1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weltweite Unterstützung der Studentenproteste

Felix Schlagwein
11. September 2020

Studierende der Theater- und Filmuniversität wehren sich gegen politischen Druck der Orbán-Regierung. Internationale Solidarität kommt auch aus Hollywood.

https://p.dw.com/p/3iJgK
Budapester Studierende bilden eine Menschenkette vor ihrer Universität SZFE
Budapester Studierende protestieren für eine unabhängige Lehre Bild: DW/F. Schlagwein

Die Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) soll durch eine Stiftung übernommen werden, die der nationalistischen Regierung von Viktor Orbán nahesteht. Der Protest der Budapester Studierenden dagegen hält seit zwei Wochen an. Inzwischen erreicht sie eine Welle der Solidarität: Zahlreiche Hollywood-Größen unterstützen die Studierenden, aber nicht nur sie.

Protestplakate hängen aus den Fenstern der Budapester Universität für Theater- und Filmkunst SZFE
Die Universität für Theater- und Filmkunst SZFE bleibt vorerst besetztBild: DW/F. Schlagwein

Einer Petition des ehemaligen Direktors des Londoner Young Vic Theaters, David Lan, schlossen sich unter anderem die Oscarpreisträger Cate Blanchett, Helen Mirren, Eddie Redmayne und Cuba Gooding Jr. an. Der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie gehört auch zu den Unterzeichnern. In einem offenen Brief bezeichneten sie die Übernahme der SZFE als "Teil eines Kulturkampfes" der zum Ziel habe, "allen kulturellen Institutionen und Räumen ihre Autonomie zu rauben" und forderten die Wiedereinsetzung der ursprünglichen Universitätsleitung. 

Promienter Unterstützer der protestierenden Studierenden: Filmemacher Wim Wenders
Promienter Unterstützer der protestierenden Studierenden: Filmemacher Wim WendersBild: picture-alliance/dpa/Eventpress Schulz

Ähnlich äußerte sich dieEuropäische Filmakademie (EFA): "Wir unterstützen die Studierenden und den Senat der Universität in ihrer Entscheidung, die Legitimität der neuen Führung nicht anzuerkennen", erklärte EFA-Präsident Wim Wenders in einer schriftlichen Stellungnahme. "Filmkunst kann nur in einer offenen, transparenten und demokratischen Atmosphäre atmen", so Wenders. Auch in den sozialen Medien zeigen Kulturschaffende unter dem Hashtag #freeSZFE ihre Unterstützung, so beispielsweise der britische Schauspieler Ian McKellen und die französische Schauspielerin Eva Green.   

"Wir sind zutiefst gerührt von all der Solidarität, die wir in den vergangenen Wochen erfahren haben", erklärt SZFE-Studentin Dorottya Molnár im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Damit hatten wir definitiv nicht gerechnet."

Berliner Ensemble sagt Gastspiel ab

Doch auch in Deutschland solidarisieren sich zahlreiche Theater, Kunsthochschulen und Kulturverbände mit den Budapester Studierenden. Das Hamburger Schauspielhaus erklärte, durch die Umstrukturierung der SZFE würden Autonomie und Bildungsfreiheit der Universität "schwer verletzt". Von einem "kulturpolitischen und letztlich demokratiefeindlichen Angriff der ungarischen Regierung" sprachen die Deutsche Filmakademie und der Deutsche Bühnenverein, die sich ebenfalls mit den Budapester Studenten solidarisierten.

Das Berliner Ensemble sagte aus Protest sogar ein Gastspiel beim ungarischen Theaterfestival MITEM im kommenden Jahr ab. Das Festival wird von Attila Vidnyánszky geleitet. Der ist nicht nur Intendant des Budapester Nationaltheaters und ein enger Vertrauter Viktor Orbáns, sondern auch Präsident der Stiftung, die nun die Leitung der SZFE innehat.

Oliver Reese vom Berliner Ensemble schließt sich den Protesten der Studierenden an.
Oliver Reese vom Berliner Ensemble schließt sich den Protesten der Studierenden an.Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Angesichts dessen könne er nicht guten Gewissens beim MITEM-Festival auftreten, sagt Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, im DW-Gespräch. "Es wurde eindeutig eine rote Linie überschritten", so Reese.

Vidnyánszky bedauerte indes die Absage und schrieb an Reese in einem offenen Brief: "Ich habe immer gehofft, dass wir uns, obwohl unsere Weltbilder unterschiedlich sind, immer noch verstehen, damit wir einen toleranten und offenen Gedankenaustausch über die Werte führen können, die wir für wichtig halten." Reese habe den Brief nicht beantwortet, sagt er der DW. "Meine Antwort ist die Absage des Festivals."  

"Kulturkampf" in Ungarn geht weiter

Der Konflikt um die Universität für Theater- und Filmkunst steht im Zeichen eines seit Jahren andauernden "Kulturkampfes" in Ungarn. Die rechtsnationale Fidesz-Regierung hat mehrfach betont, dass sie in Kultur- und Hochschulwesen einen "Elitenwechsel" anstrebt. 2018 erklärte Viktor Orbán, man wolle "das politische System in eine kulturelle Ära einbetten."

Studierende mit Mund- und Nasenschutzmasken demonstrieren vor der Theater- und Filmuniversität in Budapest
Die Studierenden halten an ihren Protesten gegen politische Einflußnahme der Theater- und Filmuniversität festBild: DW/F. Schlagwein

In diesem Sinne wurde bereits im vergangenen Jahr die Freiheit der Theater eingeschränkt und die Central European University (CEU) aus dem Land gedrängt. Wenig später folgten Eingriffe bei der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.

Die Studierenden der SZFE wollen das Universitätsgebäude nun weiter besetzt halten, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Sie verlangen den Rücktritt von Vidnyánszkys Stiftung und Garantien für eine langfristige Autonomie ihrer Universität.

Berliner Ensemble-Intendant Oliver Reese ist gerade wegen der aktuellen Proteste an der SZFE zuversichtlich, dass die ungarische Kulturszene auch in Zukunft dem Druck der Orbán-Regierung standhalten kann: "Ungarn ist ein traditionell starkes Kultur- und Theaterland mit tollen Regisseuren und Schauspielern. Die werden sich nicht unterkriegen lassen."