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Zielgenaue Reisesperren für Corona-Hotspots

16. Juli 2020

Schneller, kleinteiliger, präziser: So wollen die Behörden künftig auf regionale Häufungen von Corona-Infektionen reagieren. Darauf haben sich Kanzleramtsminister Helge Braun und die Vertreter der Bundesländer geeinigt.

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Deutschland Tourismus in Zeiten der Corona-Krise | Polizei auf Rügen
Polizisten kontrollieren im März am Anleger einer Fähre die Abriegelung der Insel RügenBild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Bund und Länder wollen bei akuten Corona-Ausbrüchen örtlich begrenzte Ein- und Ausreisesperren ermöglichen, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Solche Beschränkungen sollten "zielgerichtet erfolgen und müssen sich nicht auf den gesamten Landkreis beziehungsweise die gesamte kreisfreie Stadt beziehen", heißt es in einem Beschluss der Chefs des Bundeskanzleramts und der Staatskanzleien der Länder. Vielmehr könnten sich die Beschränkungen auf die "tatsächlich betroffenen Bereiche" beschränken.

Dem Bund-Länder-Beschluss war in den vergangenen Tagen eine Debatte über die Verhängung von Ausreisesperren für sogenannte Corona-Hotspots vorausgegangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine solche Möglichkeit befürwortet. Mehrere Ministerpräsidenten vor allem aus Ostdeutschland hatten es aber abgelehnt, komplette Landkreise mit Ausreisesperren zu belegen. Sie äußerten Zweifel an der Verhältnismäßigkeit und Umsetzbarkeit.

Ostseeurlaub trotz Corona

Das umstrittene Wort "Ausreisesperren" ist in dem jüngsten Beschluss nicht enthalten. Die Rede ist dort vielmehr von "Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus". Die Beschränkungen sollten "zielgerichtet" erfolgen und könnten also auch Gebiete betreffen, die kleiner sind als ganze Landkreise.

Bund und Länder sollen helfen

Unterstützung soll dabei vom Bund und vom jeweiligen Land kommen: Sie sollen "zusätzliche Kapazitäten" für die schnelle Kontaktnachverfolgung und Testung zur Verfügung stellen - "auch damit der Zeitraum der Maßnahmen möglichst kurzgehalten werden kann". Zu einer Beschränkung von Ein- und Ausreise solle aber nur dann gegriffen werden, wenn kein "milderes Mittel" zur Verfügung stehe, heißt es weiter. Solche Beschränkungen solle es nur geben, wenn die Zahl der Infektionen weiter steige "und es keine Gewissheit gibt, dass die Infektionsketten bereits umfassend unterbrochen werden konnten".

Die erste Maßnahme bei einem Ausbruch solle es immer sein, "Kontakt- und Ausbruchscluster" zu isolieren. Als Beispiele für solche Infektionscluster nennt das Beschlusspapier "Unternehmen, Einrichtung, Freizeitgruppe, Glaubensgemeinschaft, Familienfeier". Hier sollten zunächst die "bewährten Maßnahmen Quarantäne, Kontaktnachverfolgung und Testung" ergriffen werden.

Widerstand aus Ost-Ländern

Gegen eine weitergehende Regelung zu Ausreisesperren hatten sich zuvor die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gestellt. "Einer grundsätzlichen Regelung für ganze Landkreise werden die Bundesländer nicht zustimmen", sagte Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer im Deutschlandfunk. Debatten über derart weitreichende Beschränkungen sorgten "für Verärgerung und Verwirrung in der Bevölkerung", kritisierte der CDU-Politiker.

Kanzleramtsminister Helge Braun, der auf Bundesseite für die Beratungen mit den Ländern zuständig ist, hatte sich vor Beginn der Gespräche kompromissbereit gezeigt. Es gehe darum, nach Corona-Ausbrüchen "schneller, kleinräumiger, präziser" zu handeln, sagte der CDU-Politiker im Zweiten Deutschen Fernsehen. Hingegen gehe es nicht darum, ganze Landkreise mit Reisesperren zu belegen. "Solche Beschränkungen sollen auch ein Stück ihres Schreckens verlieren."

Coronavirus Deutschland Kanzleramtsleiter Helge Braun mit Schutzmaske
Auch er trägt Maske: Kanzleramtsminister Helge BraunBild: Getty Images/AFP/F. Rumpenhorst

Bislang gelten für Corona-Hotspots keine Ausreisesperren. Vielmehr verhängen die Bundesländer Einreisebeschränkungen und Übernachtungsverbote für Menschen aus betroffenen Landkreisen. Dies führte in den vergangenen Wochen wiederholt dazu, dass Reisende aus deutschen Corona-Hotspots an ihren Urlaubsorten zurückgewiesen wurden. Weiterhin in Kraft bleibt die Vorschrift, dass Reisende aus betroffenen Gebieten nur bei Vorlage eines negativen Corona-Tests in Hotels und Pensionen untergebracht werden dürfen.

Regelung für Reiserückkehrer

Mit Blick auf die Reisesaison wurde zudem festgelegt, dass Rückkehrer aus dem Ausland, die sich innerhalb der vergangenen 14 Tage in einem Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet bleiben, sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen dem Beschluss zufolge kurzfristig die nationale Teststrategie in Hinblick auf den Umgang mit Reiserückkehrern weiterentwickeln. Sie sollen Kriterien dafür erarbeiten, ob, wann und in welchem Umfang Tests für diese sinnvoll sind. "Dies kann gegebenenfalls der Fall sein, wenn eine Urlaubsregion eine deutlich höhere Zahl aktiver Fälle aufweist als Deutschland im Durchschnitt, wenngleich die Kriterien für ein Risikogebiet beziehungsweise besonders betroffenes Gebiet noch nicht erreicht sind", heißt es in dem Papier.

kle/sti (afp, dpa, ARD)