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Feiertag

Gunnar Lammert-Türk21. November 2012

Der Buß- und Bettag ist ein wichtiger Feiertag für evangelische Christen, auch wenn er nur noch in Sachsen arbeitsfrei ist. Gunnar Lammert-Türk traf Menschen, für die dieser Tag Sinn macht - auch für die Zukunft.

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Mauer-Gedenkstätte in Berlin (Foto:.apn)
Bild: AP

"Ich möchte ihn zurückhaben", sagt die Berliner Pfarrerin Cordula Machoni. "Aus meiner Sicht ist er einer der wichtigsten Tage im Kirchenjahr." Den Buß- und Bettag meint sie, der seit 1995 kein staatlich geschützter Feiertag mehr ist. Aus Sicht der Pfarrerin sagt das nichts über seine Bedeutung. Eins jedenfalls steht fest: Es gibt keinen anderen Tag im Jahr, an dem das Thema Schuld und Reue, Vergehen und Sinneswandlung zugunsten eines Neuanfangs in der Öffentlichkeit behandelt wird. Die Gesellschaft hat dafür kein Ritual. Sie meidet die Auseinandersetzung damit. "Schuld ist nicht gerade 'in'." So bringt es die Pfarrerin auf den Punkt. Der Buß- und Bettag könnte hier eine Lücke füllen.

Orte, die zur Buße auffordern

Eines der Projekte, um ihm wieder Leben einzuhauchen, heißt "Erinner dich mal!" Für Schüler konzipiert, verbindet es den Gedanken der Besinnung auf eigene Verfehlungen mit dem Blick auf historische Orte und Ereignisse.

Veranstaltet wird es von drei Berliner Kirchenkreisen. Pfarrerin Machoni, die das Projekt für den Kirchenkreis Stadtmitte koordiniert, beschreibt sein Anliegen so: "Es soll Schülern ermöglichen, sich mit der Geschichte zu beschäftigen und sich zu fragen: Was tue ich in der Gesellschaft?"

Pfarrerin Cordula Machoni aus Berlin (Foto: Martin Kirchner)
Pfarrerin Cordula MachoniBild: Martin Kirchner

Zu diesem Zweck suchen sie mit ihren Lehrern Orte der Stadt auf, die mit schuldbeladener Vergangenheit belastet sind wie das Olympiastadion, das ehemalige Staatssicherheitsgefängnis Hohenschönhausen, die Topographie des Terrors oder die Gedenkstätte Berliner Mauer. Die Idee dabei ist: durch Wissen um die Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.

Schülerinnen und Schüler erkennen den Wert von Buße

Carola Wagner, Lehrerin für Chemie und Geschichte von der Evangelischen Schule Köpenick, die mit ihren Schülern am Projekt teilnimmt, sieht darin ein Anliegen ihrer Arbeit aufgenommen:

"Ein Ziel vom Geschichtsunterricht ist ja, dass man aus Geschichte nicht nur als Gesellschaft, sondern auch persönlich lernt." Für sie ist der "Kontakt mit dem Ort des Geschehens oft ergreifender als eine Schulbuchseite."

Lehrerin Carola Wagner und ihre Schülerinnen Friederike Skudler, Alice Frömel und Svenja Tornow stehen Arm in Arm (Foto: Gunnar Lammert-Türk)
Lehrerin Carola Wagner (li.) und ihre SchülerinnenBild: Gunnar Lammert-Türk

Kerstin Schwitters, ihre Kollegin in den Fächern Deutsch und Französisch, hat beobachtet: "Die Frage, inwiefern man schuld ist an vergangenen Geschehnissen oder wie sie sich auf einen auswirken, das beschäftigt die Schüler sehr. Da reagieren sie sehr intensiv und sensibel."

Svenja Tornow aus der elften Klasse kann das bestätigen. Über ihren Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen am vorigen Buß- und Bettag sagt sie: "Die Stimmung dort ist bedrückend. Aber es ist gut, sich das anzusehen. Sonst versteht man es nicht."

Friederike Skudler vom selben Jahrgang versetzte sich in die Lage der Gefangenen: "Wir waren im November da, da ist es kalt. Da hab ich gedacht: Die mussten da stundenlang stehen und wir sind warm angezogen, die hatten nur die dünnen Lagersachen an."

Und Alice Frömel wurde nachdenklich: "Man lebt selber in dem Land, in dem das passiert ist."

Gunnar Lammert-Türk, freier Journalist in Berlin (Foto: rundfunk.evangelisch.de)
Gunnar Lammert-TürkBild: rundfunk.evangelisch.de


Zum Autor: Gunnar Lammert-Türk (Jahrgang 1959) ist freischaffender Journalist und Autor in Berlin. Er wurde in Leipzig geboren und studierte Germanistik und Evangelische Theologie in Berlin.