1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundespolitische Karten neu gemischt

30. November 2010

Das Scheitern der schwarz-grünen Koalition in Hamburg setzt auch Spekulationen über ein gleichfarbiges Bündnis auf Bundesebene ein Ende. Die alten politischen Lager finden wieder stärker zusammen.

https://p.dw.com/p/QLB9
Deutsche Flagge vor dem Reichstag (Foto: AP)
Bild: AP

Die Grünen, das waren mal Revoluzzer, hervorgegangen aus der 68er-Studentenbewegung, der Anti-Atomkraft- und Anti-Atomwaffen-Bewegung sowie in Hamburg auch aus der Hausbesetzer-Bewegung, die sich gegen Immobilien-Spekulanten stellte. Keine andere Partei hat einen so hohen Anteil an Akademikern unter ihren Anhängern. Viele von ihnen verdienen heute gut und sind damit, so sehen es jedenfalls Parteienforscher, in ihrem Denken bürgerlicher geworden. So lässt sich auch erklären, dass die Christdemokraten in Hamburg vom Feindbild der Grünen zum Koalitionspartner geworden sind.

Nun aber sind die Grünen wieder ausgestiegen. Für Volker Kauder, den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag, bestätigt sich damit, "dass die Grünen eben keine so verlässliche bürgerliche Partei sind." Anders als die FDP, soll das heißen, mit der die Union im Bund koaliert.

FDP-Chef Guido Westerwelle gestikulierend am Rednerpult des Bundestages (Foto: AP)
"Schwarz-Grün ein toter Vogel": FDP-Chef Guido Westerwelle fühlt sich gestärktBild: AP

Die Liberalen haben seit der Bundestagswahl vor einem Jahr sehr an Zustimmung in der Wählerschaft verloren, während sich die Grünen über nie gekannte Umfragewerte freuen können. Das hat in den letzten Monaten Spekulationen genährt, das schwarz-grüne Bündnis von Hamburg könnte für Angela Merkel Modell stehen, sollte es nach der nächsten Bundestagswahl für Schwarz-Gelb nicht mehr reichen. Dass die Grünen nun die Hamburger Koalition platzen ließen, disqualifiziert nach Ansicht von FDP-Chef Guido Westerwelle nicht nur die Grünen selbst, sondern auch Schwarz-Grün insgesamt: "Dieses Modell Schwarz-Grün ist seit Hamburg ein toter Vogel."

Bürgerlich versus links

Nun sind die alten politischen Lager wieder klar erkennbar: Auf der einen Seite das sogenannte Bürgerliche aus Christdemokraten und Liberalen, auf der anderen die Grünen wieder eindeutig im linken Lager mit Sozialdemokraten und Linkspartei. Dass die Grünen im kleinen Saarland weiter mit CDU und sogar FDP koalieren, ändert kaum etwas an dieser Wahrnehmung. Einer Wahrnehmung, die auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir teilt: "Angesichts von zwölf Jahren Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und angesichts dessen, dass Frau Merkel sich ihre Gesetze im Gesundheitsbereich von der Lobby schreiben lässt, sehe ich nicht, dass es zusammenpasst. Das wird nicht funktionieren."

Olaf Scholz sprechend (Foto: AP)
Hoffnungsträger der SPD: Ihr Hamburger Spitzenkandidat Olaf ScholzBild: AP

Die Grünen orientieren sich also wieder klar Richtung SPD. Und diese sieht in den Hamburger Vorgängen die Chance, die Grünen auf Abstand zu halten. Die waren ihnen in den Umfragen zuletzt gefährlich nahe gekommen und haben sie in Baden-Württemberg und Berlin sogar überflügelt. In Hamburg aber liegt die SPD in der neuesten Umfrage bei 40 Prozent und kann damit stärkste Partei werden, vor den Christdemokraten und weit vor den Grünen. SPD-Chef Sigmar Gabriel folgert daraus, das Umfragehoch der Grünen habe damit zu tun, dass sie in vielen Teilen Deutschlands in der Opposition seien. "Sobald sie regieren", meint Gabriel, "kommen sie in der Realität an, und ich glaube, das ist auch ganz gut so."

Die vorzeitige Neuwahl in Hamburg wird nun voraussichtlich am 20. Februar stattfinden und damit vor den anderen sechs Landtagswahlen des nächsten Jahres. Besser hätte es für die SPD kaum kommen können. Eine Rückeroberung der alten Hochburg, SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als neuer Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg - das wäre für die SPD ein Auftakt nach Maß ins Superwahljahr 2011. Ein Wahljahr, das von einem harten Lagerwahlkampf geprägt sein wird. Dies lässt sich jetzt schon prophezeien.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz