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Merkel in China

1. Februar 2012

Ihre erste Auslandsreise außerhalb Europas in diesem Jahr führt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China. Besonders bei der Lösung der Euro-Krise erhofft sich die Kanzlerin Unterstützung aus Peking.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao begrüßen sich am Dienstag (28.06.2011) vor dem Kanzleramt in Berlin. (Foto: Hannibal dpa/lbn)
Angela Merkel und Wen Jiabao in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Das Jahr 2012 ist ein Jubiläumsjahr in den deutsch-chinesischen Beziehungen: Vor 40 Jahren nahmen beide Länder diplomatische Beziehungen zueinander auf. Aus den zunächst vorsichtigen, von Systemgegensätzen geprägten Kontakten sind inzwischen stabile wirtschaftliche und politische Beziehungen geworden. Deutschland ist Chinas wichtigster Wirtschaftspartner in Europa. Für deutsche Unternehmen ist der chinesische Markt von zentraler Bedeutung.

Im letzten Jahr fanden die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen statt. Solche Treffen der Regierungschefs und zahlreicher Minister hat Deutschland außerhalb Europas nur mit Israel und Indien vereinbart. Dieses diplomatische Instrument verdeutliche, welchen Stellenwert beide Staaten ihren bilateralen Beziehungen inzwischen zuwiesen, sagt Eberhard Sandschneider, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Das ist eine eindeutig institutionelle Aufwertung, die auch signalisiert, dass politisch und wirtschaftlich die Substanz dieser Beziehung an Bedeutung gewinnt - für beide Seiten."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao posieren am Dienstag (28.06.11) in Berlin (Foto: Axel Schmidt/dapd)
China und Deutschland pflegen seit 40 Jahren diplomatische BeziehungenBild: dapd

Merkel trifft chinesische Staatsführung

Am Donnerstag (2.2.2012) wird Angela Merkel in China erwartet. Der Besuch findet zwar nicht im Rahmen der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen statt. Dennoch wird Merkel in Peking sowohl Regierungschef Wen Jiabao als auch Staats- und Parteichef Hu Jintao treffen. In Peking wird die Kanzlerin eine Rede an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften halten. Am Freitag wird Merkel in die südchinesische Stadt Guangzhou weiter reisen.

Im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Merkel und der chinesischen Staatsführung werden die Lage der Weltwirtschaft und besonders die Schuldenkrise in Europa stehen, teilte das chinesische Außenministerium mit. Zudem werde über den Ausbau der bilateralen Beziehungen gesprochen. Weitere Themen sind die Entwicklungen in Nordkorea nach dem Tod des Diktators Kim Jong-Il und der Streit um das iranische Atomprogramm, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. 

Eurokrise im Mittelpunkt

Besonders in der Eurokrise erhofft sich die EU Hilfe von China. Gu Xuewu, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, geht davon aus, dass Merkel bei den chinesischen Gastgebern um Unterstützung des Euro werben wird. "Was wir in Europa haben ist nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch eine Vertrauenskrise", sagt Gu. Viele Länder hätten Probleme ihre Staatsanleihen zu verkaufen. "Natürlich wäre es gut, wenn die chinesische Regierung bereit wäre, mehr Staatsanleihen zu kaufen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) sieht sich Qinling, China Figuren der Terrakottaarmee an. (Foto: Rainer Jensen/dpa)
Merkel feierte 2010 ihren 56. Geburtstag mit den weltbekannten Terrakotta-Figuren in der westchinesischen Metropole XianBild: picture-alliance/dpa

Geld für den Aufkauf europäischer Staatsanleihen hat China reichlich. Das Land sitzt auf dem weltweit größten Berg an Devisenreserven. Wert: rund 3,2 Billionen US-Dollar. Ob China mit diesem Geld Europa in der Währungskrise hilft, ist allerdings fraglich. Im Dezember dämpfte die stellvertretende chinesische Außenministerin Fu Ying derartige Hoffnungen: China werde keinen großen Anteil des eigenen Geldes einsetzen, um den Euro-Ländern zu helfen, so Fu.

Unterschiedliche Positionen zum Iran

Aus aktuellem Anlass wird auch das iranische Atomprogramm ein Thema während Merkels China-Besuch sein. Am 23. Januar beschloss die Europäische Union harte Sanktionen gegen den Iran. Ab dem 1. Juli tritt ein Ölembargo in Kraft: Alle Öllieferungen aus dem Iran werden gestoppt. Ab sofort werden zudem die Konten der iranischen Zentralbank in Europa eingefroren. Die EU setzt darauf, dass sich auch andere wichtige Abnehmer iranischen Öls an den Maßnahmen gegen Teheran beteiligen. China lehnt Sanktionen gegen den Iran allerdings ab und bezeichnete die EU-Sanktionen als "nicht hilfreich".

Mehr als ein Fünftel der iranischen Ölexporte gehen nach China. Der Handel zwischen beiden Staaten wuchs 2011 nach iranischen Angaben um 55 Prozent. Gu Xuewu bezweifelt daher, dass China beim Thema Iran auf Deutschland und die EU zukommen wird und sieht hier Konfliktpotenzial,  "weil Deutschland gemeinsam mit der EU entschlossen ist, dieses Ölembargo gegen den Iran durchzuführen." Aus ökonomischen und politischen Gründen werde China das Embargo nicht unterstützen.

Taube Ohren beim Thema Menschenrechte

Was die Menschenrechtssituation in China betrifft, sind die Entwicklungen der letzten Monate besorgniserregend. Die chinesischen Behörden gehen so hart gegen Regierungskritiker vor, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zuletzt kam es zu heftigen Protesten von Tibetern, wobei nach offiziellen Angaben zwei Tibeter von chinesischen Sicherheitskräften erschossen wurden. Exiltibetische Gruppen sprechen von mindestens fünf Toten.

Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik glaubt jedoch nicht, dass mahnende Worte der Kanzlerin an der Menschenrechtssituation etwas ändern wird. "Wenn sie es tut, dann macht sie es nur aus Rücksicht auf die deutsche Innenpolitik, weil man das hier von ihr erwartet." Das Ergebnis dieser Ansprache stehe allerdings von vorne herein schon fest, ist sich Sandschneider sicher. "Es wird nichts ändern an der Menschenrechtssituation in China."

Schon in der Vergangenheit fiel das Thema Menschenrechte bei der chinesischen Staatsführung sprichwörtlich auf taube Ohren. Bei einem Besuch in den USA Anfang 2011 ging Staatspräsident Hu Jintao auf die kritische Frage eines Journalisten nicht ein, angeblich weil er aus "technischen Problemen" die Frage nicht gehört hatte. Und wie durch Zufall fiel auch beim letzten Deutschlandsbesuch von Chinas Ministerpräsidenten Wen Jiabao im vergangenen Jahr der Kopfhörer für die Übersetzungen ausgerechnet beim Thema Menschenrechte aus.

Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Matthias von Hein