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Bulgarien: Regionale Entwicklung durch EU-Hilfen

14. Juni 2006

Ein Defizit bei der Vorbereitung Bulgariens auf die EU-Mitgliedschaft ist die unzureichende Verwendung von Mitteln aus EU-Strukturfonds. Bulgariens Minister für regionale Entwicklung, Assen Gagausov, dazu im Interview.

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EU-Strukturfonds nutzen auch der LandwirtschaftBild: dpa-Report

DW-RADIO/Bulgarisch: Die Europäische Kommission hat in ihrem Monitoring-Bericht im Mai festgestellt, dass Bulgarien nicht in der Lage ist, Mittel aus den EU-Strukturfonds in vollem Maße umzusetzen. Woran liegt das, Herr Minister?

Assen Gagausov: Wir verändern die Situation schnell. Jeden Tag wird das Bild besser und besser. Ich kann Ihnen versichern, dass sehr viel Geld aus den europäischen Strukturfonds z.B. in die bulgarische Landwirtschaft geflossen ist, vorwiegend durch das SAPARD-Programm, aber auch durch andere finanziellen EU-Instrumente wie die Programme PHARE oder ISPA. Es wäre übertrieben und falsch, zu behaupten – wir Bulgaren wissen nichts von der Anwendung der EU-Strukturfonds. Ganz im Gegenteil: Der Prozentsatz der investierten PHARE- und ISPA-Mittel in Bulgarien ist hőher als in den Mitgliedsländern, die Gelder aus anderen EU-Strukturfonds erhalten. Deshalb behaupte ich, dass wir in Bulgarien das notwendige Potenzial besitzen. Das, was uns immer noch fehlt, sind die administrativen Strukturen in einzelnen Regionen, die mit diesen Fonds künftig arbeiten werden. Wir brauchen noch etwa Zeit, diese administrative Kapazität zu schaffen. Aber ich bin sicher, dass wir Ende 2007 nicht schlechter vorbereitet sein werden, als es andere EU-Mitglieder zu der Zeit waren, als sie der Union beigetreten sind.

Ein erfolgreicher Einsatz der EU-Gelder ist nur dann möglich, wenn sich die einzelnen Regionen aktiv an dem Prozess beteiligen, was zur Zeit nicht der Fall ist in den meisten bulgarischen Gemeinden. Eine weitere Hürde ist die Voraussetzung der Ko-Finanzierung sein, d.h. die Gemeinden müssen 15 % der Mittel selbst zur Verfűgung stellen. Ist das nicht etwas, was den ganzen Prozess erschwert?

Die meisten bulgarischen Gemeinden haben dieses Potenzial, von dem Sie reden. Sie haben sich bislang um zahlreiche Projekte beworben und erfolgreich verteidigt. Ich kann Ihnen versichern, dass bereits zum Anfang des nächsten Jahres weitere Projekte in Hőhe von über 500 Millionen Euro vorliegen werden. Das Problem ist, dass einige der kleineren Gemeinden - nach meiner Rechnung sind es nicht mehr als 40 - nicht die administrative Kapazität besitzen, von den EU-Mitteln optimalen Gebrauch zu machen.

Was bedeutet das Fehlen solcher Potentiale z.B. für den schlechten Zustand der Straßen in Bulgarien? Es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass Bulgarien das Land ist, das die schlechtesten Straßen im gesamten EU-Gebiet besitzen wird!

Wir haben eine besonders gut entwickelte Straßeninfrastruktur in Bulgarien - die Gesamtlänge des Straßennetzes beträgt etwa 40.000 km. Daher aber auch unser Problem – wir verfűgen nicht über die erforderlichen Mittel, die Straßen intakt zu halten. Die Instandhaltung der Straßen erfordert unheimlich viel Geld, das wir nicht haben. Selbst die EU-Fonds können uns nicht viel helfen. Deshalb ist es nicht realistisch zu behaupten, dass die Strassen in Bulgarien kurzfristig repariert und modernisiert werden können. Nach meinen Berechnungen werden wir dafür wenigstens fünf bis zehn Jahre brauchen.”

Wird die EU-Mitgliedschaft die regionale Entwicklung beschleunigen? Kann die Wirtschaft, auch die deutsche Wirtschaft, Infrastrukturprojekte in Bulgarien wirksam in Gang setzen? Ich denke z.B. an die Deutsche Bank, an Fraport und andere deutsche Unternehmen, die bereits Interesse gezeigt haben?

Bereits heute, wenn wir noch kein EU-Mitglied sind, denken wir an Partnerschaften, von denen Sie reden. Die so genannte. “PPP - Public-Private-Partnership” ist einer dieser Wege, die finanziellen Mängel zu kompensieren. Wir haben bereits Gespräche mit Vertretern der Deutschen Bank gehabt, und ich muss sagen, dass diese größte europäische finanzielle Institution uns die Hand gereicht hat. Wir erwarten, dass sie sich aktiv in Bulgarien beteiligt. Neben den EU-Geldern, den Mitteln aus der nationalen Finanzierung und den Krediten, die wir auch in Anspruch werden nehmen müssen, werden wir bald – noch in den nächsten Tagen – Gespräche mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung beginnen. Gegenstand der Gespräche werden Konzessionen für die wichtigsten bulgarischen Autobahnen sein. Wenn wir dieses moderne Instrument – Public-Private-Partrnership - nicht nutzen, dann wird sich die Zeit, bis Bulgarien moderne europäische Straßen besitzt, um etwa zehn Jahre verlängern. Deshalb hat die bulgarische Regierung den Beschluss gefasst, für die großen Infrastrukturobjekte im Lande die Möglichkeiten der PPP zu nutzen.

Das Gespräch führte Emiliyan Lilov

DW-RADIO/Bulgarisch, 12.6.2006, Fokus Ost-Südost