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Bulgaren setzen auf Kontinuität

31. Oktober 2011

Rossen Plewneliew, Kandidat der regierenden Partei GERB, wurde zum neuen bulgarischen Staatspräsidenten gewählt. Der wahre Gewinner ist aber Premierminister Borissow, meint Alexander Andreev in seinem Kommentar.

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Die Bulgaren haben einen liberalen, EU-freundlichen Präsidenten gewählt. Soweit, so gut. Aber die Wahl von Rossen Plewneliew bedeutet zugleich, dass die ganze Macht in Bulgarien mittlerweile in den Händen ein und derselben Partei liegt - der Regierungspartei GERB ("Bürger für die europäische Entwicklung Bulgariens") von Premierminister Boiko Borissow. Nach der ersten Hälfte seiner Amtszeit hat Borissow damit eine deutliche Bestätigung seiner bisherigen Politik bekommen.

Der Präsidentschaftswahlkampf war ohnehin auf die Person des populären Ministerpräsidenten zugeschnitten - und nicht auf den bis vor kurzem noch weitgehend unbekannten Plewneliew, der unter Borissow zwei Jahre lang als Minister für Regionalentwicklung gearbeitet hat. In Bulgarien spricht man schon von einer Übertragung des russischen 'Modells Putin-Medwedjew'. Im Unterschied zu Moskau ist jedoch der Ministerpräsident in Sofia politisch viel stärker als der Präsident, der eher repräsentative Aufgaben hat.

Das 'russische Modell' in Bulgarien

Das zeigte sich auch im Wahlkampf: Plewneliew verzichtete auf konkrete Versprechen und verbreitete vor allem Allgemeinplätze. Die Infrastruktur schneller auszubauen, die Energieabhängigkeit von Rußland zu reduzieren und eine prowestliche Politik zu führen – das waren seine Hauptabsichten.

Alexander Andreev (Foto: DW)
Alexander AndreevBild: DW

Zu einem sehr umstrittenen Thema allerdings, das in seinem Kompetenzbereich liegt, hat er dann doch eine klare Position bezogen. Die Ex-Mitarbeiter der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit, die immer noch hohe diplomatische Ämter bekleiden (ein Beispiel ist der gerade abgezogene bulgarische Botschafter in Berlin), müssten Platz schaffen für unbelastete Diplomaten. Mit dieser Aufforderung hat der neue bulgarische Präsident seinen Hauptkonkurrenten, den linken Kandidaten Ivailo Kalfin, geschickt an die Wand gespielt. Denn als ehemaliger Außenminister hatte gerade Kalfin lange seine schützenden Hände über die ehemaligen Staatssicherheitsmitarbeiter gelegt.

Zur aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage in Bulgarien konnte und wollte Plewneliew dagegen nichts Bedeutendes versprechen. Anders als Griechenland oder andere südeuropäischen EU-Länder ist der bulgarische Staat zwar finanziell stabil - durchschnittlich sind die Bulgaren jedoch von allen EU-Bürgern die ärmsten. Die Gesundheitsversorgung und das Bildungswesen sind in einem katastrophalen Zustand, die Altersstruktur der Bevölkerung lässt befürchten, dass die Rentenkasse bald platzen wird, der Hass gegen die Roma-Minderheit wächst unaufhaltsam. Vor diesem Hintergrund ist das Votum und damit die indirekte Bestätigung der bisherigen Politik der Regierung kaum nachvollziehbar.

Gekaufte Stimmen?

Die einzige Erklärung ist die Beliebtheit des Premiers Boiko Borissow. Er setzt auf einen gemäßigten Populismus und inszeniert sich und seine Partei äußerst medienwirksam. Denn GERB ist eindeutig auf ihn und seine Popularität ausgerichtet. Die Partei hat zwar ihre Strukturen landesweit massiv ausgebaut, kann aber trotzdem kein klares politisches Profil und kaum qualifiziertes Personal vorweisen.

Vermutet wird aber, dass GERB beim Wahlergebnis nachgeholfen hat. Bis zu 50 Mio. Euro sollen für den Stimmenkauf ausgegeben worden sein. Nicht nur die bulgarische Opposition, auch OSZE-Beobachter sowie die Sozialisten und die Grünen im EU-Parlament haben von Druck, Unregelmäßigkeiten und Fälschungen bei der Wahl gesprochen. Die Europäische Volkspartei jedoch, insbesondere die CSU in Bayern, unterstützt Borissow und die "Schwesterpartei" GERB. Kein Wunder: In diesen EU-politisch sehr schwierigen Zeiten sind die GERB-Abgeordneten im EU-Parlament und der neue Präsident in Sofia eine willkommene Hilfe.

Autor: Alexander Andreev
Redaktion: Zoran Arbutina