1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bulgarische Wähler setzen auf Links

Alexander Andreev25. Juni 2005

Die bulgarische Parlamentswahl am Samstag (25.6.2005) ist ein Schlagabtausch zwischen Gewinnern und Verlierern der jüngsten Veränderungen im Land. Der Kampf gegen Armut hat den Sozialisten die Favoritenrolle eingebracht.

https://p.dw.com/p/6pNT
Premier Sakskoburggotski: Mitte-Rechts-Koalition vor dem Ende?Bild: DW

20 bis 30 Prozent der Bulgaren sollen mittlerweile den Sprung in die Mittelklasse geschafft haben. Die Mehrheit der Bevölkerung aber ist nach zwei Regierungsmandaten der Mitte-Rechts-Parteien reformmüde und sehnt sich nach mehr Staat und besseren Sozialleistungen. Genau das verspricht die ex-kommunistische Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die in den Umfragen mit über 40 Prozent Unterstützung klar vor der regierenden Nationalen Bewegung Simeon der Zweite (NBS2) liegt.

Sozialisten wollen modernisieren

Die Wahlversprechen der Sozialisten zielen genau auf die schwersten Probleme in Bulgarien: die Armut und den Niedergang des Gesundheits- und Bildungswesens. Zudem will sie die Wirtschaft modernisieren und international wettbewerbsfähig machen. "Für die Sozialisten ist es vor allem wichtig, dass während der nächsten anderthalb Jahre vor unserem EU-Beitritt die bulgarische Industrie eine Chance zur Erneuerung bekommt", sagt Sozialisten-Chef Sergej Stanischev.

Plenarsaal des bulgarischen Parlaments Sofia
Plenarsaal des bulgarischen ParlamentsBild: DW

Die Sozialisten sind sich offensichtlich im Klaren, dass der versprochene Einkommensanstieg und die Verbesserung des Sozial- und Gesundheitssystems wirtschaftliches Wachstum voraussetzen. Zwar wächst die bulgarische Wirtschaft seit 1999 um mehr als vier Prozent im Jahr. Viele Experten befürchten aber, dass sich unter einer BSP-Regierung die ökonomischen Eckdaten - Inflation, Haushaltsstabilität, Arbeitslosigkeit, Auslandsinvestitionen - verschlechtern werden: Die Sozialisten planen Steuer- und Rentenerhöhungen und stellen die für das Land enorm wichtigen Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds in Frage.

Koalition geht getrennte Wege

Die heutige Regierungskoalition der Nationalen Bewegung Simeon der Zweite (NBS2) und der Bewegung für Rechte und Freiheit (BRF) unter dem Ex-König Simeon Sakskoburggotski, die eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gefahren hat, geht getrennt in die Wahl.

Die BRF, die Partei der türkischen Minderheit in Bulgarien, hat ihre Bereitschaft bekundet, sich als Juniorpartner der Sozialisten an der künftigen Regierung zu beteiligen. Die BRF-Wähler, die zu den ärmsten Schichten in Bulgarien gehören, haben von der bisherigen marktorientierten Wirtschaftspolitik wenig profitiert und sehnen sich nach mehr staatlicher Unterstützung.

Sollten die Sozialisten mit der Partei der türkischen Minderheit keine Mehrheit erreichen, dann scheint eine Koalition der Mitte-Rechts-Parteien unter dem heutigen Premier Simeon Sakskoburggotski durchaus möglich. Sie wird voraussichtlich die Politik der letzten zwei Regierungen weiterführen und sich für eine liberale Marktwirtschaft, stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen, weniger Staat und einen schnellen EU-Beitritt einsetzen.

Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Eine besondere Rolle spielt dabei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sportminister Vassil Ivanov-Luciano machte im Wahlkampf klare Zusagen: "Ich verspreche es ihnen persönlich, dass wir alles tun werden, um Ihre Produktionsstätten zu erhalten", beteuerte der NBS2-Politiker gegenüber dem Wahlvolk. "So werden Sie Ihre Arbeitsplätze behalten und mit Ihren Familien weiterhin ein gutes Leben führen können."

EU-Beitritt Bulgariens
Bulgaren feiern Unterzeichnung der EU-BeitrittsverträgeBild: AP

Die möglichen Koalitionspartner - drei kleinere Mitte-Rechts-Parteien - haben gute Chancen, die Vier-Prozent-Hürde zu überwinden und ins Parlament zu kommen. Auch sie setzen sich in besonderem Maße für einen schnellen EU-Beitritt ein. Nur eine Mitte-Rechts-Regierung könne die dafür nötigen Reformen weiterführen, heißt es aus dem Kreis der Vereinigten Demokratischen Kräfte (VDK).

Fraglich bleibt indes, ob die ebenfalls bürgerlich orientierten Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) - die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Ivan Kostov - überhaupt den Sprung ins Parlament schaffen. Kostov, der den heutigen Premier Sakskoburggotski im Wahlkampf scharf angegriffen hat, zeigt wenig Bereitschaft, sich an einer Koalition zu beteiligen. Manche vermuten sogar, er bliebe lieber in der Opposition, um in vier Jahren wieder eine Chance als Regierungschef zu bekommen.

Europa-skeptische Stimmen

In seiner Partei, aber auch in der Bulgarischen Volksunion, die als dritter Koalitionspartner in einem bürgerlichen Kabinett gehandelt wird, werden sogar einige nationalistische und Europa-skeptische Stimmen laut. Krassimir Karakatschanov, der Vorzeigenationalist der Bulgarischen Volksunion, versucht an dem zwischenethnischen Konsens in Bulgarien zu rütteln. Er zähle auf die Stimmen "aller Bulgaren, die die Interessen Bulgariens über alle Parteiinteressen stellen". Bulgarien dürfe sich nicht der ethnischen Politik der Bewegung für Rechte und Freiheiten beugen.

Und auch eine ultrarechte Partei bekommt in den letzten Tagen vor der Wahl einen besorgniserregenden Zulauf. Die "Ataka" des Populisten Volen Siderov macht Stimmung mit rassistischen, ausländerfeindlichen und anti-europäischen Parolen und wird wahrscheinlich zum ersten Mal im Parlament vertreten sein.