kevin Prince Boateng haben viel gemeinsam. Beide spielten als Profis bei Hertha BSC, beiden steht eine Karriere als Nationalspieler bei der WM in Südafrika bevor. Doch wenn sie im letzten Gruppenspiel der deutschen gegen die ghanaische Mannschaft auf dem Platz stehen, dann in unterschiedlichen Trikots.

Noch können die "Black Stars" - das ghanaische Nationalteam - keinen Haken hinter dem Namen Kevin Prince Boateng auf der Mannschaftsliste für die WM machen. Aber die Genehmigung durch den Weltfußball-Verband FIFA ist wohl nur noch eine Frage von Tagen. Der ältere der Boateng-Brüder hatte sich schon im Juni 2009 entschieden, künftig für das Nationalteam Ghanas zu spielen. Möglicherweise eine Reaktion darauf, dass er im Mai 2009 aus dem Kader der deutschen U-21-Nationalmannschaft flog – offiziell verletzungsbedingt.

Trickreich, aber unzuverlässig

Jerome Boateng, noch im Hamburg-Weiß, bald in dem von Manchester (Foto: AP)
Jerome Boateng, noch im Hamburg-Weiß, bald in dem von ManchesterBild: AP

Inoffiziell hatte sich der Mannschaftsrat gegen ihn entschieden, weil er als unzuverlässig und unpünktlich gilt. Und als unbeherrscht. Zwei Monate vor dem Abschied aus dem U-21-Kader hatte er nach einer Geburtstagsfeier Autos zerkratzt und Rückspiegel abgetreten. Dafür erhielt er einen saftigen Strafbefehl wegen Sachbeschädigung, angeblich musste er über 50.000 Euro zahlen.

Kevin Prince Boateng ist ein Typ. Ein Klischee. Vom harten Straßenjungen, aufgewachsen mit vielen Geschwistern im Berliner Problemviertel Wedding, wo die erfolgversprechendste Berufsperspektive Gangster-Rapper oder Drogendealer ist. 13 Tattoos schmücken seinen Körper, er ist muskulös, kahlgeschoren. Auf dem Platz agiert er trickreich, aggressiv mit einem gewaltigen Zug zum Tor. Seine Mutter sagt, er sei eigentlich ein guter Junge, einer, der sich rausgekämpft habe, aus der Armut, der Perspektivlosigkeit. Vielleicht lieben sie ihn deshalb mehr in Portsmouth, dem englischen Malocherverein, seinem aktuellen Club, als damals bei Hertha und Borussia Dortmund, wo er als Riesentalent aber auch als Störenfried und Unruhestifter galt.

Zuverlässig und lernfähig

Bundestrainer Joachim Löw im Kreise seiner Nationalspieler (Foto: AP)
Schwarz - kein Problem mehr in der NationalmannschaftBild: AP

Für seinen 21-jährigen Halbbruder Jerome stellte sich die Frage nach der fußballerischen Heimat nie. Auch er wuchs in Berlin auf und doch in einer anderen Welt. Im beschaulichen Wilmersdorf, mit einer Mutter, die von ihm gute Noten in der Schule und einen soliden Beruf verlangte. Auch er ist tätowiert, doch dezenter, auch er gilt als großes Talent, doch als diszipliniert und lernfähig. Und er kann sich unterordnen, wenn auch ungern. In der U21 war er einer der besten, auch weil er Trainer Horst Hrubesch respektierte, seine Entscheidungen nicht in Frage stellte.

Als Abwehrspieler hat er bei der erfolgreichen EM die gesamte spanische Offensive abgefangen, mit einer Spielweise, die man schon fast als norddeutsch-kühl bezeichnen kann. Er steht bei jedem Spiel des Turniers auf dem Platz, immer über 90 Minuten. Sein Debüt in der A-Nationalmannschaft beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland endet hingegen schon nach 68 Minuten mit einer gelb-roten Karte. Seine Mutter sagt, dass er einen geraden Weg gegangen sei. Der führt ihn jetzt vom Hamburger SV nach Manchester City, 314 Kilometer von Portsmouth entfernt. Und doch nicht in die Nähe seines Bruders, sondern zu dem Verein, in dem schon seine früheren HSV-Kollegen Vincent Kompany und Nigel de Jong spielen.

Zeichen des Wandels im deutschen Fußball

Die Brüder Boateng sind das beste Beispiel für den Wandel im deutschen Fußball, in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft. Vor neun Jahren wurde mit Gerald Asamoah zum ersten Mal ein schwarzer Spieler für die deutsche Nationalmannschaft nominiert. Nicht wenige Fans aber auch Funktionäre waren damit überfordert. Sie konnten einen Spieler mit afrikanischer Herkunft nicht als deutschen Spieler akzeptieren. Heute entscheidet sich der eine Boateng für Deutschland, der andere für Ghana. Probleme hat damit kaum jemand.

Autor: Dirk Bathe

Redaktion: Stephanie Gebert