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Bulgariens Sozialisten suchen Koalitionspartner

Alexander Andreev, z.Zt. Sofia 27. Juni 2005

Die Sozialisten gewannen bei der Parlamentswahl in Bulgarien 31,2 Prozent der Stimmen. Wichtiges Ziel ist und bleibt der EU-Beitritt 2007. Aber es gibt noch dringenderes. Alexander Andreev analysiert.

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Sofia in neuem LichtBild: dpa

Der Erfolg der Sozialisten kam nicht unerwartet: Eine Linkskurve in der Politik der letzten acht Jahre hat sich die Mehrheit der Bulgaren gewünscht. Denn die Reformen auf dem Weg in die EU waren vor allem für die Älteren und die Landbevölkerung schmerzhaft und mit einem sozialen Abstieg verbunden.

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Fortschritt teuer erkauft

Die Ex-Kommunisten, die nach der Wende von 1989 schon drei Mal die Regierung in Bulgarien gestellt hatten, wussten im Wahlkampf die Unzufriedenheit sehr geschickt auszunutzen. Sie versprachen einen schnellen Anstieg der Löhne und Renten und eine deutliche Verbesserung im sozialen und im Gesundheitsbereich.

Zentrale Markthalle in Sofia
Zentrale Markthalle in Sofia: hübsch restauriert, aber nicht jeder kann sich leisten, was hier im Angebot istBild: dpa

Um diese Versprechen auch in die Tat umsetzen zu können, werden die Sozialisten allerdings den Preis einer makroökonomischen Verschlechterung bezahlen müssen: Steuererhöhungen und teuere Kredite, mit denen sich eine neue Lohn-, Renten- und Gesundheitspolitik bezahlen lässt, werden das bisherige Wirtschaftswachstum von vier bis fünf Prozent jährlich abwürgen, die Inflation in die Höhe treiben und die bitter notwendigen Auslandsinvestitionen von Bulgarien fernhalten.

Rechtspopulisten mit Zulauf

Die Enttäuschung und die Reformmüdigkeit der Bulgaren
haben auch zu einem weiteren besorgniserregenden Wahlergebnis geführt: Die radikal populistische Partei "Ataka" gewann mehr als acht Prozent der Stimmen und wird im neuen Parlament ihr nationalistisches, rassistisches und Europa-feindliches Gedankengut verbreiten können.

Rache an den bisherigen politischen Eliten, Ausgrenzung und Unterdrückung der türkischen und der Roma-Minderheit, zurück zu einem autoritären Nationalstaat, raus aus der Nato und kein EU-Beitritt - für diese "Ataka"-Parolen zeigten sich vor allem jene Bulgaren empfänglich, die von der Marktwirtschaft am wenigsten profitiert und unter der Korruption und Kriminalität im Lande am stärksten gelitten haben.

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Die Idylle trügt manchmal

Nur machen sich diese Wähler offenbar keine Gedanken darüber, dass ihr kleines Land im konfliktgeprüften Balkan keine bessere Alternative hat als den EU-Beitritt und die offene, marktorientierte Gesellschaft. Gar nicht zu reden davon, dass das Personal und die Finanzierung der "Ataka"-Partei aus den dunkelsten Ecken der Vergangenheit kommen: dem Geheimdienstmilieu und dem harten Kern des ehemaligen kommunistischen Regimes, ja sogar aus den Kreisen der Sowjet-Nostalgiker in Russland.

Wer mit wem?

Der Wahlerfolg der Ultranationalisten wird auch die Regierungsbildung in Bulgarien erschweren. Denn die Sozialisten und die drittplatzierte kleine Partei der türkischen Minderheit kommen nicht mehr auf die von beiden Parteien erhofften Mehrheit im Parlament. Auch die zweite Kraft, die bisher regierende Partei des ehemaligen Königs und heutigen Premiers Simeon Sakskoburggotski, kann unter diesen Umständen keine regierungsfähige Koalition mit drei kleineren bürgerlichen Parteien rechts von der Mitte bilden.

Da sich keine der größeren im Parlament vertretenen Parteien auf Verhandlungen mit "Ataka" einlassen wird, bleibt eigentlich nur eine offene Option: eine große Koalition der Sozialisten mit der Nationalen Bewegung Simeon der Zweite. Im Wahlkampf haben sich beide Parteien von einer Koalition distanziert, also werden sie sich jetzt äußerst ungern aufeinander bewegen. Als Katalysator für eine solche Koalition könnte aber eine durchaus denkbare Beteiligung der Partei der türkischen Minderheit eine positive Rolle spielen.

Sozialisten kehren zurück
Der Chef der bulgarischen Sozialisten, Sergei StanishevBild: AP

Alle drei Parteien sind sich einig, dass das Land schnell ein handlungsfähiges Parlament braucht, um die für den EU-Betritt notwendigen Reformen noch in diesem Sommer abzuschließen. Die Zeitnot in Sachen EU-Beitritt könnte allerdings auch zu einer Minderheitsregierung führen, die von den restlichen demokratischen Parteien geduldet und in der beitrittsbedingten Gesetzgebung unterstützt wird.